Deutscher Wohnimmobilienmarkt in Schockstarre wird nicht zum Dauerzustand
Der Effekt der gestiegenen Zinsen und der hohen Inflation auf den Immobilienmarkt war Anfang des Jahres noch nicht sichtbar, da dieser erst zeitversetzt eintritt. Inzwischen lässt sich dennoch eine leichte Abkühlung erkennen. Laut dem Onlineportal ImmoScout24 sanken die Immobilienpreise in Deutschland im 3. Quartal gegenüber dem 2. Quartal dieses Jahres um 0,4 Prozent. Auf eine ähnliche Entwicklung deuten Daten das Statistischen Bundesamtes (Destatis) hin, die aber auch ein differenzierteres Bild zeichnen. So stagnierten zwar im ersten Quartal dieses Jahres die Wohnungspreise in städtischen Kreisen und ländlichen Kreisen mit Verdichtungsansätzen, jedoch nicht Preise in den Top 7 Metropolen und kreisfreien Großstädten (Vgl. Abbildung 1). Hier stiegen die Wohnungspreise weiter. Die Nachfrage nach Wohnungen in städtischen Gebieten scheint damit wesentlich robuster zu sein und weniger anfällig für negative Veränderungen.
Trotzdem werden die veränderten Bedingungen auch ihre Spuren auf den bislang nicht betroffenen Immobilienmärkten hinterlassen, da ein Großteil des Zinsanstieges erst im 2. Quartal geschehen ist (Vgl. Abbildung 2). Im März lag der durchschnittliche effektive Jahreszins noch bei 1,69 Prozent. Im Juli waren es schon 2,85 Prozent, was einem Anstieg von mehr als 100 Basispunkten entspricht. Der Zinsanstieg bewirkt deutliche Mehrkosten, die für einen Haushalt schnell mehrere hundert Euro im Monat betragen. Darüber hinaus belastet die hohe Inflation zusätzlich das freie Einkommen, das sonst für den Kauf und die Finanzierung von Immobilien auch mit erhöhten Zinssätzen verwendet werden konnte. Insbesondere die noch nicht abschätzbaren Mehrkosten für Energie versetzen potenzielle Immobilienkäufer aktuell in eine Warteposition. So ist es nicht verwunderlich, dass das Kreditvolumen seit Anfang des Jahres signifikant eingebrochen ist und sich inzwischen wieder auf dem Niveau von 2019 befindet (Vgl. Abbildung 2).
Die gesunkene Nachfrage nach Wohnimmobilien sorgt jedoch auch dafür, dass statt gekauft, gemietet wird und damit die Mietpreise weiter steigen. Darauf deuten zumindest jüngste Daten von Destatis hin. Schon jetzt sind fast 11 Prozent der Haushalte in Bezug auf die Ausgaben für Wohnen überlastet. Als überlastet gelten all jene Haushalte, die mehr als 40 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen ausgeben. Hier sind die gestiegenen Nebenkosten, insbesondere für Energie noch nicht berücksichtigt, sodass diese Quote in naher Zukunft noch deutlich steigen wird und für viele Haushalte das Grundbedürfnis Wohnen nicht mehr leistbar wird. Das von der Bundesregierung geplante Entlastungspaket soll hier Abhilfe leisten.
Trotz der aktuellen Entwicklungen wird sich der deutsche Immobilienmarkt sehr wahrscheinlich früher oder später aus seiner Schockstarre befreien. Die derzeitigen Marktbedingungen sind temporär, wohingegen die Wachstumstreiber von langfristiger Natur sind. Zum einen übersteigt die Wohnungsnachfrage weiterhin das Wohnungsangebot. Die gestiegenen Baukosten und restriktivere Finanzierungsbedingungen für Bauträger und Projektentwickler verstärken diesen Engpass zusätzlich. Darüber hinaus hat Deutschland im Zuge der des Ukrainekrieges fast 1 Million Flüchtlinge aufgenommen. Bis mindestens 2024 wird die Bevölkerung in Deutschland zu nehmen und erst spätestens ab 2040 zurückgehen. Bis dahin sollten hoffentlich die Energiekrise und die Folgen des Ukrainekriegs überwunden worden sein.
Die kurzfristigen Einflüsse auf den Immobilienmarkt können Marktteilnehmer dazu bewegen Preisabschläge vorzunehmen, die wiederum eine Preisdelle auf dem Immobilienmarkt bewirken können. Die langfristigen Aussichten auf den Wohnimmobilienmarkt sind hingegen positiv, weshalb nicht von einem nachhaltigen Preisrückgang ausgegangenen werden kann und sich der deutsche Wohnimmobilienmarkt weiter robust zeigen wird.
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