Dieser Geruch nach frischem Gummi, nach Öl und Montagefett! Einem neuen Fahrrad wohnt in der Tat ein Zauber inne – und den möchte man natürlich möglichst lange bewahren. Das gelingt durchaus, wenn man ein paar Dinge beachtet.
Altes bewährt sich nicht immer neu
„Die wichtigste Frage bei einem neuen Rad ist die nach der Passform“, erklärt Bike-Fitting-Experte Frank Stefan Kimmel. „Bewährte Komponenten wie einen gut eingefahrenen Ledersattel darf man im Prinzip übernehmen“, so der Fachmann. Auch ein bestimmter Lenker mit der favorisierten Biegung könne leicht angebracht werden – allerdings mit einer Einschränkung: „Wenn man auf dem neuen Rad deutlich anders sitzt als auf dem alten, sind die gewohnten Komponenten ergonomisch nicht mehr unter allen Umständen günstig.“
In jedem Fall mag es einige Kilometer dauern, bis man mit dem noch ungewohnten Rad gänzlich warm geworden ist. Ein guter Tag für die Abholung beim Händler ist daher zum Beispiel der Donnerstag – dann kann man nachmittags ohne Zeitdruck das Rad abholen, freitags nach der Arbeit eine Runde drehen und, falls nötig, am Samstagvormittag noch einmal im Laden vorbeischauen, um kleinere Anpassungen vornehmen zu lassen. Wobei man das eine oder andere natürlich selbst leisten kann – etwa die korrekte Positionierung von sogenannten ergonomischen Lenkergriffen sowie Brems- und Schalthebeln oder der Klingel. „Wer viel mit Gepäckträgertaschen fährt, sollte kontrollieren, ob diese auch an den Träger des neuen Rades passen bzw. ob die Befestigungsteile neu ausgerichtet werden müssen“, weiß Katrin Dröge vom Trägerspezialisten Racktime.
Mit neuer Technik vertraut machen
Für den ersten Abend unterm selben Dach mit dem neuen Fahrrad empfiehlt sich die Lektüre der Betriebsanleitung – ganz besonders, wenn es sich bei dem Neuankömmling um ein Elektrorad handelt. „Details wie die Bedienung des Bordcomputers sind keine Wissenschaft, aber man will ja schnell damit umgehen können, ohne sich darauf konzentrieren zu müssen“, meint Anja Knaus vom E-Bike-Anbieter Flyer, die noch einen weiteren Tipp parat hat: „Die ersten Fahrten kann man mit unterer bis mittlerer Motorunterstützung absolvieren, um sich an den Antrieb zu gewöhnen.“ Auch das „Einfahren“ des Akkus ist von Bedeutung: Manche Hersteller geben eigens an, dass die Batterie ein- oder mehrmals komplett leergefahren werden muss, bevor sie ihre volle Kapazität erreicht.
Überhaupt gibt es Bauteile, die ihre volle Funktion erst im Gebrauch erreichen. „Scheiben- und Felgenbremsen“, erklärt Tobias Erhard vom Komponentenhersteller Sram, „müssen eingebremst werden, um ihre ganze Wirkung zu entfalten. Bei letzteren ist kein besonderes Vorgehen nötig; bei Discbrakes orientiert man sich an den Vorgaben des Herstellers.“
Sicherheit und Komfort wollen reifen
Ähnliches gilt für die Bereifung. „Ganz neue Reifen weisen noch Produktionsrückstände auf, die auf den ersten Kilometern die Griffigkeit herabsetzen können“, erklärt Doris Klytta vom Reifenhersteller Schwalbe. „Anfangs legt man sich also besser nicht ganz so schwungvoll in die Kurven.“ Wer auf einen anderen Reifentyp oder eine andere Breite umgestiegen ist, sollte sich außerdem an den richtigen Druck heranarbeiten, der die optimale Balance zwischen Leichtlauf, Grip und Komfort bietet. „Der richtige Luftdruck hängt auch vom Fahrergewicht, dem Einsatzzweck und den individuellen Vorlieben ab“, ergänzt Mareen Werner, die bei der Firma Sport Import für den Zubehörhersteller Lezyne verantwortlich ist. „Eine Pumpe mit Manometer ist sehr hilfreich, will man sein persönliches Optimum finden und notieren.“ Wenn man sich nach einer solchen Pumpe umschaut, kann man gleich eventuell nötiges Zubehör besorgen – wie etwa Torx-Schlüssel, da immer mehr Anbauteile mit den sternförmigen Werkzeugen befestigt werden.
Dem Schloss Herr werden
Nicht zuletzt erfordert ein Neurad oft auch ein neues Schloss. „Das muss vom Sicherheitslevel her zum Wert des Fahrrades passen“, erklärt Torsten Mendel von Abus, dem wohl traditionsreichsten Hersteller von Fahrradschlössern. Außerdem seien Anbringung und Handling wichtig, da man das Schloss ja mehrmals täglich in die Hand nehmen muss. „Die Wahl des Fahrradschlosses sollte man auch davon abhängig machen, wo und wie das Rad geparkt wird“, merkt Andreas Hombach von WSM an, einem Spezialist für Fahrradabstellanlagen. „An typischen Fahrradständern kommt man mit einem Bügelschloss meist gut zurecht; wer dagegen Laternenmasten und Ähnliches nutzt, ist vielleicht mit einem Ketten- oder Faltschloss besser beraten.“
Zum Thema Sicherheit gehört übrigens auch, sich mit den Funktionen der Lichtanlage vertraut zu machen. „Da moderne Nabendynamos mit sehr geringem Widerstand laufen, merkt man es in der Dämmerung nicht unbedingt, wenn das Licht aus ist. Von daher sollte man sich die unterschiedlichen Einstellungen besonders bei Frontleuchten mit Sensor-Automatik einprägen“, empfiehlt Sebastian Göttling vom Beleuchtungshersteller Busch & Müller.
Neues Rad, neue Möglichkeiten
Man sieht: Ein neues Fahrrad kann einen durchaus ein paar Stunden beschäftigen, bevor es schließlich im Straßenverkehr eingesetzt wird. Und auch dann gibt es viel Neues zu erleben: Bekannte Wege werden vielleicht mit einem Mal leichter und flotter zurückgelegt; Bereifung und Gewicht machen möglicherweise ganz neue Streckenführungen möglich, seien es Offroad- oder Tragepassagen.
Zwei, nein drei Sachen müssen aber noch getan werden, bevor es richtig losgeht: „Notieren Sie sich die Rahmennummer, machen Sie ein Foto von ihr und vom kompletten Rad und – nehmen Sie sich etwas Zeit, um den frischen Glanz mit Sprühwachs oder Politur zu konservieren“, rät Daniel Erhart, beim Importeur Grofa für Pflegeprodukte von Finish Line und White Lightning verantwortlich. Sonst ist der Zauber, der jedem neuen Rad innewohnt, gar zu schnell verflogen …