Die Versorgungsforscherin Prof. Dr. med. Petra Thürmann, Lehrstuhlinhaberin für Klinische Pharmakologie an der Universität Witten/Herdecke, arbeitet derzeit daran, Medikamententherapien für ältere Menschen zu verbessern. Das Vorhaben ist Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 2,8 Millionen Euro geförderten Verbundprojektes "Priscus" (lat. "altehrwürdig"). Ziel der Wittener Forscher am HELIOS Klinikum in Wuppertal ist es, herauszufinden, welche Medikamente für ältere Menschen überhaupt geeignet sind und in welcher Kombination.
In den USA gibt es bereits die so genannte Beers-Liste. Sie beinhaltet Medikamente, die sich nicht für ältere Menschen eignen. Eine ähnliche Liste wollen die Forscher um Professor Thürmann auch für deutsche Arzneimittel erstellen. Dazu sammeln sie derzeit Daten von etwa 6000 älteren Menschen in ganz Deutschland. Eine vordringliche Aufgabe, denn die meisten Medikamente werden in Studien getestet, die ältere Leute nicht berücksichtigen. "Spätestens ab 80 wird kaum ein Patient in irgendeine Studie eingeschlossen, dass muss sich ändern", sagt Thürmann. So gibt es keine gesicherten Daten darüber, wie sich bestimmte Medikamente überhaupt auf spezielle, altersbedingte Entwicklungen des menschlichen Körpers auswirken.
Ein besonderes Problem ist, dass ältere Patienten mit Mehrfacherkrankungen, wie Bluthochdruck oder Diabetes, häufig verschiedene Arzneimittel gleichzeitig einnehmen. Das Aufeinandertreffen verschiedener Wirkstoffe kann so fatale gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. "Ein erheblicher Anteil dieser Nebenwirkungen führen zur sofortigen Einlieferung ins Krankenhaus", erläutert Thürmann. "Je mehr Pillen, desto höher auch die Wahrscheinlichkeit von negativen Wechselwirkungen." Die Probleme bei älteren Menschen reichen hierbei von Magenbeschwerden über Kreislaufprobleme bis hin zu Herzrhythmusstörungen.
In den seltensten Fällen sind diese Wechselwirkungen im Vorfeld bekannt. Zwar gibt es ärztliche Leitlinien, die vorgeben, welches Medikament für eine bestimmte Erkrankung geeignet ist. "Die sind aber auf Einzelerkrankungen fokussiert und nur für sich gesehen korrekt", erklärt Professor Thürmann.
Forschungsoffensive 2007
Mit der Forschungsoffensive bieten wir einen konzentrierten Einblick in die Vielfalt der Forschungsthemen, die derzeit an der Universität Witten/Herdecke bearbeitet werden. Dabei berichten wir in den kommenden Wochen nicht nur über laufende Projekte aus den Bereichen Medizin, Biologie und Wirtschaftswissenschaften. Neben interessanten Zwischenergebnissen stehen auch Forschungsarbeiten im Mittelpunkt, die bereits kurz vor ihrer Publikation stehen.