DER KAUFMANN VON VENEDIG von William Shakespeare
Regie: Wolfgang Engel
Bühne: Andreas Jander
Kostüme: Caritas de Wit Musik: Thomas Hertel
Es ist Karneval in der Lagunenstadt, aber Kaufmann Antonio ist nicht fröhlich. Sein junger Freund Bassanio, ein Lebemann und notorischer Schuldner, steht im Begriff, seine Lebensverhältnisse durch Eheschließung mit der märchenhaft reichen Portia im ebenso märchenhaften Belmont zu verbessern. Für die Ausstattung des Werbefeldzugs soll Antonio ihm eine letzte finanzielle Spritze verabreichen. Obwohl Antonio seine gesammelten Reichtümer als Frachtschiffe auf See hat und nicht flüssig ist, kann er Bassanio keine Bitte abschlagen. Also ist er gezwungen, beim verhassten Juden Shylock zu borgen. Der zeigt sich über das Anliegen des sonst so arroganten Christen amüsiert. Statt gegen „Wucher“-Zins verleiht er 3.000 Dukaten gegen eine Strafgebühr in Naturalien – ein Pfund Fleisch aus dem Körper des Schuldners im Falle der nicht fristgerechten Rückzahlung. Aus dem kapitalen Spaß wird blutiger Ernst, denn Bassanios Freund Lorenzo entführt Shylocks Tochter Jessica in die ihr unbekannte Welt verheißungsvoller Lustbarkeiten. Um sich dem Christen wertvoll zu erweisen, vergoldet sich Jessica mit den Ersparnissen ihres Vaters. An dem Leid des Gedemütigten weidet sich die ganze christliche Mehrheit. Als Kaufmann Antonio endlich das Unglück ereilt und alle seine Schiffe stranden, ist die Stunde der Rache für Shylock gekommen. Bevor Bassanio, der die wohlhabende Portia errang, mit seiner Clique den neuen Reichtum genießen kann, beordert ihn Antonios Notruf zurück nach Venedig. Auch Portia reist, als Rechtsgelehrter verkleidet, an den Ort des Geschehens, und legt selbst Hand an die Gesetze von Venedig. Der Karneval endet im Pogrom. Der Jude hat nichts mehr zu lachen. Er wird enteignet, seiner Identität beraubt und entkommt nur knapp dem Tod.
Seit Jahrhunderten fordert Shakespeares Schauspiel von 1598 die Theater heraus zur Stellungnahme in Bezug auf den Umgang der Gesellschaft mit den von ihr produzierten Außenseitern.
Es spielen: Julia Berke, Carolin Conrad, Heidi Ecks, Oliver Chomik (Studio), Thomas Huber, Matthias Hummitzsch, Stefan Kaminsky, Andreas Keller, Gilbert Mieroph, Aleksandar Radenkovic, Johannes Schmitz (Studio), Günter Schoßböck und Till Wonka
Premiere 23. September 2007
Neue Szene NATHAN (OHNE TITEL)
Acht Variationen über G. E. Lessings "Nathan der Weise" von Christian Lollike Deutschsprachige Erstaufführung
Regie: Alexander Marusch Grundraum: Bernd Schneider/Ulrike Bresan
Bühne und Kostüme: Ulrike Bresan Musik: Michael Barthel
Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Mit dieser Definition fasste Immanuel Kant die Forderungen der Aufklärung zusammen. Wie sieht es heute, gut 200 Jahre später, damit aus? Sind wir Kants Aufforderung nachgekommen? Ist sie auch heute noch gültig – in einer Welt, in der religiöse Erklärungsmodelle und Verhaltenskodizes zunehmend an Bedeutung gewinnen; in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht; in der liberale Werte und Bürgerrechte, wie z. B. das Folterverbot, die Gewaltenteilung und das Recht auf Privatsphäre zunehmend außer Kraft gesetzt werden? Ist Kants Formel noch immer eine Leitlinie, an dem der Einzelne sein Verhalten ausrichten kann und soll?
Der junge dänische Autor Christian Lollike hat mit "Nathan (ohne Titel)" ein Stück geschrieben, das sich dieser Fragen annimmt. Indem er mit Lessings Nathan den Stellvertreter des aufgeklärten europäischen Intellektuellen ins Hier und Heute transportiert, hat er ein Spielfeld geschaffen, auf dem er die Tauglichkeit von Begriffen wie Toleranz und Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Vertrauen und Vergebung überprüfen und ihre Gültigkeit befragen kann.
Wie verhält sich N (= Nathan), wenn er in einem Zugabteil Zeuge eines Überfalls zweier Schläger auf einen Rollstuhlfahrer wird? Wie antwortet er auf die Frage, ob Geld oder Gott die Welt retten kann? Was passiert, wenn er mit dem Prinzip Liebe konfrontiert wird?
"Nathan (ohne Titel)" ist eine öffentliche Versuchsanordnung: Die Zuschauer werden zu Beobachtern, die Akteure zu Probanden. Fragen werden gestellt – die Antworten allerdings muss jeder selbst finden.
mit Ellen Hellwig, Stephanie Schönfeld, Silvia Weiskopf, Sebastian Grünewald (Studio), Martin Reik und Michael Schrodt