Hollywood hat zwei Arten von Diven hervorgebracht: Solche, die man anschaut, weil sie schön sind. Und solche, denen man zusieht, weil sie als starke Frauen handeln. Joan Crawford und Bette Davis gehören zur zweiten Kategorie. Nicht, dass die beiden nicht schön gewesen wären. Von Joan Crawford hieß es, sie habe eines dieser perfekten Gesichter gehabt, die sich besonders gut fotografieren lassen:"a built face" - ein architektonisches Gesicht. Und Bette Davis hatte diese besonders sprechenden Augen mit den breiten Lidern: "Bette-Davis-Augen" eben. Aber die beiden, die zur selben Vorkriegs-Schauspielerinnen-Generation gehörten und einander jahrzehntelang den Titel "Hollywood s First Lady" streitig machten, waren keine Stars, denen der Ruhm in den Schoß gefallen wäre. Tatsächlich gab es Zeiten, in denen sie als ausgesprochenes Kassengift galten. Und vielleicht war der Druck, dem sie ausgesetzt waren, einer der Gründe, warum sie einander so legendär befehdeten. Nachdem Crawford in den 1940er Jahren zu Warner gewechselt war, wo Davis bereits unter Vertrag stand, konkurrierten beide um Rollen im selben Fach. Vor allem Bette Davis befeuerte die Rivalität mit ihren typischen Spitzen: Joan Crawford, sagte sie einmal, habe "mit jedem männlichen MGM-Star geschlafen - außer mit Lassie". Die Feindschaft der beiden wurde so öffentlich, dass sie in die Reihe der "großen Hollywoodfehden" einging; sogar ein Buch wurde darüber geschrieben. Dabei gab es unübersehbare Ähnlichkeiten zwischen den beiden Leinwandgöttinen: Beide wurden 1908* geboren. Beide waren viermal verheiratet und über Hollywoods "Goldene Ära" hinaus bis ins hohe Alter aktiv. Beide waren Meisterinnen auf der Klaviatur des Melodrams; ihre spezifische melancholische Wirkung kam am besten in Filmen zur Geltung, in denen sie tragische Frauengestalten voller unerfüllter Sehnsüchte spielten. Das melodramatische Leiden war freilich bei Crawford wie Davis weder Pose noch Selbstzweck, sondern Ausdruck eines sich wandelnden Rollenverständnisses. Anders als die Sexsymbole der Studio-Ära, anders als Jean Harlow oder Rita Hayworth, schienen diese beiden Frauen immer auch um Einfluss, Mitsprache, Selbstbestimmung zu kämpfen. Und ihr manchmal neurotisch wirkender Stil - der sich am Ende in ihrem gemeinsamen Psychothriller "Was geschah wirklich mit Baby Jane?", einem überraschenden Kassenerfolg, Bahn brach - erzählte von den Schwierigkeiten weiblicher Emanzipation in einer Zeit des Umbruchs. Vielleicht war das auch der Grund, warum beide beim weiblichen Publikum besonders gut ankamen: Sie waren keine Projektionen männlicher Fantasien, sondern Frauen mit Ecken und Kanten. Bis zuletzt. Als Joan Crawford 1977 starb, soll Bette Davis, die noch zwölf Jahre zu leben hatte, bemerkt haben: "Man soll über Tote nichts Schlechtes sagen, nur Gutes ... Joan Crawford ist tot. Gut." Auch das heißt, einen Mythos fortzuschreiben.
* Einige Quellen nennen auch 1904, 1905 oder 1906 als mögliches Geburtsjahr Joan Crawfords.
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