Zum Start der BAU im Januar 2011 dürfte Europas Bauwirtschaft die Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise weitgehend überwunden haben und sich wieder stabilisieren. Wachstumsraten, wie sie vor der Rezession erzielt wurden, sind jedoch nicht vor 2012 zu erwarten. Zu diesem Ergebnis kommen die in der Euroconstruct-Gruppe zusammengeschlossenen Forschungs- und Beratungsinstitute aus 15 west- und 4 mitteleuropäischen Ländern in ihrer jüngsten Prognose. [1]
Die globale Wirtschaftskrise schlug 2009 auch auf die Bauwirtschaft durch – nachdem bereits 2008, aufgrund eines heftigen Einbruchs im Wohnungsbau, die Bautätigkeit rückläufig war. Die Euroconstruct-Experten bezeichnen in Ihrer Bilanz 2009 als das „schlimmste Jahr seit mehr als zehn Jahren.“ Ein dramatischer Nachfrageeinbruch im Hochbau, insbesondere im Wohnungsbau, führte zu einer Schrumpfung des europäischen Bauvolumens[2] um 8,4% auf rund 1,4 Billionen Euro. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt aller Euroconstruct-Länder sank „nur“ um durchschnittlich 4%.
Der Rückgang war in den einzelnen Ländern zwar unterschiedlich stark, mit Ausnahme der Schweiz und Polens schrumpfte die Bautätigkeit jedoch in allen Ländern. Deutschland kam mit einem Minus von 1,2% noch vergleichsweise glimpflich davon. In Spanien (-21,5%) und Irland (-32,2%), wo in der zurückliegenden Boomphase weit über den Bedarf hinaus gebaut wurde, fiel der Einbruch im vergangenen Jahr dramatisch aus.
Starke Einbrüche im Wohnungsneubau
Verantwortlich für die starken Rückgänge sind in erster Linie die teilweise heftigen Einbrüche im Wohnungsneubau, unter denen der überwiegende Teil der europäischen Länder zu leiden hatte. 2009 brach der Wohnungsneubau in Europa um durchschnittlich 22,5% ein. In Spanien und Irland wird sich das Wohnungsbauvolumen allein in den vier Jahren bis 2012 etwa halbieren. Viele Haushalte haben sich dort, in der Hoffnung auf schnellen Wertzuwachs, mit dem Kauf von Immobilien übernommen. Scheinbar grenzenlose Gewinnaussichten riefen auch Spekulanten auf den Plan, welche die Baunachfrage zusätzlich anheizten – bis die Blase platzte und der Boom ein plötzliches Ende nahm – siehe Dubai. Während der Wohnungsneubau in den meisten europäischen Ländern noch bis mindestens 2012 auf dem Rückzug sein wird, gehört Deutschland zu den wenigen Ländern, die laut Euroconstruct in den kommenden Jahren mit einer „leichten Belebung“ (+4%) rechnen können.
Wachstum in 2009 nur im Tiefbau
Der Nichtwohn-Hochbau (gewerblicher und öffentlicher Hochbau) brach 2009 um 9,7% ein, während der Tiefbau im europäischen Durchschnitt ein moderates Wachstum in Höhe von 1,7% erreichte. Mit dem starken Rückgang im Wohnungsbau verschieben sich auch die Gewichte unter den drei Bausparten. Während der Anteil des Tiefbaus am gesamten Bauvolumen bis 2012 von 22% im Jahr 2008 auf 25% wachsen wird, werden der Wohnungsbau und der Nichtwohnhochbau an Boden verlieren.
Bestand bleibt Stütze des Wohnungsbaus
Die Bestandsmaßnahmen, die sich in der Vergangenheit als äußerst krisenresistent erwiesen und in vielen Ländern durch Gebäudesanierungsprogramme auch noch zusätzlich stimuliert wurden, konnten den Abwärtstrend beim Wohnungsbau nicht stoppen. Sie kippten 2009 um rund 3% ins Minus. Allerdings werden Bestandsmaßnahmen im Wohnungsbau auch in den kommenden Jahren die Bauaktivitäten ankurbeln. Aufgrund des bereits hohen Volumens liegen die Wachstumsraten allerdings lediglich bei 1 – 2% p.a.
Aufwärtstrend ab 2011
Die gute Nachricht: Das Schlimmste hat die europäische Bauwirtschaft überstanden, die Jahre 2008 und 2009 markierten bereits den Tiefpunkt. 2010 müssen die 19 Euroconstruct-Länder zwar noch mit einem leichten Rückgang der Bauaktivitäten rechnen (-2,2%); ab 2011 aber soll es auch am Bau wieder aufwärts gehen (+1,6%). Und die BAU 2011, für die Branche traditionell ein wichtiges Konjunkturbarometer, dürfte mit ihren ausgebuchten Hallen und mehr als 210.000 Besuchern aus aller Welt die Stimmung zusätzlich aufheitern. 2012 soll das europäische Bauvolumen – mit einem Plus von 2,5% – sogar wieder stärker wachsen als das Bruttoinlandsprodukt.
Der internationale Baumarkt
Trotz der Einbrüche infolge der Wirtschaftskrise stellten die 19 europäischen Euroconstruct-Staaten mit einem Volumen von rund 1,4 Billionen Euro noch immer den größten zusammenhängenden Baumarkt dar. Auf nationaler Ebene hinken jedoch die führenden europäischen Baunationen, die so genannten „Big-Five“ (Deutschland, Großbritannien, Spanien, Italien und Frankreich), den weltweit größten Baumärkten USA (950 Mrd. US$), Japan (725 Mrd. US$) und China (508 Mrd. US$)[3] deutlich hinterher. Ein seit über einem Jahrzehnt andauerndes, jährlich zweistelliges Wachstum hat China auf Platz drei der weltweit größten nationalen Baumärkte katapultiert.
Globalisierung der Bauwirtschaft schreitet fort
Die weiter fortschreitende Globalisierung der Bauwirtschaft wird u.a. deutlich am steigenden grenzüberschreitenden Umsatz im globalen Baumarkt. Nach einer Umfrage der amerikanischen Fachzeitschrift „Engineering News Record“ unter den führenden internationalen Bauunternehmen, sind die grenzüberschreitenden Bauaktivitäten im Jahr 2008 um 25% auf 390 Mrd. US$ angewachsen und haben sich damit innerhalb von vier Jahren verdoppelt. International tätige Bauunternehmen aus China und der Türkei machen dabei amerikanischen, japanischen und europäischen Anbietern zunehmend Konkurrenz. Die massive Präsenz chinesischer Bauunternehmen in Afrika ließ das internationale Bauvolumen in dieser Region auf über 50 Mrd. US$ steigen. Bauunternehmen aus der Türkei sind im europäischen Vergleich mittlerweile in Asien sowie im Nahen und Mittleren Osten Marktführer. Die europäische Rangliste der Bauunternehmen mit dem größten internationalen Umsatz – Stand 2008 – wird angeführt von französischen Unternehmen (28 Mrd. Euro), gefolgt von der deutschen Bauindustrie (25,5 Mrd. Euro). Die türkischen Bauunternehmen rangieren mit gut 12 Mrd. Euro bereits auf Platz fünf.
Auch die BAU selbst ist ein Indikator für die Internationalisierung des Baumarkts. Die stetig wachsende Zahl internationaler Besucher spricht hier eine deutliche Sprache. Im Jahr 2003 reisten rund 27.000 ausländische Besucher aus 100 Ländern zur BAU nach München, 2009 waren es bereits über 37.000 Besucher aus dem Ausland. Sie kamen aus 151 Ländern. Dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach auf der BAU 2011 vom 17. bis 22. Januar fortsetzen. Die BAU wird damit ihrem Anspruch als Weltleitmesse der internationalen Bauwirtschaft auch rein zahlenmäßig gerecht.
Zur BAU 2011
Die BAU 2011, Weltleitmesse für Architektur, Materialien, Systeme, findet vom 17. bis 22. Januar 2011 auf dem Gelände der Neuen Messe München statt. Erwartet werden mehr als 1.900 Aussteller aus über 40 Ländern sowie mehr als 210.000 Besucher aus rund 150 Ländern. Auf 180.000 m² Fläche präsentiert die BAU Architektur, Materialien und Systeme für den Wirtschafts-, Wohnungs- und Innenausbau im Neubau und im Bestand. Sie führt, weltweit einmalig, alle zwei Jahre die Marktführer der Branche zu einer Gewerke übergreifenden Leistungsschau zusammen. Mit über 38.000 Planern ist die BAU zugleich die weltgrößte Fachmesse für Architekten und Ingenieure. Das Angebot ist nach Baustoffen sowie nach Produkt- und Themenbereichen gegliedert. Zukunftsweisende Themen wie „Nachhaltiges Bauen“ spielen quer durch alle Ausstellungsbereiche eine wichtige Rolle. Die zahlreichen attraktiven Veranstaltungen des Rahmenprogramms, darunter hochkarätige Foren mit Experten aus aller Welt, runden das Messeangebot ab.
[1] In dem 1975 gegründeten europäischen Forschungs- und Beratungsnetzwerk „Euroconstruct“ arbeiten Institute mit spezifischem Know-how im Bau- und Immobiliensektor aus 15 westeuropäischen und 4 mittelosteuropäischen Ländern zusammen. Das Münchner ifo Institut für Wirtschaftsforschung ist Gründungsmitglied und deutsches Partnerinstitut dieses Netzwerkes. Die an wechselnden Orten in Europa veranstalteten Halbjahreskonferenzen bilden den Kern der Euroconstruct-Aktivitäten. Die letzte Konferenz, auf deren Ergebnissen diese Presseinformation zurückgreift, fand im November 2009 in Zürich statt.
[2] Nach dem Verständnis von Euroconstruct erfasst das Bauvolumen sämtliche Bauleistungen zur Errichtung neuer Bauwerke und zur Erhaltung und Erweiterung der vorhandenen Bauwerksbestände.
[3] Die Zahlen beruhen auf Berechnungen des amerikanischen Beratungsunternehmens „IHS Global Insight“