Bereits im Jahr 2005 befand die Europäische Kommission, dass das bis 2007 angebotene Policenmodell der deutschen Versicherungsbranche europäischen Richtlinien widerspricht und mahnte die Bundesrepublik deshalb ab. Um dem damals eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren zu entgehen, schaffte der Gesetzgeber im Jahr 2008 das Policenmodell gänzlich ab und setzte im Zuge der VVG-Reform die seit 2007 geltenden EU-Lebensversicherungsrichtlinien in nationales Recht um.
Abschaffung des Policenmodells verhindert weitere Verluste - bietet aber keine Entschädigung für Betroffene
Auch LV-Doktor teilt die Auffassung der Europäischen Kommission, will sich mit der bloßen Abschaffung des Modells aber nicht zufrieden geben. Das erfolgreiche Projekt der proConcept AG kämpft seit Jahren für eine verbraucherfreundliche Rechtssprechung für Versicherungsnehmer und setzt sich dafür ein, dass (ehemalige) Versicherungskunden alle eingezahlten Beiträge zuzüglich einer angemessenen Verzinsung zurück erhalten, wenn sie ihre Lebens- oder Rentenversicherungsverträge vorzeitig kündigen. Jens Heidenreich, Direktor der proConcept AG, und sein Team sind der Meinung, dass die Abschaffung des Policenmodells zwar weitere Verluste verhindert, kritisieren aber gleichsam, dass die Abschaffung keinerlei Erstattungspflichten für Geschädigte impliziert.
LV-Doktor fordert Nachzahlungen für Geschädigte des Policenmodells
Nach Auffassung des Projektteams und dessen angegliedertem Anwaltsnetzwerk sind alle deutschen zwischen 1994 und 2008 nach dem Policenmodell abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge europarechtswidrig. Und trotz der Reformbemühungen der Bundesrepublik stünde den Kunden die Auszahlung aller bis dato eingezahlten Beiträge nebst branchenüblicher Verzinsung zu. Betroffen sind dabei rund 40 Millionen Versicherungsverträge mit einem Gesamtvolumen von rund 300 Milliarden Euro.
Europäische Kommission befindet Vorgehen deutscher Gerichte für unzulässig
Im Anschluss an die Eröffnung der mündlichen Verhandlung zur Frage der Jahresfrist in § 5a VVG a.F. verständigten sich abgesandte Vertreter des LV-Doktor-Teams, die den Verfahrensbeginn in Luxemburg vor Ort verfolgten, mit der Europäischen Kommission, um die Thematik des Policenmodells zu erörtern. Die Europäische Kommission gab dabei zu verstehen, dass Sie die Meinung von LV-Doktor nach wie vor teile und das Policenmodell als europarechtswidrig erachte. Zwar habe die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes durchaus weitere Schäden verhindert, dennoch stelle der Umstand, dass die deutschen Gerichte jene Fälle, die die Europarechtswidrigkeit des Policenmodells behandeln, nicht dem Europäischen Gerichtshof vorlegen, möglicherweise einen guten Grund für ein neuerliches Vertragsverletzungsverfahren dar.
Über die streitgegenständliche Rechtsfrage zur Europarechtskonformität des Policenmodells darf nach geltendem Recht nur der EuGH entscheiden, auch wenn die Klagen nicht direkt dort eingereicht werden können, sondern die gesetzlich vorgeschriebenen rechtlichen Instanzen durchlaufen müssen.
Wissenschaftlicher Beirat der proConcept AG hat Vorprüfung beendet - Vertragsverletzungsverfahren in Vorbereitung
Im Anschluss an die positive Einschätzung durch die Europäische Kommission hat der wissenschaftliche Beirat der proConcept AG die Umsetzung eines Vertragsverletzungsverfahrens eingehend geprüft und ist zum Schluss gekommen, dass durchaus gute Erfolgschancen bestehen. Ergänzend zu verschiedenen Verfahren am Bundesverfassungsgericht und der beim EuGH rechtsanhängigen Frage der Jahresfrist bereiten die LV-Doktor-Anwälte aktuell ein entsprechendes Verfahren vor.
Begünstigend wirkt sich dabei vor allem die Tatsache aus, dass LV-Doktor durch tausende geführte Verfahren die Kommission mit ausreichend Belegen und Fakten versorgen kann. Ein Vorteil, der allein dem gut strukturierten und vernetzten Anwaltsteam zu verdanken ist.
Mögliche Folgen für die Versicherungsbranche
Hätte die proConcept AG mit dem Vertragsverletzungsverfahren Erfolg, würden alle Verfahren, die das Unternehmen bisher nicht zu einem positiven Abschluss bringen konnte, neue Relevanz erlangen. Als "Beweismaterial" würden sie gewissermaßen dazu dienen, Millionen anderer Versicherter zu ihrem Recht zu verhelfen. Die Tatsache, dass die LV-Doktor-Datenbank tausende relevante Fälle umfasst, dürfte den Versicherern im Hinblick auf ein Vertragsverletzungsverfahren Unbehagen bereiten. Jens Heidenreich und sein Team sind deshalb gespannt, wann erste Vergleichsangebote eingehen.