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Die Lebenshilfe fordert einheitliche und verbesserte Rahmenbedingungen für die integrative Erziehung in Hessen

(lifePR) (Marburg, )
Die Lebenshilfe Hessen veranstaltete am 29.6.2007 in Gießen Klein-Linden eine Fachtagung mit dem Titel:

Auf dem Prüfstand: Unser Weg zur gemeinsamen Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung

Auf der mit 140 Teilnehmenden aus den Arbeitsbereichen der Kindertagesstätten, Frühförderung, Gesundheits-, Sozial- und Jugendämtern sehr gut besuchten Tagung betonte die stellvertretende Staatssekretärin des Hessischen Sozialministeriums Frau Cornelia Lange, als erste Referentin, die bisherigen Erfolge in der gemeinsamen Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung in den Hessischen Kindertageseinrichtungen. Aus ihrer Sicht sind die Ziele der „Rahmenvereinbarung Integrationsplatz“ aus dem Jahr 1999, eine wohnortnahe Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern mit Behinderung unter Einbezug ihres sozialen Umfeldes anzubieten, weitgehend erreicht worden.

Sie wies darauf hin, dass im Jahr 2006 für 4589 Kinder in Hessen eine so genannte Integrationsmaßnahme in über 1600 Kindertageseinrichtungen in Hessen durchgeführt wurde. Damit sei es gelungen, für alle Kinder mit Behinderung im Alter zwischen drei und sechs Jahren in Hessen eine wohnortnahe Betreuung in Kindertagesstätten zu ermöglichen.

Das Land Hessen hat diese Maßnahmen mit € 7 Millionen gefördert, um die Qualifizierung der Mitarbeiter/innen in den Einrichtungen sicherzustellen. In Bezug auf die Kritik einer mangelhaften Umsetzung der Rahmenvereinbarung durch die Kommunalen Institutionen bestätigte Frau Lange die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung der Rahmenvereinbarung Integrationsplatz. Sie betonte jedoch, dass hierfür die kommunalen Vertragspartner (Hessischer Landkreistag und Städtetag) und die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Hessen zuständig seien.

Professor Dr. Georg Feuser stellte in beeindruckender Weise die positiven Wirkungen einer „Allgemeinen Pädagogik“ für alle Kinder mit und ohne Behinderung in den Mittelpunkt.

Aus seiner Sicht bringen die traditionellen pädagogischen und schulischen Konzepte zur Bewältigung von Lern- und Verhaltensproblemen eine Vielzahl von Kindern hervor, die sich in den bestehenden Bildungseinrichtungen wie z.B. Kindertagesstätte und Schule nicht orientieren können und dann auf spezielle Sondereinrichtungen überwiesen werden.

Er betonte, dass eine Eingliederung von Kindern mit Behinderung nicht durch eine Ausgliederung in eine Sondereinrichtung erreicht werden kann.

Seiner Meinung nach verhindert die Zuordnung von Kindern zu bestimmten Sonderschultypen und die Zusammenfassung von „gleichartig Behinderten“ das Lernen am Modell des positiven Mitschülerverhaltens. Die Integrationspädagogik hingegen setzt an Stärken, Fähigkeiten und Interessen aller Kinder an.

Aus seiner Sicht findet Integration statt, wenn alle Kinder in Kooperation miteinander auf ihrem jeweiligen Entwicklungsniveau- entsprechend ihrer momentanen Kompetenzen - gemeinsam spielen und lernen können.

Gruppen von größtmöglicher Heterogenität bezüglich Alter, Entwicklungsstand, kulturellem Hintergrund etc. bieten mit der Durchführung von Projekten für die einzelnen Kinder ideale Lern- und Entwicklungschancen, sofern es den Pädagogen gelingt, eine individuelle Differenzierung der gemeinsamen Bildungsangebote herzustellen. Jedes Kind kann dann im gleichen Lernbereich in der Form und dem Umfang lernen, die ihm möglich ist.

Feuser wies darauf hin, dass sich Kinder im Kindergartenalter entwicklungs-psychologisch in einer sehr bedeutenden Phase ihrer Persönlichkeitsbildung befinden. Kinder mit Behinderung durchlaufen die gleichen Entwicklungsstufen wie die anderen Kinder auch, eventuell langsamer.

Aus diesem Grund fordert er, für die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen in der frühen Bildung unserer Kinder die besten Fachleute zu gewinnen und sie im Rahmen eines interdisziplinären Studiums zu qualifizieren.

Als wichtige Vorraussetzung einer gelingenden integrativen Erziehung sieht Feuser die personelle Besetzung eine Kindertagesstättengruppe mit zwei Fachkräften an. Für die Kinder mit Behinderung sind zusätzlich individuelle heilpädagogische/therapeutische Maßnahmen in den Gruppenalltag integriert zu erbringen.

Gegenüber den Trägern stellt er die Forderung auf, sich so zu organisieren, dass die Ziele einer qualitativen wohnortnahen Integration von Kindern mit Behinderung erreicht werden können. Dies bedeutet für die Träger in den Regionen eine umfassende Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen sicherzustellen; für die ehemaligen heilpädagogischen Einrichtungen sich ggf. zu Service-Zentren für die integrative Arbeit in den Regionen zu entwickeln. Auch sei die Bildung von regionalen Pools von Fachkräften der integrativen Arbeit ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Herrn Dr. Albert Haaser vom Hessischen Sozialministerium, Herrn Dieter Kirschhoch als Vertreter des Hessischen Landkreistages, Frau Cornelia Müller als Vertreterin des Fachausschusses Kindertageseinrichtungen der Lebenshilfe, Frau Martina Ertl, 1.Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Frühe Hilfen, Frau Martina Kratzheller, Bildungsreferentin, der Lebenshilfe Hessen und Herrn Professor Dr. Georg Feuser unter der Moderation von Herrn Edmund Zeidler, Supervisor, wurden die konkrete Umsetzung der hessischen „Rahmenvereinbahrung Integrationsplatz“kritisch überprüft.

Die Vertreterinnen der Einrichtungen wiesen an Hand von vielen Beispielen darauf hin, dass sich in Hessen eine sehr unterschiedliche Handhabung der Rahmenvereinbarung Integrationsplatz von Seiten der Kommunen entwickelt hat.
So bestehen im Bereich der Genehmigungspraxis der einzelnen Integrationsmaßnahmen in den Kommunen sehr unterschiedliche Verfahrensweisen und Kriterien zur Feststellung einer Entwicklungsverzögerung oder Behinderung bei den einzelnen Kindern. Dies kann dazu führen, dass ein Kind in einem Landkreis eine Integrationsmaßnahme genehmigt bekommt und bei Umzug der Eltern ein anderer Landkreis die Fortführung dieser Maßnahmen in der Einrichtung am neuen Wohnort ablehnt. Dieser Zustand ist nicht haltbar.

Die pauschale Förderung eines Kindes mit 15 Std. zusätzlicher Fachkraft ist aus Sicht der Praktikerinnen sehr unbefriedigend, da diese Pauschale häufig nicht dem Bedarf der Kinder entspricht. Einige Kommunen sind bereit zusätzliche Fachkraftstunden zu genehmigen, andere Kommunen kürzen entgegen den Regelungen der Vereinbarung sogar die pauschalen 15 Stunden.

Zusätzlich wiesen sie darauf hin, dass die Träger sehr unterschiedlich für die Weiterqualifizierung ihre Mitarbeiterinnen Sorge tragen. Es ist leider keine Ausnahme, dass Erzieherinnen auf eigene Kosten und im Urlaub an Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen. Diese Praxis ist unzumutbar.

Herr Dr. Haaser wies in der Diskussion darauf hin, dass sich die Kommunen untereinander im Wettbewerb befinden und dieser Wettbewerb langfristig den Kommunen mit familienfreundlicheren Angeboten einen Wettbewerbsvorteil in der demographischen Entwicklung bringen wird. Die Verantwortung für eine einheitliche Praxis in der Handhabung der Rahmenvereinbarung liegt bei den kommunalen Vertragspartnern.

Herrn Kirschhoch machte deutlich, dass sich die Rahmenvereinbarung Integrationsplatz in den letzten Jahren grundsätzlich bewährt habe, sie jedoch nach acht Jahren an einigen Stellen überarbeitet werden muss, die Verhandlungen werden vorbereitet. Gleichzeitig wies er auf die schwierige finanzielle Situation der Kommunen hin.

Zum Abschluss der Tagung fasste der Geschäftsführer des Landesverbandes der Lebenshilfe Hessen Werner Heimberg die auf der Tagung artikulierten Forderungen zusammen.
Er dankte den zahlreichen Teilnehmern/innen für ihr starkes Interesse an diesem wichtigen bildungspolitischen Thema.
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