Viele von uns kennen diese Luftspiegelungen, landläufig bekannt auch als Fata Morgana, nur als trügerische Visionen halbverdursteter Wüstenentdecker. Vergeblich schleppen sie sich zur rettenden Oase, die sich aber leider im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder in Luft auflöst. Aber wie funktioniert dieses Naturphänomen, das Containerriesen übers Watt schweben und Kirchen, Häuser und sogar ganze Dörfer plötzlich mitten im Watt auftauchen lässt?
Die einfachste Variante kennen die meisten von uns von Autofahrten bei großer Hitze. In der Ferne scheint die Straße nass. Autos, Häuser oder sogar Fußgänger spiegeln sich darin. Fährt man weiter, rückt auch die Erscheinung nach hinten, bis sie irgendwann ganz verschwindet. Luftspiegelungen beobachtet man immer dann, wenn Temperaturschichtungen auftreten, so dass Lichtstrahlen auf ihrem Weg vom Gegenstand zum Auge des Betrachters geknickt oder gekrümmt werden. Meistens entstehen solch irritierenden Luftspiegelungen über flachen Landschaften und wenn es heiß und windstill ist. Landschaftliche und klimatische Bedingungen also, wie es sie nicht nur in den Wüsten der Erde gibt, sondern wie sie auch das Weltnaturerbe Wattenmeer auf seinen riesigen Wattflächen im Sommer zu bieten hat.
Werden die unteren Luftschichten von der Sonne und vom heißen Sand oder dunklen Watt aufgeheizt, dehnen sie sich aus; die Luft wird "dünner". Die Luftschichten darüber sind kühler und deshalb dichter. Bei warmer Luft ist aber nicht nur die mechanische Dichte geringer als bei kalter Luft, sondern auch die optische Dichte. Stößt ein Lichtstrahl auf diese Grenzschicht zwischen heißer und kalter Luft, wird er gebrochen und reflektiert. D.h., die Grenzschicht zwischen warmen und kalten Luftschichten wirkt wie ein Spiegel. Die gespiegelten Objekte befinden sich in der gleichen Entfernung zur spiegelnden Luftschicht wie wir selbst. Durch stark aufgeheizte Unterschichten der Luft - wie in der Wüste und eben überm Watt - können das weit entfernte Objekte sein, sogar hinter dem Horizont.
Scheint an besonders heißen Tagen noch Wasser auf dem Watt zu stehen, dann sehen wir eigentlich nur die Reflexion des Lichtes des hellen Himmels darüber. Diese sogenannte 'untere Fata Morgana' erklärt auch die Spiegelungen auf der heißen Asphaltstraße. Befindet sich dagegen unten eine kalte Luftschicht und weiter oben eine heiße, ist der Effekt genau umgekehrt, die 'obere Fata Morgana'. Sie entsteht häufig über dem Meer, da die untere Luft vom Wasser gekühlt und die obere von der Sonne aufgeheizt wird. Hier nimmt man ein Objekt häufig über dem Horizont, also praktisch am Himmel, wahr. Das Licht steigt nach oben in die wärmere Schicht, macht einen Bogen - und erscheint dem Betrachter. In der Luft schwebende Ozeanriesen, die man bei einer Wattwanderung am Horizont vorbeiziehen sieht, sind ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Häufig kommt es sogar zu Mehrfachreflexionen, bei dem der Beobachter auch noch ein auf dem Kopf stehendes Spiegelbild eines schwebenden Schiffes sieht.
Eine Luftspiegelung hat also nichts mit Einbildung zu tun. Das was gespiegelt wird, gibt es wirklich. Das kann aber durchaus auch mal weiter entfernt sein und bei komplizierten Mehrfachspiegelungen bizarre, unwirkliche Formen annehmen wie bei einer 'klassischen' Fata Morgana. Kein Wunder, dass viele Sagen von Geisterschiffen und Seeungeheuern ihren Ursprung in solchen Erscheinungen haben. Der geheimnisvolle Name 'Fata Morgana' ist übrigens kein Zauberspruch aus 'Tausend und einer Nacht', sondern geht wohl auf die keltische Göttin Morgain zurück. Sie führt in der Artus-Sage als Fee Morgane König Artus in ihr Reich, die "Anderswelt". Das Wort Fata ist das italienische Wort für Fee und die "Fee Morgana" war nach einem italienischen Volksglauben die Urheberin der in der Meerenge von Messina besonders häufigen Luftspiegelungen.