"Das deutsche Schulsystem ist nicht darauf ausgelegt, Jugendliche in schwierigen sozialen Lagen oder persönlichen Krise aufzufangen", sagte Jugend- und Sozialdezernent Erwin Jordan von der Region Hannover. "Das Projekt 'Die 2. Chance' begegnet in enger Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe den Ursachen der Schulverweigerung auf mehreren Ebenen und erhöht damit wesentlich die Bildungs- und Zukunftschancen vieler junger Menschen. Deshalb wollen wir weiter an dem Programm festhalten und es auf weitere Standorte in unserem Zuständigkeitsbereich als Jugendhilfeträger ausweiten." Jährlich 250.000 Euro zusätzlich will die die Region Hannover dafür aus dem Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit zur Verfügung stellen.
Seit Beginn des Projekts im Jahr 2006 wurden in Neustadt, Ronnenberg und Uetze 182 Kinder und Jugendliche betreut, davon 104 Jungen und 78 Mädchen. Bei rund drei von vier Schülerinnen und Schülern (76,5, Prozent) hat sich die schulische Situation durch die Teilnahme an dem Projekt deutlich verbessert - das heißt, die Zahl ihrer Fehltage hat sich deutlich verringert, sie haben die Versetzung in die nächste Klassenstufe geschafft oder Schulängste abgebaut.
Das Programm richtet sich an Jugendliche ab 12 Jahren, die immer wieder unentschuldigt den Unterricht versäumen und einen durch das Jugendamt bestätigten Hilfebedarf haben. In Einzelgesprächen und in Gruppenarbeit vermitteln die sozialpädagogischen Fachkräfte des Projekts Alltags-, Sozial- und Schulkompetenzen. Das beinhaltet unter anderem, die Jugendlichen auf die nächste Klassenarbeit vorzubereiten, Konflikte mit Lehrkräften oder im Elternhaus zu klären, wenn nötig, die Jugendlichen auch zur Schule zu begleiten. In der Regel beträgt die Teilnahme an dem Projekt ein Jahr.
"Wesentlich für den Erfolg des Projekts ist die enge Zusammenarbeit mit den Schulen, aber auch mit den Eltern", sagt Projektleiter Derk Wiebe von der Region Hannover "Nicht selten befinden sind auch die Eltern von Schulverweigerern in kritischen Lebensphasen und sind mit der Erziehung schlicht überfordert. Dass wir fast 95 Prozent der Eltern aktiv in das Projekt miteinbeziehen können oder sich zumindest kooperationsbereit zeigen, bewerten wir vor allem hinsichtlich der Nachhaltigkeit als großen Erfolg."
Für die Umsetzung des Projekts hat die Region Hannover ein eigenes Jugendhilfekonzept entwickelt. Jeweils zwei feste Mitarbeiter pro Standort betreuen die Jugendlichen sowohl einzeln als auch in Gruppen. Die bislang insgesamt 30 Plätze in Neustadt, Ronnenberg und Uetze sollen künftig auf 36 ausgeweitet werden. Dazu kommen sechs weitere Plätze für Jugendliche aus Neustadt mit besonders hohem pädagogischem Förderbedarf, deren Betreuung aus dem Bildungs- und Teilhabepaket finanziert. Mit den jeweils weiteren 12 Plätzen in Barsinghausen und Seelze können somit 66 Jugendliche mit der "2. Chance" erreicht werden.
"Wenn sich Jugendliche aus der Gemeinschaft, der Schule dauerhaft zurückziehen, sind die schulischen Möglichkeiten schnell erschöpft", so Hans-Jürgen Kretz, Leiter der Leine-Schule in Neustadt, die zu den Projektschulen zählt. "Es geht dann vorrangig nicht um Sanktionen, sondern um die sozialpädagogische Aufarbeitung unter Einbeziehung von Elternhaus, persönlichem Umfeld, Schule und Jugendhilfe. Die Leine-Schule ist sehr froh, dass es das Projekt 'Die 2. Chance' gibt und über viele Jahre 'hoffnungslosen Fällen' neuen Mut und Hoffnung gegeben hat."
"Schulverweigerung - Die 2. Chance" wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie vom Europäischen Sozialfonds gefördert. Finanziert wird das Projekt zu 55 Prozent von der Region Hannover und zu 45 Prozent von der Europäischen Union. Insgesamt arbeiten bislang zehn Schulen mit dem Projekt zusammen: die Leine-Schule in Neustadt, die KGS Neustadt, die BBS Neustadt, die Marie-Curie-Schule Ronnenberg, die Oberschule Gehrden, die Gustav-Heinemann-Förderschule Ronnenberg, die BBS Springe, die Hauptschule Uetze, die Realschule Uetze und die Heinrich-Ernst-Stötzner-Förderschule Uetze.