Aus rechtstheoretischer Sicht ist die Glucosamin-Entscheidung des BGH durchaus ein Meilenstein, da sie den Schlussstrich unter eine lange und kontroverse Auseinandersetzung von Rechtsprechung und Literatur zur Frage zieht, ob die im deutschen Recht vollzogene Gleichstellung von nicht-technologischen Zusatzstoffen mit technologischen Zusatzstoffen rechtmäßig ist und wann überhaupt die Gleichstellungsfiktion des § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB greift. Bemerkenswert ist allerdings auch, dass sich der BGH mit diesem kontroversen Meinungsstand nicht näher auseinandersetzt, sondern sich zur vorläufigen Kaltstellung des Zulassungsvorbehalts für nicht technologische Zusatzstoffe mit einem knappen Hinweis auf die EuGH-Entscheidung zu Verarbeitungshilfsstoffen begnügt.
Für die Praxis ist allerdings zu bedenken, dass dieser vom BGH vorläufig gezogene Schlussstrich unmittelbar nur für wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen gilt. Ob sich dem auch die Verwaltungsgerichte im Falle behördlicher Beanstandungen anschließen, bleibt abzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte denn auch die Problematik bereits anderweitig entschärft - nämlich durch einen engen Zusatzstoffbegriff. Spätestens seit dieser Entscheidung des BVerwG und dem kontroversen Meinungsbild der Zivilgerichte waren zusatzstoffrechtliche Streitigkeiten in der Praxis auch selten geworden. Der BGH hat also lediglich etwas kalt gestellt, was ohnehin nur noch lau warm köchelte. Der für die Praxis größte Nutzen der Glucosamin-Entscheidung dürfte daher darin liegen, ein Wiederaufkochen der Zusatzstoffproblematik durch den viel diskutierten Entwurf der LFGB-Novelle erschwert zu haben. Der Gesetzgeber müsste nun schon ein transparentes Zulassungsverfahren für nicht-technologische Zusatzstoffe schaffen. Ob er dazu personell und finanziell willens und in der Lage ist, darf bezweifelt werden. Falls doch, so hätte sich die Bedeutung der Glucosamin-Entscheidung des BGH darauf beschränkt, aus einer rechtlichen Grauzone heraus den Weg zu einem neuen bürokratischen Monster aufzuzeigen.
Der raue Wind weht Herstellern und Vertreibern gesundheitsbezogener Lebensmittel ohnehin aus ganz anderen Richtungen ins Gesicht: Einer Rezepturfreiheit steht gerade bei innovativen Zutaten auch weiterhin die Novel Food-Verordnung im Wege; daran wird sich auch durch deren Novellierung nichts ändern. Und mit Rezepturfreiheit ist nur wenig gewonnen, wenn mit gesundheitlichen Wirkungen der verwendeten Stoffe entweder überhaupt nicht geworben werden darf oder aber nur so, wie die Konkurrenz dies auch tut. Genau hierauf wird jedoch die Health-Claims-Verordnung nach ihrer Scharfschaltung hinauslaufen. Ein Befreiungsschlag sieht anders aus.
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