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Lieber Grexit als Brexit

(lifePR) (Frankfurt am Main, )
Der vor gut drei Wochen wiedergewählte britische Premierminister David Cameron macht Nägel mit Köpfen: Wie im Wahlkampf versprochen bereitet er das Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU vor. Ursprünglich wollte er damit der europafeindlichen Independence Party (Ukip) den Wind aus den Segeln nehmen. Als Cameron Anfang 2013 eine Volksabstimmung über den sogenannten "Brexit", also den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union bis spätestens 2017 in Aussicht stellte, lag mit fast 8 % eine recht hohe Arbeitslosenquote vor und implizit wurde die EU dafür verantwortlich gemacht. In Großbritannien herrscht aber mittlerweile annähernd Vollbeschäftigung (Arbeitslosenquote 5,5 %). So überrascht es auch nicht, dass sich die Mehrheit der Briten in den jüngsten Umfragen für einen Verbleib in der EU ausspricht.

Die Industrieunternehmen im Vereinigten Königreich, aber auch in Deutschland, sind sich einig, dass ein Austritt Großbritanniens für alle Seiten negative Folgen hätte. Entscheidend wäre aber letztendlich, welchen Status Großbritannien im Falle eines Austritts erhielte. So wäre eine EWR-Mitgliedschaft (Europäischer Wirtschaftsraum) wie mit Norwegen oder eine bilaterale Lösung wie mit der Schweiz denkbar. In diesem Fall müsste sich Großbritannien aber in erheblichem Maße den EU-Regeln beugen, ohne diese mitbestimmen zu können. Möglich wäre natürlich auch ein kompletter Bruch mit der EU, bei dem Großbritannien den Zugang zum EU-Binnenmarkt verlieren würde. Im diesem Fall wären aufgrund der hohen Verflechtungen erhebliche negative Effekte sowohl für britische als auch für die EU-Unternehmen zu erwarten.

Viel zu wenig wird m.E. aber über die politischen Implikationen für die EU gesprochen. Zwar mag die Staatengemeinschaft ohne den "Quälgeist" Großbritannien in sich geschlossener wirken. Allerdings würden dann eher wirtschaftsliberale Elemente weiter zurückgedrängt. Eine noch höhere Regulierung und Bürokratisierung wären sehr wahrscheinlich. Zudem würde eine geschrumpfte EU international an Bedeutung verlieren, zumal nach dem ersten EU-Austritt weitere wirtschaftlich starke Staaten mit dem Gedanken spielen könnten.

Ganz anders wäre ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone zu bewerten. Während gemäß der Lissabon-Verträge ein Austritt aus der Europäischen Union rechtlich möglich ist, wurde es in den Verträgen zur Schaffung der Europäischen Währungsunion versäumt, eine Exit-Klausel einzubauen. Daher wird seit Wochen darüber diskutiert, wie Griechenland trotz eines drohenden Staatsbankrotts in der Eurozone gehalten werden kann. Mittlerweile ist aber offensichtlich, dass die Vorstellungen Griechenlands über eine angemessene Wirtschaftspolitik den Notwendigkeiten eines gemeinsamen Währungsraumes diametral entgegenstehen. Je mehr Zugeständnisse an Griechenland gemacht werden, desto mehr geht die Bereitschaft anderer Länder zu Strukturreformen zurück. Dies würde die Wettbewerbsfähigkeit der Eurozone insgesamt beeinträchtigen.

Jedoch nicht nur die wirtschaftlichen Konsequenzen wären massiv, sondern auch die politischen. Die radikalen Kräfte am rechten und linken Rand würden zunehmen. So gefährdet das zwanghafte Festhalten an einem Land, das weder ökonomisch noch politisch die Kriterien eines Kandidaten für einen optimalen Währungsraum erfüllt, die Attraktivität und Stabilität des Ganzen. Eine Europäische Währungsunion ohne Griechenland würde vermutlich langfristig sowohl die Eurozone als auch Griechenland stärken.

Ein "Grexit" wäre sicherlich kurzfristig mit schmerzhaften Anpassungsreaktionen für beide Seiten verbunden. Unabhängig davon, ob Griechenland unmittelbar oder zeitlich verzögert mittels einer Parallelwährung den Euro abgäbe, wäre dort mit einem Anstieg der Inflation und unter Umständen sogar mit sozialen Unruhen zu rechnen. Diese Härten gilt es abzufedern. Es wäre sinnvoll, die Verträge so zu verändern, dass Griechenland in der EU verbleiben könnte. Die Eurozone müsste sich darüber hinaus eingestehen, dass bei der Schaffung der Währungsunion Fehler gemacht wurden. Nicht nur wurden zu schnell zu viele Länder aufgenommen, auch die fehlende Exitklausel scheint sich nun zu rächen. Aber wegen der Fehler der Vergangenheit das Schicksal der Eurozone an den Verbleib Griechenlands zu koppeln wäre fatal.

Beitrag erschienen in "Die Welt", 30. Mai 2015

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