1. Der Vorsitzende des DGB Nord und der Minister für Justiz, Arbeit und Europa halten eine Debatte darüber, wie Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt mit größtmöglicher sozialer Sicherheit verbunden werden kann, für notwendig, denn die arbeits- und sozialrechtliche Absicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch europäische Mindeststandards und nationale Regelungen ist ein zentrales Kennzeichen des europäischen Sozialmodells.
2. Wir lehnen es deshalb ab, die Flexicurity-Debatte in Deutschland als Hebel für den weiteren einseitigen Abbau von Arbeitnehmerrechten, insbesondere für eine Lockerung des Kündigungsschutzes, zu missbrauchen und zu unterstellen, in Deutschland gäbe es ein Flexibilitätsdefizit. Wir verweisen in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf die in den letzten Jahren stetig erfolgte Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.
3. Flexicurity ist aus unserer Sicht eine integrierte Strategie, die einerseits die Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen stärken und dies andererseits mit einem hohen Maß an arbeitsrechtlichem Schutz und sozialer Sicherheit verbindet. Dabei muss neben dem Arbeitsrecht insbesondere auch das Sozialrecht berücksichtigt werden. Flexibilität ohne Sicherheit lehnen wir ab.
4. Vor dem Hintergrund der auf europäischer Ebene geführten aktuellen Debatte sind wir der Auffassung, dass ein so verstandenes Flexicurity-Konzept die jeweiligen nationalen Rahmenbedingungen berücksichtigen muss. Eine 1:1- Übernahme bestehender Arbeitsmarktmodelle aus anderen Ländern halten wir nicht für zielführend und praktikabel. Dies schließt allerdings nicht aus, von guten Beispielen – beispielsweise in Skandinavien - zu lernen.
5. Bildung, Ausbildung und Weiterbildung sind Schlüsselelemente des Flexicurity-Ansatzes. Die Unternehmen sind in der Pflicht, nach den erheblichen Vorleistungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren nun ihrerseits einen Beitrag zur Beschäftigungssicherung zu leisten, indem sie wesentlich stärker als in der Vergangenheit in die notwendige betriebliche Weiterbildung ihrer Belegschaften investieren. Eine konsequente betriebliche Weiterbildung ist aus unserer Sicht ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts von „guter Arbeit“.
6. Wir betonen ausdrücklich die hohe gesellschaftliche Bedeutung von unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen sowie die Notwendigkeit einer Existenz sichernden Entlohnung.
7. Die Zahl der prekären Arbeitsverhältnisse hat auch in Schleswig-Holstein erheblich zugenommen und gefährdet das nach wie vor dominierende Modell des unbefristeten Normalarbeitsverhältnisses. Das unbefristete Normalarbeitsverhältnis muss der Regelfall bleiben.
8. Wir halten einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn für dringend erforderlich und erwarten von der Bundesregierung, dass sie unverzüglich die dazu notwendigen Schritte einleitet. Wir setzen dabei auf branchenspezifische tarifliche Mindestlöhne, eine Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes sowie eine gesetzlich festgelegte Lohnuntergrenze.
9. Nach dem Vorbild von Großbritannien schlagen wir die Einrichtung einer Mindestlohnkommission auf Bundesebene vor, der jeweils drei Vertreter von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Wissenschaft angehören sollen.