Viele der Lebewesen des Wattenmeeres sind im wahrsten Sinne des Wortes bodenständige Typen. Arten wie Seeanemone, Bäumchenröhrenwurm oder Auster sind "fest mit der Heimat verwachsen" und werden nur durch Gewalt in Form einer Sturmflut auf die Reise geschickt. Leider bestätigt sich dabei für viele in trauriger Weise ihre Ansicht, dass es zu Hause doch am schönsten ist, denn häufig überleben sie den Ortswechsel nicht.
Andere Arten wie unsere Strandkrabbe, die Garnele oder auch verschiedene Fische sind typische Winterflüchter. Sie zieht es aber nicht an die Hotelstrände Mallorcas, sondern einfach nur ins tiefere, frostfreie Wasser.
Nun aber zur Gruppe mit mehr oder weniger freiwilligem Fernweh. Denn ihr Reiseverhalten unterscheidet sich in Art und Weise doch wesentlich vom durchschnittlichen Nordseeurlauber.
Während die meisten menschlichen Urlauber ihr Reiseziel ganz genau kennen, herrscht bei den Tieren und Pflanzen des Wattenmeeres überwiegend die "Interrail Mentalität" vor, "mal schauen, wo die Reise hingeht". Denn durch die hohe Dynamik, die unser Wattenmeer auszeichnet, werden Wattbewohner immer wieder von Sturmflut oder Strömung mitgerissen und irgendwo an anderer Stelle wieder angespült. Vielleicht nicht das, was sich viele von uns unter Urlaubsreisen vorstellen, aber man sieht was von der Welt.
Rühmliche Ausnahme sind natürlich die Vögel. Sie sind die Dauercamper unter den Reisenden. Selbst nach Tausenden von Flugkilometern finden sie ihren Brutplatz des Vorjahres z.T. bis auf den Zentimeter genau wieder. Aber darüber war in anderen Entdeckerartikeln schon zu lesen. Heute soll es um die Tramps des Wattenmeeres gehen. Weit verbreitet ist das Reisen per Anhalter: Schönes Beispiel ist die Seepocke, die sich, festgewachsen an anderen Tieren oder Schiffsrümpfen kostenfrei durch das Wattenmeer, die Nordsee und ganz Verwegene auch durch die sieben Weltmeere schaukeln lässt.
Tiere wie die Quallen sind die Müßiggänger unter den Reisetypen. Sei wollen sich einfach nur in Ruhe treiben lassen. Was natürlich wie im richtigen Leben auch ein böses Ende nehmen kann, denn einmal gestrandet, gibt es für sie kein Zurück mehr.
Ähnlich wie bei uns Menschen, ist es auch bei den Tieren und Pflanzen des Wattenmeeres besonders beliebt, seine Nachkommen auf die Reise zu schicken und auch hier mit unbekanntem Ziel. Muscheln, Schnecken, Krebse, Fische aber auch viele Pflanzen der Salzwiese geben ihre Eier, Larven oder Samen ins Wasser ab und lassen sie auf zu neuen Ufern treiben. Bei der Portulak Keilmelde geht die Fürsorge immerhin so weit, dass sie ihre Samen mit kleinen luftgefüllten Schwimmwestchen ausstattet, damit sie sicher ankommen.
Zum Schluss das Beispiel einer Tierart, die extravagantes Reisen, sportliche Aktivität und Nahrungserwerb auf geniale Weise verknüpft hat und der man so etwas vor allem überhaupt nicht zugetraut hätte: die Wattschnecke. Wird ihr die Enge ihres heimatlichen Ballungsraumes im Watt zu groß, macht sie sich auf die Reise. Aus dem Schleim den sie absondert, bastelt sie sich ein Floß, mit dem sie sich bei Flut mit ihrem Fuß an die Wasseroberfläche heftet und sich von den Wellen surfenderweise davon tragen lässt. Hat die Reise lang genug gedauert hat, frisst sie ihr Schleimfloß, in dem sich zwischenzeitlich zahlreiche Kleinstorganismen verfangen haben, auf und lässt sich nieder.
Egal wie sie Ihre Urlaubsreise antreten, kommen Sie gut an oder bleiben Sie einfach zu Hause. Im Nationalpark und Weltnaturerbe vor unserer Haustür gibt es soviel zu entdecken. Nutzen Sie die vielen Möglichkeiten des Natur Erlebens der Nationalparkhäuser, mit den zertifizierten Watt- und Gästeführern und den Erlebnisfahrten oder einfach von den vielen Wegen und Routen aus.