- Die US-Notenbank dürfte schon bald mit der Verringerung ihrer Anleihekäufe beginnen. Die Anleger scheinen sich darauf eingestellt zu haben, was sich in dem massiven Renditeanstieg der letzten Monate widerspiegelt.
- Im Zuge der konjunkturellen Erholung im Euroraum hat sich die Zinssenkungsfantasie weitgehend verflüchtigt. Das niedrige Leitzinsniveau dürfte angesichts des schwachen Geldmengen- und Kreditwachstums jedoch noch lange Bestand haben.
- Angesichts der erhöhten geopolitischen Unsicherheiten steuern viele Anleger sichere Häfen an. Davon dürften auch deutsche Anleihen profitieren, die nach dem jüngsten Renditeanstieg ohnehin an relativer Attraktivität gewonnen haben.
- Die deutliche Kurskorrektur eröffnet Chancen, Laufzeitenportfolios nach einer Durststrecke wieder etwas länger auszurichten. Die steiler gewordene Zinsstruktur müsste Rückhalt gegen mögliche weitere Störfeuer aus den USA geben.
Konjunkturerwartungen
Das konjunkturelle Tal im Euroraum ist durchschritten. Spanien und Italien verzeichneten im zweiten Quartal zwar noch geringe Wachstumseinbußen. Die Eurozone insgesamt erzielte mit einer Quartalssteigerung des Bruttoinlandsprodukts von +0,3 % den höchsten Wert seit Anfang 2011. Maßgeblichen Anteil daran hatte Deutschland mit einem Zuwachs von 0,7 %. Die Indizes der Auftragseingänge und der Industrieproduktion sind zur Jahresmitte auf den höchsten Stand seit zwei Jahren geklettert. Das ifo-Geschäftsklima hat die Schwächephase vom Frühjahr inzwischen überwunden. Die aggregierten Einkaufsmanagerindizes liegen zwar alle in einem Bereich der Expansion signalisiert. Allerdings deutet das anhaltend schwache Geldmengen- und Kreditwachstum im Euroraum darauf hin, dass die konjunkturelle Dynamik insgesamt vermutlich überschaubar bleiben wird.
Rohstoffmärkte
Auch im dritten Jahr nach der sprunghaften Konjunkturerholung im Anschluss an die große Rezession kommen Rohstoffe nicht wirklich aus der Defensive. Natürlich baut sich das Angebot ähnlich wie bei Immobilien und im Gegensatz zu Aktien nach einer langjährigen Hausse noch eine ganze Weile weiter auf. Aber auch die Nachfrage wächst längst nicht mehr in dem Maße, wie lange Zeit erhofft. Allenfalls kurzfristig wird das Szenario eines deutlich niedrigeren Potenzialwachstums aufgrund geringerer Produktivitätsgewinne und eines langsamer wachsenden Arbeitskräfteangebots durch geopolitische Entwicklungen, Währungsturbulenzen und marktpsychologische Entwicklungen überlagert.
Inflationserwartungen
Die Aufwärtsbewegung der Teuerung in der Eurozone setzte sich im Juli nicht fort. Die Jahresrate verharrte bei 1,6 %. Der deutliche Rückgang der Preise für industrielle Güter auf 0,4 % wurde durch den Anstieg auf 3,5 % bei der Preissubkomponente Nahrungsmitteln, Alkohol und Tabak ausgeglichen. Die Rate für Energiepreise blieb unverändert bei 1,6 %. Auch die Inflationserwartungen im Euroraum traten zuletzt auf der Stelle und liegen im Bereich der 2 %-Marke. So lange die Rohstoffpreise, insbesondere der Ölpreis, keinen Aufwärtstrend einschlagen, wird sich an dieser Situation nur wenig ändern. Die US-Inflationserwartungen haben sich Anfang August ohnehin leicht zurückgebildet und befinden sich mit rund 2,2 % auf einem moderaten Niveau.
Internationale Kapitalströme
Im Zuge verbesserter Konjunkturzahlen hat der Euroraum spürbar an Stabilität gewonnen, was sich zuletzt auch in einem höheren Euro-Außenwert bemerkbar machte. Seit Mario Draghi im Juli 2012 sein Versprechen zur Euro-Rettung abgegeben hat, ist der handelsgewichtete Währungsindex um über 11 % angestiegen. Im Konflikt um Syrien droht mit dem Einsatz der westlichen Militärmächte eine neuerliche Belastungsprobe für den Nahen Osten. Dies setzte die Aktienmärkte weltweit unter Druck. Angesichts der gewachsenen geopolitischen Unsicherheiten steuern viele Anleger sichere Häfen an. Davon profitieren auch deutsche Anleihen, die nach dem jüngsten Renditeanstieg ohnehin an relativer Attraktivität gewonnen haben. Diese Einschätzung trifft ebenfalls auf US-Staatsanleihen zu, insbesondere da sich die Situation in vielen Schwellenländern zuletzt verschlechtert hat und der Anlagebedarf aufgrund der weltweiten Überschussliquidität unverändert hoch ist.
Geldpolitik
Angesichts der konjunkturellen Stabilisierung werden auch im EZB-Rat die Ängste vor einem Auseinanderbrechen der Währungsunion in den Hintergrund rücken. Mario Draghi dürfte das Thema Zinssenkung zwar nicht fallen lassen, den Ball diesbezüglich jedoch flach halten. Die veränderte Kommunikationsstrategie mit der Festlegung auf ein dauerhaft niedriges Leitzinsniveau wird der aus Sicht der Währungshüter wohl "nervigen" Diskussion über eine geldpolitische Wende vermutlich die Kraft nehmen. Die EZB gewinnt dadurch Zeit, um Entwicklungen in Ruhe zu beobachten. Vermutlich wird Mario Draghi die unterschiedlichen geldpolitischen Ausgangslagen beiderseits des Atlantiks betonen, um sich dem Sog der US-Geldpolitik zu entziehen. An rasch steigenden Renditen ist der EZB, insbesondere mit Blick auf die immer noch recht schwachen monetären Indikatoren und des unverändert hohen Schuldenstände vieler Länder, nicht gelegen.
US-Rentenmarkt
Die Rendite 10-jähriger US-Treasuries ist vorerst an der Marke von 3 % gescheitert. Damit erhöhen sich die Chancen, dass sich die Renditen in diesem Jahr auf einem darunter liegenden Niveau einpendeln. Angesichts anhaltend niedriger Leitzinsen und moderater Inflationserwartungen - aktuell leicht über 2 % - würde dies einem fundamental angemessenen Wert entsprechen. Mittlerweile hat die US-Notenbank die Anleger darauf eingestimmt, dass sie mit dem baldigen Abschmelzen der monatlichen Anleihekäufe beginnt. Bereits auf der FOMC-Sitzung im September dürfte die erste Reduktion bekannt gegeben werden. Bis Mitte 2014 sollte das Kaufprogramm komplett eingestellt werden. Obwohl die Arbeitslosenquote zu diesem Zeitpunkt bereits beim "Zielwert" der Fed von 6,5 % liegen dürfte, ist davon auszugehen, dass sie sich mit der ersten Anhebung des Leitzinses bis Ende 2014 Zeit lassen wird.
Basisszenario für Zinsprognose
Die Konjunktur im Euroraum stabilisiert sich im zweiten Halbjahr. Positive Impulse für die Weltwirtschaft gehen insbesondere von den USA aus. Die Konjunkturdynamik in den Emerging Markets fällt dagegen schwächer aus als erwartet. Rohölpreise und Inflationserwartungen weisen keine großen Sprünge auf. Die politischen Unsicherheiten in den europäischen Krisenländern bleiben zwar bestehen. Die Renditen erreichen jedoch keine kritischen Niveaus mehr. Die Reduzierung der Anleihekäufe durch die Fed ist weitgehend eingepreist.
Alternativszenarien für Rentenmärkte
Rezessionsszenario: Der Aufschwung der Weltwirtschaft gerät ins Stocken. Unternehmen und Haushalte verlieren das Vertrauen in die Wachstumskräfte. Der Investitionszyklus bricht ebenso ab wie die private Nachfrage. Deutschland rutscht in eine Rezession. Die Euro-Schuldenkrise vertieft sich. Die EZB senkt nochmals den Leitzins und verstärkt die unkonventionellen Maßnahmen.
Aufschwungszenario: Der Investitionszyklus gewinnt rasch an Breite. Der globale Konjunkturzug nimmt enorm Fahrt auf. Die Notenbanken schießen über das Ziel hinaus und zögern, ihre Geldpolitik zurückzufahren. Die üppige Liquiditätsausstattung befeuert damit nicht nur die Kapitalmärkte, sondern treibt sukzessive auch die Geldentwertung in der Realwirtschaft.
Performancerückblick
Nachdem sich im Juli, im Anschluss an zwei negative Monate, eine leichte Erholung einstellte, ging es im August bereits wieder abwärts. Sieben- bis zehnjährige Pfandbriefe verzeichneten bis kurz vor Monatsultimo einen Ertragsverlust von 0,9 %. Der iBoxx-Index für gleichlaufende Bundesanleihen sank sogar um 1,2 %. Die Jahresbilanz fällt mittlerweile sehr schlecht aus. Lange Pfandbrieflaufzeiten weisen ein Minus von fast 2,5 % aus. Bei Staatsanleihen fällt der Wert mit -1,8 % zwar etwas besser aus. Dafür liegt der Ertrag der mittleren Laufzeitenbereiche mit -1,5 % bzw. -0,9 % spürbar unterhalb dem von Pfandbriefen, die Erträge von -1,2 % bzw. -0,4 % aufweisen. Der einzige positive Laufzeitenabschnitt findet sich bei ein- bis dreijährigen Bundesanleihen wieder.
Ertragssensitivitäten
Für den Betrachtungszeitraum von drei Monaten ergeben sich über das gesamte Laufzeitenspektrum bei deutschen Pfandbriefen keine Verluste, wenn der Renditeanstieg auf maximal zehn Basispunkte begrenzt bleibt. Bei einem Zinsanstieg um 20 Basispunkte zeigt die Simulation einer Anlage mit einer Laufzeit von fünf Jahren einen Verlust von 0,3 %. Im umgekehrten Fall ergibt sich ein Gewinn von etwa 1,6 %.
Im Negativszenario würden alle Laufzeiten einen Verlust aufweisen. Langlaufende Pfandbriefe hätten ein Minus von rund 3,5 % zu verzeichnen. Der maximale Ertrag im positiven Szenario bei einer Investition in langen Laufzeiten läge bei etwa 5 %.
Laufzeitenempfehlung
Der 10/2-Spread deutscher Staatsanleihen ist zwischenzeitlich auf 1,7 Prozentpunkte angestiegen und hat Werte erreicht wie zuletzt im Winter 2011/2012. Das Renditegefälle innerhalb der Zinsstruktur ist größer geworden, was die relative Attraktivtät von längeren Laufzeiten erhöht. Der Nachteil der größeren Volatilität kann dadurch teilweise kompensiert werden. Erste Wahl für Rentenportfolios bleiben aufgrund des besseren Chance-Risiko-Verhältnises jedoch mittlere Laufzeiten. Kurze Anleihen sind angesichts der mageren Verzinsung infolge der Dauerniedrigzinspolitik der EZB nicht attraktiv. Deutsche Pfandbriefe sind wegen der höheren Verzinsung Bundesanleihen vorzuziehen. Interessant sind insbesondere fünf- bis siebenjährige Laufzeiten.
Portfoliostruktur
Nach der jüngsten deutlichen Kurskorrektur erhöhen wir die Duration im Musterportfolio von 3,9 auf 4,6 (Benchmark: 5,2). Der Anteil kurzer Laufzeiten bis zu 11/2 Jahren wird von 5 % auf 0 % herabgesetzt. Das Gewicht zwei- und dreijähriger Anleihen wird von 35 % auf 25 % reduziert. Im Gegenzug wird der Anteil sechs- und siebenjähriger Rentenpapiere von 10 % auf 15 % und das Gewicht von acht- bis zehnjährigen Anleihen von 5 % auf 10 % angehoben. Das deutliche Übergewicht bei vier- und fünfjährigen Anleihen mit 45 % bleibt bestehen. Die zu erwartende Performance bei Eintritt des Basisszenarios auf Sicht von drei Monaten ist mit 1,0 % zu veranschlagen. Im "worst case"-Szenario ergäbe sich ein Verlust von 1,4 %, im "best case" ein Ertrag von 2,8 %.