Laut Andreas Gassen, Vorsitzender der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) könnten von den rund 16 Millionen stationären Operationen bis zu vier Millionen Eingriffe auch ambulant durchgeführt werden. Im benachbarten Ausland funktioniert das bereits sehr gut. Die neue Strategie kann nicht nur helfen Kosten zu sparen, auch für die Patienten hätte das deutliche Vorteile: „Zum einen könnte man die Zahl der Menschen, die sich mit gefährlichen Krankenhauskeimen infizieren deutlich reduzieren“, sagt Dr. Reinhard Schneiderhan vom gleichnamigen medizinischen Versorgungszentrum in München-Taufkirchen. „Zum anderen sind ambulante und minimal-invasive Eingriffe sehr viel schonender für die Patienten, das gilt insbesondere auch für Eingriffe am Rücken.“
Mittlerweile zeigen Studien, dass etliche stationäre Operationen unnötig sind und den Patienten mehr schaden als nutzen. Das zeigt auch der Blick ins Ausland: Deutsche Chirurgen greifen an der Wirbelsäule dreimal häufiger zum Skalpell als die Chirurgen im Nachbarland Frankreich. „Patienten in Deutschland sollten vor einer stationären OP an der Wirbelsäule möglichst immer eine Zweitmeinung einholen“, sagt Dr. Schneiderhan. „Denn es gibt für viele Indikationen eine schonende Alternative.“
Zu diesen Alternativen gehört beispielsweise eine Laserbehandlung beim Bandscheibenschmerz und bei Bandscheibenvorwölbungen. Der Eingriff kann in leichter Dämmerschlaf-Narkose durchgeführt werden. „Dabei überprüfen wir mit einer dünnen Nadel und unter Bildwandlerkontrolle sowie Injektion eines klaren Kontrastmittels zunächst, ob die Bandscheibe auch wirklich die Ursache für die Schmerzen ist. Wenn ja, führen wir dann eine haarfeine Laserphase durch die liegende Nadel in die Bandscheibe ein und leiten Laserimpulse in das Bandscheibeninnere.“ Das hat gleich mehrere Effekte: die Bandscheibenvorwölbung schrumpft, schmerzleitende Fasern werden durchtrennt, die Schmerzursache beseitigt und durch die Wärmewirkung kommt es zu einem "Verschweissen" von Bandscheibenrissen.
Auch bei degenerierten Wirbelgelenken ist eine große OP oft nicht nötig. „Statt eine Versteifung vorzunehmen, kann eine Hitzesondenbehandlung sanfter und deutlich schonender helfen“, sagt Dr. Schneiderhan. „Wir führen dabei eine Hightech-Sonde unter Bildkontrolle bis zum Wirbelgelenk und erhitzen dort einen kleinen Bereich für 60 Sekunden mit 80 Grad. Damit schalten wir die dort verlaufenden Schmerzfasern aus was zu Schmerzfreiheit führt. Schon am nächsten Tag können Patienten mit der Physiotherapie beginnen.“
Bei der sehr weit verbreiteten Spinalkanalstenose ist es heute ebenfalls möglich minimal-invasiv zu behandeln. „Helfen kann eine so genannte Wirbelsäulen-Kathetertherapie“, sagt Dr. Schneiderhan. „Nach zielgenauer Platzierung eines speziellen Wirbelsäulenkatheters an der Stelle, die zu einer Nervenkompression führt, injiziere ich einen Cocktail aus Enzymen und schmerzstillenden Medikamenten. Das lässt die störenden Strukturen schrumpfen und führt schnell zur Schmerzfreiheit.“
Die Forderung des Kassenärzte-Chefs macht also mehr als Sinn. Neben der Kostenersparnis profitieren Patientinnen und Patienten von schonenderen Verfahren und einer schnelleren Genesung bei gleichzeitig deutlich reduzierter Gefahr, sich mit einem gefährlichen Krankenhauskeim zu infizieren.