Die Landesbehindertenbeauftragte Angelika Gemkow veröffentlichte heute (15. Juni 2007) den 1. Bericht über die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen. Das 200-seitige Dokument ist die erste derartige Bestandsaufnahme für das Land NRW. „Die Themen reichen von Arbeit und Bildung bis zu Wohnen und Sport. Sie sind genauso vielfältig wie das Leben der Menschen – mit und ohne Behinderung“, sagte Angelika Gemkow.
Der Bericht enthält unter anderem umfassende Zahlen und Fakten zur Lebenssituation der Menschen mit Behinderung, beschreibt die Leistungen der Menschen und Aktivitäten von Institutionen und Organisationen. Er zeigt auf, wo Handlungsbedarf besteht. „Besonders wichtig war mir, dass in dem Bericht behinderte Menschen selbst zu Wort kommen. Sie erzählen von ihrer Arbeit, ihrer Arbeitssuche, ihrer Familie, ihrer Freizeit und von den Schwierigkeiten, mit denen sie im Alltag konfrontiert sind“, hob die Landesbehindertenbeauftragte hervor.
Gemkow forderte erneut mehr gesellschaftliche Anerkennung für diejenigen, die Menschen mit Behinderung unterstützen. „Was einzelne Menschen in Familien, Selbsthilfeorganisationen, Vereinen und Verbänden in NRW leisten, ist beachtlich. Gerade die Familien sind für mich die Leistungsträger der Nation. Kinder, Eltern oder Ehepartner unterstützen oder pflegen manchmal jahrzehntelang, 40 bis 60 Stunden in der Woche. Wir müssen ihre großartigen Leistungen stärker würdigen und ihnen die notwendige Unterstützung und Entlastung geben.“ Deshalb forderte die Landesbehindertenbeauftragte die Einführung einer Pflegezeit. Dann könnten Berufstätige eine Auszeit nehmen, ohne um ihren Arbeitsplatz fürchten zu müssen. „Wenn wir es schaffen, die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu verbessern, haben wir eine Barriere beseitigt, die es heute vielen Angehörigen zusätzlich erschwert, die Pflege zu Hause zu übernehmen“, betonte Gemkow.
Das Stichwort „Barriere“ zieht sich durch den gesamten Bericht. „NRW ohne Barrieren, das ist der Titel des Berichts und meine Vision“, so Angelika Gemkow weiter. „Der Bericht soll ein Beitrag dazu sein, dass gemeinsames Leben, Lernen und Arbeiten von Menschen mit und ohne Behinderung ganz normal wird.“ Angelika Gemkow forderte deshalb den Abbau von Barrieren. Zum Beispiel erschweren Treppenstufen mobilitätsbehinderten Menschen den Zugang zu Arztpraxen und anderen Einrichtungen wie Bahnhöfe. Erforderlich sei es auch, die Barrieren in den Köpfen zu beseitigen. “Die Missachtung berechtigter Anliegen, Vorurteile oder dumme Redensarten über behinderte Menschen verletzen viele von ihnen zutiefst. Sie sind eine Verletzung der Menschenwürde“, so Gemkow, „wie ein Stich ins Herz, der oft ganz tief sitzt und nur schwer verheilt. Auch gönnerhaftes Verhalten bei Institutionen und Behörden kann so wirken. Die Menschen fühlen sich dann oft als Bittsteller, nicht als Bürger mit berechtigten Anliegen.“
Die Landesbehindertenbeauftragte zeigte sich erfreut darüber, dass in NRW ein gutes Netz von engagierten Menschen, sozialen Hilfen und Wohn- und Betreuungsangebo-ten insbesondere für Menschen mit sehr schweren Behinderungen vorhanden sei. Diese Netz müsse auch morgen sichergestellt werden, damit die Menschen auf eine menschliche Gesellschaft vertrauen können. Angelika Gemkow bezeichnete dies als eine Herausforderung an uns alle.
In NRW leben 1,7 Millionen Menschen mit Behinderung, rund 400.000 sind zu 100 Prozent behindert. Etwa 25 Prozent der Behinderten haben Hilfe-, Unterstützungs- oder Pflegebedarf. Im Mai 2007 waren in NRW 36.892 Menschen mit Behinderung arbeitslos, darunter viele junge Menschen.
Der Bericht ist auf den Internetseiten der Landesbehindertenbeauftragten unter www.lbb.nrw.de veröffentlicht.