Über mangelnde Präsenz vor deutschen und europäischen Gerichten können sich die Lebens- und Rentenversicherer derzeit nicht beklagen. Dank der Grundsatzurteile des BGH im vergangenen Jahr, die unter anderem den Stornoabzug und andere unzulässige Klauseln in den Allgemeinen Vertragsbedingungen betrafen, wagen nun immer mehr Verbraucher den Schritt, ihre Ansprüche aus Versicherungsverträgen vor Gericht geltend zu machen.
Steter Tropfen höhlt den Stein - LV-Doktor im Dauereinsatz gegen Versicherer
Auch die proConcept AG, die im Rahmen ihres Projektes LV-Doktor für die Rechte geprellter Versicherungskunden eintritt, steht in dauerhafter Auseinandersetzung mit den Versicherungsriesen der Bundesrepublik und ist Stammgast vor sämtlichen denkbaren Gerichten. Der Grund: tausende Versicherungsnehmer, die ihre Lebensversicherung vorzeitig kündigen und mit viel zu niedrigen Rückkaufswerten abgespeist werden.
Doch obwohl die LV-Doktor-Anwälte nichts unversucht lassen, um über die korrekte Rückabwicklung der Versicherungsverträge ihrer Kunden hinaus eine faire, allgemeingültige Rechtssprechung für Verbraucher herbeizuführen, gelang es den Versicherungsgesellschaften bislang immer wieder, das "Schreckgespenst Massennachregulierung" abzuwehren. Das neue Gesetz soll diesem Spuk nun ein Ende bereiten.
"Last-Minute-Anerkenntnisse" - im Notfall das kleinere Übel
Mit Anerkenntnissen im letzten Moment gelang es Lebens- und Rentenversicherern in der Vergangenheit immer wieder, die Nachzahlungsansprüche von Millionen Versicherungskunden abzuwenden. Das heißt konkret: drohte in einem Verfahren ein allgemeingültiges Urteil zum Nachteil der Versicherungen, erkannten diese im letzten Moment die Forderungen des Klägers an. Indem sie sich mit dem "kleineren Übel" abfanden, blieben ihnen flächendeckende Nachregulierungen erspart.
So beispielsweise auch im Fall einer Kundin, die bei HDI-Gerling ihre Lebensversicherung vorzeitig kündigen wollte. Weil sich die Kundin mit dem ermittelten Rückkaufswert von rund 1.500 € nicht zufrieden geben wollte, klagte sie sich mit Unterstützung der Netzwerkanwälte von LV-Doktor bis vor den BGH.
Um von diesem nicht zu grundsätzlichen Nachzahlungen an einen breiten Kreis ehemaliger Kunden verdonnert zu werden, erkannte HDI-Gerling die Forderungen von LV-Doktor in letzter Minute an und zahlte der Kundin zusätzlich 3.600 €.
"Revisions-Ping-Pong" - Urteilsverhinderung durch Revisionsrückzug
Ähnlich die Ausweichmanöver der Assekuranzen in den Revisionsverfahren: Gegen nicht zufriedenstellende Urteile der 1. und 2. Instanz legten die Versicherungshäuser Revision ein. Drohte dann aber der BGH die Urteile der unteren Instanzen höchstrichterlich zu bestätigen, zogen die Versicherer kurzerhand die Revision zurück und kippten auf diese Weise ein verbindliches Urteil.
Ende der Ausweichmanöver
Das "Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten" blockiert ab 01. Januar 2014 genau diese Verhinderungstaktiken.
So sieht das Gesetz unter anderem vor, dass ein Anerkenntnisurteil nur noch auf gesonderten Antrag des Klägers ergehen kann. Darüber hinaus stellt eine Änderung in § 565 der Zivilprozessordnung sicher, dass Grundsatzentscheidungen des BGH nicht mehr einseitig durch den Revisionskläger verhindert werden können. Eine Revision kann damit künftig nur noch zurückgenommen werden, wenn sich der Revisionsbeklagte zu Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache einlässt und der späteren Rücknahme der Revision ausdrücklich zustimmt. Willigt er nicht in die Rücknahme ein, ist diese unwirksam und der Weg zu einem Urteil frei.