16 Millionen Mal wurde im vergangenen Jahr in Deutschlands Krankenhäusern operiert. Die Zahl der Wirbelsäulen-OPs hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Bei Hüftprothesenoperationen liegt die Bundesrepublik in Europa im Spitzenfeld. Daran gemessen ist die Zahl der Behandlungsfehler gering: Im vergangenen Jahr registrierte der Medizinische Dienst der Krankenkassen gerade 3800 Fälle von erwiesenen ärztlichen Kunstfehlern. Trotzdem wollen Süddeutschlands Orthopäden und Unfallchirurgen jetzt in einer gemeinsamen Initiative dafür sorgen, dass Operieren noch sicherer und damit die Patientensicherheit weiter optimiert wird. Die Orthopädische Universitätsklinik Bad Abbach bei Regensburg ist einer der Motoren dieser Qualitätsoffensive.
„Selbstverständlich ist die Null-Fehler-Behandlung Ziel jedes Arztes. Aber jede Operation ist ein komplizierter Prozess mit vielen Beteiligten, die nahtlos zusammenarbeiten müssen“, sagt Prof. Dr. Grifka, Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik des Bad Abbacher Klinikums. Vor allem diese Schnittstellen in der Organisation bei der Vorbereitung und der Operation selbst seien ein kritischer Bereich. In Bad Abbach wurden und werden mittlerweile eine Vielzahl von Maßnahmen umgesetzt, um zwischen den Prozessschritten im Behandlungsablauf Fehler auszuschließen.
In Bad Abbach sorgt beispielsweise intensive Abstimmung im Team dafür, dass Schlagzeilen wie „Falsches Knie operiert“ sicher ausgeschlossen werden können. Der Einsatzbereich des Chirurgen wird entsprechend der Krankenakte bereits im Vorfeld direkt auf der Haut des Patienten mit einem speziellen Stift markiert. Notwendige Operationsschritte werden neben der geplanten Schnittstelle auf der Haut notiert, erzählt Prof. Grifka.
„Risikofaktor“ Patient
Risikofaktor ist nach Erfahrung der Ärzte aber vor allem auch der Patient selbst: So tun die Medizinerteams in Bad Abbach alles, um vorhandene und verborgene bakterielle Infektionen im Körper sicher auszuschließen. Sie sind das größte Problem, etwa beim Einsatz von Gelenkprothesen. Warnzeichen dafür ist v.a. ein zu hoher CRP-Wert im Blut. Das ist ein bestimmter Eiweiß-Wert, der auf Entzündungen im Körper schließen lässt. „In einem solchen Fall werden keine Implantate eingebracht“, sagt Prof. Grifka. Besondere Aufmerksamkeit wird Patienten geschenkt, die kurz nach einem Auslandsurlaub in die Klinik kommen und auch älteren Patienten, die in Betreuungs- und Altenheimen leben, was ebenfalls ein höheres Infektionsrisiko bedeuten kann. Weiteres Kriterium: „Zwischen letzten Engriffen (Spritzen) an den Gelenken und einem neuen Gelenk müssen mindestens drei Monate liegen, weil jede Punktion der Haut, auch wenn sie Wochen zurückliegt, zusätzliche Komplikationen bringen kann“, sagt Professor Grifka. Hinzu kommt eine Vielzahl von scheinbar einfachen, aber wirkungsvollen Sicherheitsvorkehrungen im Operationssaal.
Kein unfreundlicher Akt, sondern Vorsicht: Kein Händeschütteln!
Patientensicherheit beginnt bei scheinbaren Kleinigkeiten: Dazu gehört im Klinikum Bad Abbach zwischen Ärzten, Personal und Patienten auf das Händeschütteln zu verzichten. Die entsprechende Plakette auf dem Arztkittel von Professor Dr. Grifka ist unübersehbar. „Das ist nicht unhöflich, sondern umsichtig. Etwa ein Drittel der infektiösen Ansteckungen wird durch Händeschütteln übertragen. Ein weiteres Drittel durch Schmierinfektion zum Beispiel über Türkliniken oder kontaminierte Tischflächen. Das restliche Drittel der Neuinfektionen erfolgt über Tröpfcheninfektion, also zum Beispiel, durch Sprechen, Niesen oder Husten.
Patienten wollen oft mehr als sinnvoll ist
Die Vereinigung Süddeutscher Orthopäden und Unfallchirurgen (VSOU) will ihre Mitglieder allerdings auch sensibilisieren, Patientenwünschen nach kontraproduktiven Über- und Maximalbehandlungen zu widersprechen. „Zunächst müssen alle sinnvollen konservativen Behandlungsmaßnahmen ausgeschöpft werden.“, sagt Prof. Grifka. Auch leichte Schmerzen in der Hüfte seien noch kein Grund für den Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks. „Manche Patienten verlangen Maximalbehandlung, vergessen aber dabei, dass Kliniken kein Reparaturbetrieb mit Gelenkaustausch auf Bestellung sein können und sein wollen“, sagt Prof. Grifka. „Oft kann der Patient selbst wesentlich zur Besserung beitragen“.
Wegweisend: VSOU-Fachkongress in Baden-Baden
Die Verbesserung der Patientensicherheit wird auch Thema der Jahrestagung des VSOU in Baden-Baden im Frühjahr 2016. Diese jährliche Frühjahrestagung der süddeutschen Orthopäden und Unfallchirurgen mit ca. 3.000 Fachbesuchern ist der inzwischen zweitgrößte orthopädisch-unfallchirurgische Kongress im deutschsprachigen Raum.
Hauptziel ist neben der ärztlichen Fortbildung der Orthopäden und Unfallchirurgen dabei auch die intensive Nachwuchsförderung. Prof. Dr. Joachim Grifka und Prof. Dr. Ulrich Stöckle werden diesen dreitägigen Kongress gemeinsam organisieren.