Rund 70 Prozent aller Menschen, die in Deutschland leben, leiden mindestens einmal im Jahr unter Gelenk- und/oder Rückenschmerzen. Sieben bis acht Millionen Bundesbürger quälen sich sogar dauerhaft mit diesen Beschwerden. Neben einem Infekt sind Rückenschmerzen mittlerweile der zweithäufigste Grund, seinen Arzt aufzusuchen. Zwar verschwinden erste Beschwerden häufig nach wenigen Tagen von selbst, aber bei zahlreichen Patienten treten sie wiederholt auf und werden im schlimmsten Fall sogar chronisch. Die Ursachen für Gelenk- oder Rückenschmerzen sind sehr unterschiedlich, es werden sowohl organische als auch psychische Probleme dafür verantwortlich gemacht. Oft beeinflussen sich diese Komponenten auch gegenseitig.
Verschiedene Therapieansätze
Die Behandlung von Schmerzen und Entzündungen ist recht vielfältig. Zum Einsatz kommen unter anderem Massagen, Akupunktur, eine Behandlung mit Kälte (Kryotherapie) oder Wärme (Fango, Infrarotlicht und heiße Bäder). Bewährt hat sich auch die Anwendung mit elektrischem Strom, die in der Medizin eine lange Geschichte hat. Bereits 1850 wurde in den Vereinigten Staaten der erste Patient mit elektrischem Strom behandelt. Die heute bekannteste Form der "Stromtherapie" ist die so genannte transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), bei der geringe Stromstärken zur Schmerzlinderung eingesetzt werden.
SCENAR – eine russische Entwicklung erobert den Westen
Doch seit einiger Zeit gibt es eine besondere Form der Impulstherapie. SCENAR nennt sich das nicht-invasive Mess- und Therapiegerät, das über Hautkontakt die Schmerzen an den betroffenen Stellen lindern und Blockaden lösen kann. Hauptindikationen sind alle Formen von Schmerzzuständen des Muskel- und Skelettsystems, einschließlich der Gelenke. SCENAR bedeutet Self Controlled Energo Neuro Adaptive Regulation (frei übersetzt: selbst kontrollierende, anpassende Regulationstherapie des körpereigenen Energie- und Nervensystem). SCENAR ist eine Technologie, die einen direkten Einfluss auf den Körper nimmt, mit individuell dosierten, modulierten Impulsen.
Die Therapie mit SCENAR macht sich die naturheilkundlichen Lehren der Akupunktur und der Neuraltherapie zu Nutze. Ziel der Therapie ist die Behandlung von Schmerzzuständen, energetischer Ausgleich, Anregung des Immunsystems und die Beschleunigung von Heilprozessen. Dies geschieht durch einen "Dialog des Gerätes mit dem Körper auf Basis von Mikroströmen – das heißt, das Gerät reagiert auf den Körper und der Körper auf das Gerät. SCENAR erzeugt ein Impuls, den körpereigenen Nervenimpulsen ähnlich ist. Dabei kommt es zu vermehrter Ausschüttung von Neuropeptiden, den Botenstoffen des Nervensystems. Die dynamischen bipolaren Impulse, die durch die Behandlung mit SCENAR angeregt werden, ähneln den körpereigenen Nervenimpulsen. "Unter dieser Behandlung werden über 2000 Peptide vom Gehirn ausgeschüttet", betont der Rheumatologe und Internist Dr. Jürgen Möbis-Wolf, Leitender Arzt an der Rehabilationsklinik Höhenblick in Baden-Baden. "Das Gerät läuft auch über die Akupunkturpunkte, aber vor allem über das Nervensystem." Es ist in der medizinischen Wissenschaft unumstritten, dass die Haut mit ihren unzähligen Nervenrezeptoren in enger Verbindung zu den Organen und dem Organsystem steht.
Die handlichen SCENAR-Geräte sind ausgerüstet mit Batterien und zwei Elektroden. Über einen Display können bestimmte Einstellungen und Messwerte abgelesen werden, die der Therapeut beziehungsweise der Patient selbst einstellen kann. Das Besondere: SCENAR gibt es als Therapeuten- und Patientengerät. SCENAR expert nennt sich das Gerät, das in der Arztpraxis zum Einsatz kommt, während SCENAR home für den privaten Einsatz für zu Hause entwickelt wurde. Beide Geräte funktionieren auf der gleichen Basis, allerdings ist das Arztgerät feiner und besser zu regulieren. Für die Anwendung zu Hause ist es wichtig, dass der Patient vorab eingehend von seinem Therapeuten in der Handhabung eingewiesen wurde. Zudem ist es wichtig, dass sich Arzt und Patient in regelmäßigen Abständen treffen, um die Einstellungen zu regulieren.
Entwickelt wurde das SCENAR-Gerät vor rund 25 Jahren in der Sowjetunion unter anderem in Zusammenarbeit mit dem russischen Neuropathologen Professor Alexander Revenko – basierend auf der Technologie von TENS. Das Gerät sollte ursprünglich den russischen Kosmonauten im Weltall ermöglichen, sich gegenseitig bei gesundheitlichen Problemen zu helfen. Ironischerweise kam SCENAR im Weltraum nie zum Einsatz, weil die damalige UDSSR die Weltraumpläne einstellte.
Was bei der Behandlung passiert
Bevor mit der Behandlung begonnen wird, erfragt der Therapeut genau die Stelle, die dem Patienten gerade Schmerzen verursacht. "Wenn jemand zu mir kommt, der eigentlich unter Schmerzen im Knie leidet, aber gerade jetzt Rückenschmerzen hat, werden diese zuerst behandelt", erklärt Dr. Möbis-Wolf den Ablauf der Therapie. Das SCENAR-Gerät wird dann über die betroffenen Areale gestrichen, über Elektroden werden kontinuierliche Impulse an den Organismus abgeleitet und empfangen. Dabei kann die Intensität der Impulse individuell eingestellt werden. Das SCENAR-Gerät wird mit dem Elektrodenteil auf die Haut des Patienten gedrückt beziehungsweise auf der Haut des Patienten bewegt, was die Experten auch ausstreichen nennen. Der Strom fließt mit nur geringer Eindringtiefe in die Haut des Patienten
Neben der lokalen Wirkung auf das Gewebe der Haut und den darunterliegenden Strukturen kommt es zu einer ganzheitlichen Wirkung, die über die Nervenleitungen zum Gehirn führen und dort "Befehle" erteilen. Während das Gerät über die schmerzende Stelle geführt wird, empfindet der Patient lediglich ein angenehmes Kribbeln auf der Haut. Das Gerät zeigt dem Therapeuten an, an welcher Stelle Behandlungsbedarf besteht. Diese Merkmale werden in der SCENARmedizin Asymmetrien genannt. "Das Gewebe der Haut ist besonders empfindsam und beinhaltet viele Information", so Dr. Möbis-Wolf. Ist eine Stelle extrem verkrampft, muss der Therapeut mit seinem SCENAR-Gerät solange darüber fahren, bis sich oben genannte Asymmetrien deutlich verändern. Die Frequenzen, mit denen das Gerät seine Impulse aussendet, können werden vom Therapeuten individuell eingestellt werden.
Mittlerweile gibt es zwischen 3500 und 4000 Therapeuten, meist Ärzte, im deutschsprachigen Raum, die mit dem SCENAR-Gerät arbeiten. Unter den Medizinern, die sich zum SCENAR-Therapeuten weiterbilden lassen, finden sich fast alle Fachrichtungen von A wie Allgemeinarztmediziner über Frauenärzte bis zu Z wie sowie Zahnärzte.
Eine Behandlung dauert zwischen 10 und 60 Minuten, je nachdem wie stark die Schmerzen sind, beziehungsweise wie festgefahren die Blockade ist. Die Kosten betragen zwischen 30 und 100 Euro pro Sitzung. Meist stellen sich die ersten Erfolge bereits nach einer Sitzung ein, es kann aber auch sein, dass der Patient mehrere Wochen behandelt werden muss. Bislang zahlen die gesetzlichen Krankenkassen die Behandlung nicht, die Privaten auf Anfrage.
Absolute Kontraindikation besteht bei Trägern von Herzschrittmachern. Schwangere, Krebspatienten sowie Personen, die unter Thrombose leiden, sollten vor einer Behandlung mit SCENAR auf jeden Fall ihren Arzt befragen.
Studienlage
Seit rund 15 Jahren wird die Therapie erfolgreich in Russland angewandt. In Europa ist die SCENAR-Methode seit 2002 erfolgreich im Einsatz. Auch werden zahlreiche Sportler (vom Hobbysportler bis zum Weltmeister) werden mit SCENAR behandelt. Die ersten Studien sind angelaufen. An der Universität Potsdam ist eine Diplomarbeit zum Thema "SCENAR bei Verletzungen von Kraftsportlern" mit herausragendem Ergebnis abgeschlossen worden. Am Allgemeinen Krankenhaus (AKH) Wien, einem der größten Krankenhäuser Europas, läuft derzeit eine Langzeitstudie über Schmerzbehandlungen.
Adressen von Therapeuten gibt es im Internet unter der Adresse www.scenar.de, Menüpunkt "Behandlungen in Ihrer Nähe"
Fakten
Millionen Bundesbürger leiden regelmäßig unter Schmerzen. Die Schmerztherapie ist deshalb eine der wichtigsten, aber auch schwierigsten Aufgaben der Medizin. Die Scenartherapie ist eine sehr sanfte Form der Schmerzbehandlung und beruht auf dem Prinzip der Impuls- beziehungsweise Elektrotherapie. Durch den Einsatz von leichten Stromschlägen werden die Selbstheilungskräfte des Körpers angeregt, beispielsweise Verspannungen und Blockaden zu lösen.
Gibt es Nebenwirkungen?
Nebenwirkungen sind bis jetzt keine bekannt. Allerdings können wie bei vielen Behandlungen so genannte Erstverschlimmerungen auftreten, d.h. die Rückenschmerzen, die gelindert werden sollen, können in den ersten Stunden nach der Therapie kurzzeitig verstärkt werden. Personen, die einen Herzschrittmacher beziehungsweise ein anderes elektronisches Gerät im Körper implantiert haben, werden von einer Behandlung mit SCENAR abgeraten. Kein Problem stellen dagegen Zahnimplantate dar.
Behandlungskosten
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Behandlung mit dem SCENAR-Gerät bislang nicht. Je nach Art der Erkrankung kostet eine Sitzung zwischen 30 und 100 Euro. Auch die Dauer der Behandlung ist abhängig vom Krankheitsbild. Die Kosten betragen für den Kauf des Gerätes SCENAR home 850 Euro inklusive einem 180-seitigen Handbuch und Versandkosten. Es ist aber möglich, das SCENAR-Gerät zu mieten. Mindestlaufzeit ist ein Monat, die Gebühr beträgt dann 180 Euro pro Monat.