- Der Euro erholte sich in den letzten Wochen auf breiter Front. Umgekehrt entwickelte sich der US-Dollar zu einem der größten Verlierer am Devisenmarkt.
- Da die Maßnahmen der EZB die Sorgen um den Euro reduzieren, ist der US-Dollar als Fluchtwährung weniger gefragt. Das neue Kaufprogramm der Fed setzt vermutlich den Greenback zusätzlich unter Druck. Auch die politischen Unsicherheiten im Umfeld der Wahlen und der "fiskalen Klippe" belasten, so dass der US-Dollar weiter gegenüber dem Euro abwerten dürfte.
- Helaba-Währungsprognosen
USD: Politik als Ballast
In diesem Jahr zog die europäische Schuldenkrise bislang die Aufmerksamkeit auf sich, während die Entwicklungen in den USA weniger Beachtung fanden. Dank der angekündigten massiven Eingriffe der Europäischen Zentralbank - Ankauf von Staatsanleihen aus der Euro-Peripherie - schmolzen die Risikoprämien für Wertpapiere aus Spanien und Italien, die Gefahr eines Zerfalls der Währungsunion scheint damit zunächst gebannt. Der Euro-Dollar-Kurs machte einen Sprung über 1,30, nachdem er noch vor zwei Monaten nur knapp über 1,20 notierte. Seit Mitte 2008, als der Euro seinen mehrjährigen Aufwertungstrend gegenüber dem US-Dollar beendete, pendelt der Wechselkurs unter z.T. hoher Volatilität im Bereich von 1,20 bis 1,50. Die Auf- und Abwärtsbe-wegungen dauern von einem halben bis zu gut einem Jahr. Hat jetzt eine neue Aufwertungswelle des Euro begonnen oder ist die Erholung wieder nur ein Strohfeuer?
Neben der europäischen Schuldenkrise beeinflusste insbesondere die US-Geldpolitik den Euro-Dollar-Kurs in den letzten Jahren. So gingen mit den ersten beiden Kaufprogrammen der Federal Reserve eine spürbare Dollar-Schwäche einher - nicht nur gegenüber dem Euro. Zum einen wurde das staatliche "Geld drucken" argwöhnisch betrachtet, zum anderen beförderte die Fed damit die Risikoneigung an den Finanzmärkten insgesamt, die den vermeintlich sicheren Hafen US-Dollar belastete. Nun hat sich die Fed für eine neue quantitative Maßnahme (QE3) entschieden: Sie wird hypothekenbesicherte Anleihen (MBS) im Wert von 40 Mrd. US-Dollar pro Monat ankaufen. Im Gegensatz zu früheren Programmen ist das jetzige zeitlich nicht limitiert. Die Fed behält sich wei-tere Schritte vor, sollte sich die wirtschaftliche Lage nicht verbessern.
Dabei erfordert der Zustand der moderat wachsenden US-Wirtschaft nicht zwangsläufig neue stimulierende Maßnahmen seitens der Notenbank. Der private Konsum steigerte sich zuletzt, der Bausektor belebt sich. Der gesamte Wohnimmobilienmarkt hat nach seinem tiefen Fall wohl das Schlimmste überstanden und erholt sich sukzessive. Hingegen hat sich die Stimmung bei den Un-ternehmen eingetrübt, ihre Investitionen flauen ab. Insbesondere einige Indikatoren aus dem Ver-arbeitenden Gewerbe mahnen zur Vorsicht. Auch beim Personal halten sich die Unternehmen zurück, die Beschäftigung nimmt nur schleppend zu. Grundsätzlich sprudeln die Gewinne bei den Unternehmen jedoch weiterhin, was die konjunkturellen Abwärtsrisiken verringert.
Ein Faktor, der auch die Investitionsfreude bremst, ist die Finanzpolitik. Denn zum Jahreswechsel droht die sogenannte "fiskale Klippe". Die Steuersenkungen aus der Bush-Ära sowie die temporä-re Absenkung der Rentenbeiträge laufen aus. Zudem fallen im Vorjahr vereinbarte automatische Ausgabenkürzungen im Haushalt an. Wenn die Blockade im Kongress auch bis zum Jahreswech-sel Bestand hat, könnte der negative Impuls von der Finanzpolitik die US-Wirtschaft 2013 in eine Rezession drücken. Allein diese Unsicherheit stellt eine zusätzliche Belastung für den US-Dollar dar. Allerdings ist wahrscheinlicher, dass sich die miteinander zerstrittenen Demokraten und Re-publikaner - voraussichtlich in letzter Minute - noch einigen werden. Ein gewisser negativer Kon-junkturimpuls bliebe, aber die Rezessionsängste würden verschwinden. 2013 dürfte das US-Bruttoinlandsprodukt mit rund 2 % expandieren.
Wie auch immer die fiskale Klippe überwunden wird, das US-Haushaltsdefizit stellt ein Problem dar. 2012 wird der gesamtstaatliche Fehlbetrag rund 7,5 % vom BIP ausmachen, sich damit also auf dem Niveau europäischer Krisenstaaten befinden. Der Devisenmarkt hat bislang die schwieri-gen US-Staatsfinanzen weitgehend ignoriert, was sich aber ändern könnte, wenn bspw. die Haus-haltskonsolidierung weiter in die Zukunft verschoben wird. Präsident Obama und sein republikani-scher Herausforderer Mitt Romney halten sich mit konkreten Plänen zur Defizitreduktion bedeckt. Obama tendiert zu Steuererhöhungen, während Romney eher die Ausgaben kürzen möchte.
Welcher Präsident nun für den US-Dollar am günstigsten wäre, ist unsicher. Theoretisch sollte sich Romney positiver auf den Greenback auswirken. Die Republikaner setzen vom Ansatz her weniger auf den Staat, bevorzugen geringere Defizite und kritisieren mittlerweile sogar die expansiven Maßnahmen der Fed. Empirisch betrachtet hat der handelsgewichtete US-Dollar nach seiner Frei-gabe Anfang der siebziger Jahre jedoch unter republikanischer Präsidentschaft durchschnittlich sogar stärker verloren als unter den Demokraten. Ohnehin zeichnet sich eine Wiederwahl von Obama ab: Während ihm in den nationalen Umfragen ein leichter, aber stabiler Vorsprung gegen-über seinem Rivalen zugesprochen wird, gehen die elektronischen Wettbörsen fest von einem Sieg des Demokraten aus.
Unabhängig von den langfristigen Folgen der US-Finanzpolitik sollte der Greenback im Umfeld der Wahlen und der fiskalen Klippe zur Schwäche neigen. Die Geldpolitik wird ebenfalls negative Impulse geben, ein Ende des Kaufprogramms ist nicht abzusehen, eine Zinswende vor 2015 bereits ausgeschlossen. Diese Fed-Politik stimmt auch langfristig bedenklich, wenngleich erst bei nach-haltig steigenden Inflationsraten der Lackmustest für die Notenbank ansteht. Jenseits der Politik gibt es aber langfristige Hoffnungsschimmer für den Greenback. Das Leistungsbilanzdefizit der USA hat sich auf 3 % des BIP stabilisiert und damit gegenüber 2006 halbiert. Die wachsende Öl- und Gasförderung reduziert ebenso die Abhängigkeit vom Ausland. Neben dem Häusermarkt scheint sich zudem der Bankensektor zu fangen, die privaten Haushalte haben ihre Verschuldung merklich abgebaut.
Ob der US-Dollar in den kommenden Monaten gegenüber dem Euro weiter zur Schwäche neigt, hängt natürlich auch von der Entwicklung in Europa ab. Wenn die EZB mittels Anleihekäufen die Sorgen um die Staatsschulden bzw. den Euro weiter vertreiben kann, spricht mehr für eine fortgesetzte Euro-Erholung. Im Gegensatz zur Fed versucht die EZB zumindest kein "Geld zu drucken", d.h. sie möchte die im Rahmen ihrer Anleihekäufe geschöpfte Liquidität über Gegengeschäfte wieder einsammeln. Wie bei der Fed birgt auch die EZB-Politik Risiken, zudem sind die politi-schen Prozesse in der Währungsunion bzw. in den Krisenstaaten für negative Überraschungen gut. Wer sich von Euro und US-Dollar langfristig als der Blinde und wer sich zumindest als der Einäu-gige erweisen wird, ist noch lange nicht entschieden. Zurzeit decken spekulativ orientierte Investo-ren ihre sehr hohen Euro-Verkaufspositionen ein, weshalb der Euro recht zügig aufwertet, selbst wenn er jetzt kurzfristig konsolidiert. Ein sich fortsetzender "Short-Squeeze" und die erwähnten US-Probleme sprechen dafür, dass sich der Euro-Dollar-Kurs wieder in einer Aufwärtswelle be-findet, die sich bis in das kommende Jahr ziehen sollte. Der Euro-Dollar-Kurs dürfte noch auf 1,35 oder sogar bis 1,40 klettern.