Übergewicht und ernährungsbedingte Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Beschwerden treten auch in Deutschland immer häufiger auf. Unter dem Druck von Ärzteverbän-den, Krankenkassen und Verbraucherorganisationen, vor allem aber vor dem Hintergrund steigender Sozial-kosten, musste die Bundesregierung nun doch endlich handeln – allerdings mit fast grotesken Zügen. Die Lebensmittelkennzeichnung durch den Nutri-Score wird durch Klöckners Prüfung neuer Modelle nicht nur verzögert, sondern gleichzeitig das beispielhafte Vorangehen von Lebensmittelherstellern wie Iglo mit Abmahnungen quittiert. Die Verbesserung insbesondere der Fertigprodukte auf dem deutschen Markt schiebt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit seiner Reduktionsstrategie auf 2025 und setzt Reduktionsziele für den Einsatz der billigen Füllstoffe Fett und Zucker mit 10-20 Prozent geradezu lächerlich niedrig an. Für Marvin Stenzel, Geschäftsführer der deutschen Eismarke Pro Delight ist es höchste Zeit, durchgreifende Maßnahmen umzusetzen und die Verbesserung des Lebensmittelangebots an Innovationsförderungen für Startups zu knüpfen, anstatt dem Widerstand der Lobby klein beizugeben.
Innovative Food Unternehmen machen es vor
Mit seinen vier Eissorten hat Pro Delight gezeigt, was selbst im Speiseeisbereich heute schon mit dem entsprechenden Willen möglich ist: 60 Prozent weniger Zucker, 50 Prozent weniger Fett, ein Dreifaches an Protein und gesüßt wird mit Xylit, weil der Birkenzucker den Blutzuckerspiegel nicht so in die Höhe treibt und Heißhungerattacken reduziert. Mit diesen Nährwerten werden traditionelle Eissorten abgehängt. Das bestätigt auch die Prüfung über den Nutri-Score. Bei einer entsprechenden Kennzeichnungspflicht könnten Verbraucher diesen Unterschied leicht sehen.
„Für uns stand bei der Entwicklung unserer Eissorten die Qualität an oberster Stelle. Schließlich hat man gerade bei einem Produkt, das sich insbesondere an jüngere Verbraucher richtet, eine große Verantwortung. Deshalb ist es uns unbegreiflich, dass der Nutri-Score als erster wichtiger Schritt, der quasi sofort umgesetzt werden kann, von unserer Regierung so blockiert wird. Es kann nicht sein, dass Unternehmen, die mit gutem Beispiel vorangehen und den Nährstoffgehalt ihrer Produkte durch die Kennzeichnung ausweisen, dafür auch noch abgestraft werden. Deshalb gehören wir zu den Lebensmittelunternehmen, die eine umgehende Freigabe für den Nutri-Score als Kennzeichnungselement auf freiwilliger Basis fordern. So kann unabhängig von Pflichtkennzeichnungen der Druck auf die Industrie erhöht werden. Wenn Maßnahmen zur besseren Differenzierung gesunder Lebensmittel bewusst blockiert und somit indirekt die Verbrauchertäuschung durch einige internationale Großkonzerne erleichtert wird, haben Frau Klöckner und ihr Ministerium rundum versagt. Das bestätigt sich auch in der nicht vollumfänglichen Veröffentlichung der Studie zu Lebensmittelkennzeichnungen durch das Max-Rubner-Institut (MRI), die von Frau Klöckner nur in überarbeiteter Form herausgegeben wurde. Daher kann die Offenlegung der Originalversion, wie von foodwatch gefordert, nur klar befürwortet werden“ so Stenzel.
Innovationsförderung statt Reduktionsstrategien
Für die Entwicklung ihrer Produkte hat Pro Delight viel Zeit, Energie und finanzielle Mittel aufgebracht, um die eigenen Qualitätsziele zu erreichen. So geht es vielen jungen Unternehmen in der Lebensmittelbranche. Danach kommen sie gerade bis zur Marktreife, können sich aber dann nicht durchsetzen, weil die Finanzierungen fehlen. Hier liegt enormes Potenzial für die Qualitätsverbesserung des Lebensmittelangebots in Deutschland brach.
„Es gibt eine vielseitige und innovative Startup-Szene im Food-Bereich, mit tollen und hochwertigen Produkten. Leider schaffen es die meisten nicht in den Massenmarkt, weil junge Unternehmen gerade in den wichtigen Wachstumsphasen durch zu viel Bürokratie in ihrer eigentlichen Arbeit blockiert werden und gleichzeitig die passenden Rahmenbedingungen für Finanzierungsmöglichkeiten fehlen. Der Zugang zu Wagniskapital muss erleichtert und spezifische Förderungen aufgebaut werden. Für die Reduktion von billigen Fetten und Zucker in Fertigprodukten braucht nicht groß geforscht werden – man muss nur die Innovationsfreudigkeit der jungen Lebensmittelproduzenten nutzen und mit den Gesundheitszielen zusammenbringen – dann geht es schneller voran“, fordert Stenzel.