Auszüge aus dem Grußwort:
"Was geht uns etwas an, wenn nicht Gewalt, die Kindern angetan, die Ehefrauen zugefügt wird. ...Jeder muss es begreifen - prügelnde Väter oder Mütter, Eltern, die den sexuellen Missbrauch ihrer Kinder zulassen, Männer, die ihren Ehefrauen Gewalt antun - das sind Menschen, die natürlich bestraft werden müssen, aber diese „Monster“ brauchen auch Hilfe. Es ist zu kurz gedacht, wenn diese Menschen nur weggesperrt werden. Wir brauchen beides, sowohl die Sanktionen als auch die Hilfsangebote für Opfer und Täter ...
Wir leben in einer Gesellschaft, die sich mehr und mehr zu einer hedonistischen Spaßgesellschaft zu entwickeln scheint. Egozentrik ist schick, Geiz ist geil. Familienstrukturen brechen auseinander, Patchworkfamilien sind Normalität geworden... In den Betrieben braucht man Ellenbogen - der Überlebenskampf macht einsam. Um so wichtiger sind Menschen geworden, die sich ehrenamtlich engagieren. Die hinschauen, wo andere wegsehen. Die sich kümmern, wo der Staat es nicht oder nicht ausreichend tut. Die Damen und Herren vom „Weissen Ring“ sind solche engagierten „Kümmerer“. Sie sehen die Opfer. Sie sind für die Betroffenen da, übernehmen für eine gewisse Zeit das Ruder und helfen durch die Strudel der Ereignisse, in die ein Opfer gerissen wird. Sie unternehmen aber noch mehr. Nicht nur das Helfen in Notsituationen, sondern vor allem auch das Darauf-aufmerksam-machen ist wichtig ...
Eine Ausstellung wie diese, die aufrüttelt, die die Wahrnehmung schärft, ist mindestens genauso bedeutsam, wie die direkte Opferhilfe. Jede Tat, die dadurch eher ans Licht gebracht wird, beendet das Martyrium des Opfers genau dann, wenn eingegriffen wird. Also: Wir müssen alle genauer hinsehen. Wahrnehmen. Fragen stellen. ... Lieber einmal öfter fragen, als einmal zu oft weggesehen!
Unterbinden Sie sexuellen Missbrauch - wenn Sie als Lehrer oder Arzt, als Nachbarin oder Kollegin einen Verdacht haben, dann verdrängen Sie diesen Verdacht nicht. Suchen Sie Hilfe bei den Profis - wenden Sie sich z.B. an die Ehrenamtlichen vom „Weissen Ring“ ...
Ich wünsche dieser Ausstellung viele Besucherinnen und Besucher. Ich wünsche mir, dass die Bilder nicht nur schockieren oder Mitleid erregen, sondern auch die Notwendigkeit des eigenen Hinschauens begreiflich machen. Ich bedanke mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des „Weissen Rings“, die diese Ausstellung ermöglicht haben. In diesem Zusammenhang sei es mir gestattet, auch die Arbeit dieser Hilfsorganisation zu würdigen. Nicht nur, dass die Helferinnen und Helfer ehrenamtlich arbeiten, sie leisten vor allem auch eine unglaublich schwierige Arbeit, die besonders seelisch sehr belastend ist. Die oftmals wütend und traurig macht. Die aber auch von den Opfern als wirklich wohltuend und hilfreich empfunden wird. Dafür an dieser Stelle mein aufrichtiger Dank!
Die Studentinnen und Studenten der Bauhaus-Universität Weimar muten uns ihre Bilder zu - weil sie wollen, dass aus der Zumutung Mut wird. Mut zum Hinsehen, Mut zum Einschreiten, Mut zum Helfen. Und diesen Mut wünsche ich uns allen."