Peter Fischli und David Weiss nennen die Arbeit, die in diesem Jahr den Geschäftsbericht der Ringier AG in einen 840 Seiten dicken Band verwandelt. "Sonne, Mond und Sterne": Der Titel erinnert an Kinderlieder, aber auch an das uns umgebende Universum als Sehnsuchts- und Fluchtbild von der Erde aus gesehen. Nach den vielen Werkgruppen, die sich dem "Weltlichen" zugewandt haben, nun, was die Welt im Innersten an Projektionen zusammen hält. Das in ihrem Werk immer wiederkehrende Enzyklopädische ist auch in dieser Arbeit zentral: Aus Hunderten Zeitschriften, die alle Lebensbereiche und Interessengebiete aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten abdecken, haben sie eine Enzyklopädie der Verführungen und Modellsehnsüchte der Gegenwart gesammelt. Anzeigen stellen für sie in der Printmedienwelt am deutlichsten das ökonomische Prinzip dar - und sie sind interessiert an diesem permanenten Warenfluss, der unser Leben begleitet und unsere Identität formuliert. 800 Anzeigen wurden von ihnen je paarweise zusammengestellt und in eine Reihenfolge gebracht, die viele Geschichten zulässt, aber nicht die eine Geschichte erzählt.
Über die Künstler
Die Schweizer Künstler Peter Fischli (*1952) und David Weiss (*1946) zählen mit ihrem medial weit verzweigten Werk in Fotografie, Plastik, Installation und Film zu den wichtigsten Künstlern der internationalen Kunstwelt. Seit 1979 arbeiten sie zusammen und sind regelmässig in den wichtigsten Institutionen und Sammlungen der Welt vertreten: Im Guggenheim-Museum und dem Museum of Modern Art, New York, dem Walker Art Center, Minneapolis, dem Kunstmuseum Basel, Museum Ludwig, Köln, und unzähligen anderen. Seit 2007 wandert ihre grosse Retrospektive «Fragen & Blumen» von der Tate Modern über das Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris ins Kunsthaus Zürich, die Fondazione Nicola Trussardi und die Deichtorhallen in Hamburg.
Das Werk der beiden Künstler manifestiert die grossen Themen unseres Alltags: Sinnfragen, Freizeit- und Arbeitswelt, das Leben in Vorstädten, Reisen, Schönheit und Grauen, kleine und grosse Ereignisse, Orte des Begehrens des kleinen Manns - das ganz Normale. Immer wieder führt ihr Werk dabei vor Augen, wie wenig sich unsere alltäglichen Lebens- und Sehnsuchtswelten verändert haben, wie resistent das innerliche wie äusserliche Sein zu sein vermag. Sie operieren mit dem Common Sense unserer Lebensentwürfe und Lebensbedingungen als weltweitem und enzyklopädisch zu erfassendem Faszinosum - und hebeln mit augenzwinkerndem Understatement gleichzeitig am allzu Menschlichen wie an den hehren Begriffen der Kunst.
Fischli/Weiss spielen mit Lebensmitteln (Wurstserie, 1979), bauen fragile Plastiken mit Küchenutensilien (Equilibres - Stiller Nachmittag" (1984-1987) fotografieren sich durch die Sehenswürdigkeiten der Welt (Sichtbare Welt 1987-2000), durchstreifen als Ratte und Bär verkleidet mit wichtigen Fragen die Welt (Der geringste Widerstand, 1980/1981, und Der rechte Weg, 1982/1983), lassen Dinge in Polyurethan nachschnitzen (Polyurethanskulpturen seit 1983) oder skizzieren in ungebranntem Ton in "Plötzlich diese Übersicht", weltweit wichtige Ereignisse, Erfindungen, Ideen, die unsere Geschichte prägten. Fischli/Weiss plagen sich mit den gleichen Fragen wie Jedermann (Fragen, 1981-2003), und sie finden die gleichen Dinge schön wie Jedermann (Blumen und Pilze, 1997/1998). Sie leben das Spielerische und Nutzlose für uns als Arbeit und führen uns damit zugleich unsere stammtischtauglichen Klischees über den Künstler vor wie eine Philosophie des Spiels als Ort, der der Freiheit, den menschlichen Obsessionen, Bedingtheiten, Verantwortlichkeiten und der Selbstbestimmtheit Raum erteilt.