Hintergrund ist der Rabattvertrag zum Wirkstoff Omeprazol, für den die AOK den Zuschlag an einen Hersteller erteilt hat, der die Normgröße N3 in einer Packungsgröße von 98 Tabletten anbietet. Das Problem: Um den Austausch in den Apotheken zu ermöglichen, muss die Packungsgröße des abzugebenden Arzneimittels "identisch" mit dem verordneten sein. So schreibt es das Gesetz vor. Stehen 100 Tabletten auf dem Rezept, darf der Apotheker dem Patienten also die 98er Packung nicht abgeben. 98 sind eben nicht 100. Der Rechtsgutachter Prof. Dr. Kingreen sagt aber: Doch!
Mit einer Hilfsargumentation kommt der Gutachter zu einem anderen Ergebnis: Nicht die Zahl der Tabletten, sondern die Normgröße sei entscheidend. Eine N3-Packung dürfe daher gegen jede andere N3-Packung eines wirkstoffgleichen Arzneimittels ausgetauscht werden.
Kingreens Auslegung wird Ärzte und Apotheker, Mathematiker und Patienten in mehr als nur Erstaunen versetzen. So gibt es Hersteller, die Omeprazol in der Normgröße N3 sowohl in Packungen mit 60 als auch mit 100 Kapseln anbieten. Bei einem Hersteller beinhaltet die N3-Packung sogar nur 56 Tabletten. Und das ist nach Adam Riese nur knapp mehr als die Hälfte von 100. Der Patient kann mit dieser Packung daher auch nur die Hälfte der Zeit versorgt werden.
Bislang beruht das sogenannte Aut-idem-System, das den Austausch in der Apotheke regelt, auf klaren Grundsätzen. Wenn der Arzt dem Apotheker gestattet, ein anderes wirkstoffgleiches Arzneimittel abzugeben als das, was er verordnet hat, dann kann er darauf vertrauen, dass es sich um den gleichen Wirkstoff, die gleiche Wirkstärke, Darreichungsform und natürlich die identische Packungsgröße, das heißt die gleiche Menge an Tabletten handelt. Laut Prof. Kingreen war dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt.
Thomas Porstner, Pressesprecher und Justiziar des Branchenverbandes Pro Generika, erklärt hierzu: "Wir haben uns ja inzwischen daran gewöhnt, dass die Krankenkassen wesentliche Grundsätze des Arzneimittelrechts ändern wollen, damit ihre Rabattverträge problemlos umgesetzt werden können. Dass ein Gutachter aber jetzt die Grundrechenarten ändern will, ist neu. Zur Umsetzung und Nachahmung zu Lasten der Patienten und Verordner ist dies ganz sicher nicht empfohlen."