Überraschend ist eher, dass der Euro-Dollar-Kurs mit knapp 1,40 auf den höchsten Stand seit Oktober 2011 kletterte. Ist der Euro, kaum hat sich die Schuldenkrise entspannt, der neue sichere Anlagehafen? Im Vergleich zu vielen Schwellenländern erscheint die Währungsunion mittlerweile als sicher, Gelder werden wohl zurückgezogen. Tatsächlich ist der Zusammenhang zwischen der Risikoaversion und dem Euro-Dollar-Kurs derzeit nicht eindeutig ausgeprägt. Den Kursrückgang vom Donnerstagnachmittag hat EZB-Präsident Draghi mit einer verbalen Intervention ausgelöst.
Der Rutsch um mehr als einen Cent erinnert zum einen daran, dass der US-Dollar schnell wieder gefragt sein kann, wenn es an den Finanzmärkten wirklich brenzlig wird, zum anderen dass die geldpolitische Entwicklung klar für einen fallenden Euro-Dollar-Kurs spricht.
Wochen-Quartals-Tangente
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine spitzt sich weiter zu: Am Sonntag wird das geplante Referendum auf der Krim abgehalten. Gleichzeitig sind die Fronten zwischen dem Osten und dem Westen nicht nur verbal verhärtet. Während Russland weitere Militärmanöver an der ukrainischen Grenze abhält, erteilten die USA der ukrainischen Übergangsregierung eine Absage, diese militärisch zu unterstützen. Allerdings sei dies nicht als "nein für immer", sondern lediglich als ein "derzeitiges nein" der USA zu verstehen. Was also passiert nach dem Referendum?
Es ist schwer abzuschätzen, inwieweit Russland und die Ukraine eine militärische Auseinandersetzung forcieren werden. Sicherlich wird eine deutliche Mehrheit auf der Krim für einen Beitritt zu Russland votieren und der Westen kann dieses Ergebnis nicht anerkennen. Die vom Westen bislang erfolgten Sanktionsdrohungen dürften dann zwar umgesetzt werden, allerdings haben diese, wie z.B. Visaverschärfungen, nicht mehr als Symbolcharakter und werden Präsident Putin nicht sonderlich beeindrucken. Dennoch muss daraus nicht unbedingt eine Negativspirale aus immer neuen Sanktionen und Gegensanktionen resultieren. Womöglich gibt sich Russland mit dem Referendum zufrieden, der Westen verurteilt das Ganze und kann schon bald wieder zum Tagesgeschäft übergehen.
An den Kapitalmärkten könnte dies zu einer Gegenbewegung führen und die Aufmerksamkeit weg von den geopolitischen Risiken hin zum fundamentalen Umfeld lenken. So tagt die US-Notenbank (S. 5) in der Berichtswoche. Da ganz allmählich der Frühling auch in den Konjunkturdaten Einzug hält, sind intensivere Diskussionen um eine anstehende Zinswende der Fed u.E. nur noch eine Frage der Zeit. In der kommenden Woche sollte dies zu einer Belastung der Renten führen und zugleich den US-Dollar stärken. Ohnehin erfährt der Greenback nun auch Rückendeckung von EZB-Chef Draghi, dem der starke Euro vor dem Hintergrund der schwachen Inflationsentwicklung ein Dorn im Auge ist. Für Aktien (S. 4) liegt jenseits möglicher Zwischenerholungen das Beste aber bereits hinter uns. Der in der Berichtswoche anstehende ZEW-Index dürfte von der Krimkrise beeinträchtigt sein.
Aktien: Rächt sich nun die Gelassenheit?
Drohende Sanktionen gegen Russland haben bei den Marktteilnehmern zuletzt Zweifel daran aufkommen lassen, ob bei den Konfliktparteien die ökonomische Vernunft tatsächlich die Oberhand behält. Die Krim-Krise ist jedoch eher Katalysator als Ursache der Korrektur, denn die fundamentalen Bedingungen sprechen längst nicht mehr für steigende Notierungen.
Bullen bekommen kalte Füße
Trotz anhaltender geopolitischer Spannungen wirkten die Aktienmärkte lange erstaunlich robust.
Dies galt in besonderem Maße für die US-Indizes. Während der DAX im Zuge der Krim-Krise sichtbar an Wert eingebüßt hat, erreichte der S&P 500 zeitweilig sogar neue historische Höchststände.
Steht die globale Aktienhausse also nach wie vor auf einem soliden Fundament und sind die stärkeren Kursreaktionen hierzulande wirklich nur Ausdruck der stärkeren Betroffenheit der deutschen Wirtschaft im Falle anhaltender Spannungen mit Russland?
Dass der US-Aktienmarkt die mehrheitlich negativen Überraschungen der letzten Wochen ignorierte, ist angesichts der Verzerrungen durch den kalten Winter noch nachvollziehbar. Die bislang sehr hohe Gelassenheit der US-Anleger birgt im Sinne der Kontraindikation allerdings nicht zu vernachlässigende Risiken. So sind es diejenigen Titel aus dem S&P 500, die eher eine geringe Gewinnund Dividendenstabilität aufweisen, die seit Monaten die Rally anführen. Ein weiteres Indiz für die ausgeprägte Risikofreude ist der hohe Anteil kreditfinanzierter Wertpapierkäufe. Diese haben in Relation zum nominalen BIP inzwischen ein vergleichbar hohes Niveau erreicht wie im Jahr 2000 oder 2007, als der Aktienmarkt ein zyklisches Hoch ausbildete.
Korrektur hat fundamentale Ursachen
Auch wenn die Bewertung weit entfernt von den astronomischen Werten während der "New Economy Bubble" ist, haben US-Standardwerte das Niveau von 2007 inzwischen erreicht. Damit sind die Puffer, die in Form von Bewertungsabschlägen als Konsequenz aus der Finanzkrise vorhanden waren, inzwischen aufgezehrt. Die Risikofreude, die Indikatoren wie die implizite Volatilität schon seit geraumer Zeit angezeigt haben, kommt inzwischen auch in einer relativ hohen Bewertung - gemessen an den gängigsten Kennziffern (KGV, KCV, KBV und Dividendenrendite) zum Ausdruck.
Dabei sind die zugrunde gelegten Konsens-Schätzungen alles andere als konservativ, was die überwiegend negativen Gewinnrevisionen belegen. Damit besteht aus fundamentaler Sicht kaum noch Luft für nachhaltig höhere Notierungen. Da zudem die US-Notenbank ihr Anleihenkaufprogramm in den kommenden Monaten weiter zurückführen wird, verliert ein wichtiger Kurstreiber an Kraft. Mit den Kursspitzen im ersten Quartal dürften die Höchststände für dieses Jahr schon etwas früher als von uns zunächst prognostiziert erreicht worden sein. Eine Deeskalation der Krim- Krise dürfte an den Märkten zwar kurzfristig noch einmal für Erleichterung sorgen, eine Fortsetzung des Aufwärtstrends ist u.E. allerdings wenig wahrscheinlich.
Fed: "Grünes" Licht für ein geringeres Kaufvolumen
Die Berichtswoche bringt wieder einen prall gefüllten Datenkalender sowie die FOMC-Sitzung. Die Woche beginnt aber für viele Marktteilnehmer in den USA am 17. März zunächst einmal mit einem frühen Feierabend und einem rituellen Barbesuch anlässlich des irischen Nationalfeiertags St. Patrick's Day. Grün wird an diesem Tag aber wohl vor allem das Bier sein - der Frühling lässt auf sich warten. An der Indikatorenfront gilt nach wie vor, dass die Aussagekraft der Zahlen wegen der Verzerrungen durch den kalten Winter eingeschränkt bleibt. Auch der Februar war noch einmal überdurchschnittlich kalt. Die Fed wird wohl durch die negativen Effekte der Witterung hindurch schauen und sich auf die zugrundeliegende Erholung fokussieren. Wir rechnen daher damit, dass sie eine erneute Reduktion ihres Kaufprogramms beschließen wird. Damit bleibt sie auf Kurs, die Anleihekäufe im Q4 2014 zu beenden.
"Forward guidance" auf Abruf?
Der Arbeitsmarktbericht zum Februar wies für diesen Monat einen Stellenaufbau von 175.000 und eine Netto-Aufwärtsrevision der Vormonatswerte um 25.000 aus. Doch gibt es klare Zeichen, dass die Witterung im Februar wie erwartet noch einmal dämpfend wirkte: Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit fiel und die Zahl derer, die wegen schlechten Wetters nicht arbeiten konnten, verzeichnete - mit Ausnahme des "Snowmageddon" im Jahr 2010 - den höchsten Stand in einem Februar seit 1978. Damit liefern die Daten dem FOMC eine fast perfekte Vorlage, seinen bisherigen Kurs fortzusetzen und das monatliche Volumen des Wertpapierkaufprogramms um 10 Mrd.
Dollar auf nunmehr 55 Mrd. Dollar zu reduzieren. Angesichts der Tatsache, dass die Arbeitslosenquote bereits fast auf den "Schwellenwert" des FOMC von 6,5 % gefallen ist, steht wohl darüber hinaus bei der "forward guidance" eine Anpassung an. Aus unserer Sicht wäre ein ersatzloses Streichen der Vorabfestlegung die beste Option. Obwohl dieses Instrument seine Nützlichkeit überlebt hat, wird sich die Fed wahrscheinlich nicht trauen, es einfach kommentarlos fallen zu lassen. Wir gehen unverändert davon aus, dass die Fed in den kommenden Monaten alles tun wird, um Zinserhöhungserwartungen zu dämpfen, indem sie Fortschritte bei der Erholung am Arbeitsmarkt kontinuierlich durch Verweise auf andere Indikatoren relativiert.1 So lange dies am Markt keine Ängste auslöst, die Fed könnte "behind the curve" sein, bleibt ein Ausbruch von Inflationserwartungen und Kapitalmarktrenditen nach oben unwahrscheinlich. Vor die Wahl einer Neuauflage von 1994/95 oder 2004/05 gestellt, würde sich die Fed für die Variante Nr. 2 entscheiden.
Scylla und Charybdis?
Hatte in den 1990er Jahren die geldpolitische Wende der Fed einen Crash am Rentenmarkt und die "Tequila-Krise" in Mexiko ausgelöst, folgte auf die erste Zinserhöhung 2004 das von Alan Greenspan so genannte "conundrum": Obwohl der Leitzins immer weiter stieg, hatten die Kapitalmarktrenditen ihren Hochpunkt bei der ersten Straffung quasi schon hinter sich.2 Allerdings folgte auf den damaligen "Straffungszyklus in Zeitlupe" nicht ganz zufällig auch die Immobilien- und Kreditblase, die in der Finanzkrise endete.