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China spiegelt sich im Glas

Bolihua - Historische Hinterglasmalerei aus China / Ausstellung vom 16.12.2016 bis 16.4.2017 im Schloß Werningerode

(lifePR) (Wernigerode, )
Ab dem 16. Dezember zeigt das Schloß Werningerode 135 Werke der Hinterglasmalerei aus der Spätphase der chinesischen Kaiserzeit und aus den ersten Jahrzehnten der 1911 gegründeten Republik. Das Ausstellungsprojekt ist eine kleine Sensation: Noch nie stand die alte chinesische Hinterglasmalerei im Zentrum einer öffentlichen Ausstellung, auch nicht in China. Der Bildband eines chinesischen Sammlers von 2006 ist bisher weltweit der einzige geblieben, und der Begleitband, der demnächst zu dieser Ausstellung im Hirmer Verlag erscheint, wird die erste Monographie zu dem Thema in einer westlichen Sprache sein.

Die neue Ausstellung passt gut zu den Schwerpunkten, die sich das Schloß Werningerode für seine diesjährigen Ausstellungen gesetzt hat: Das 19. Jahrhundert und Asien, wie schon die letzte Ausstellung „Schmuck der Maharajas“. Die Schau ist ferner Bestandteil der erfolgreichen Zusammenarbeit mit den Augsburger Kunstsammlungen. Sie wird im Frühling 2017 nach Augsburg weiterwandern.

Wie sah eine chinesische Telefonistin der 1920er Jahre aus? Und wie räkelte sich eine Kurtisane zwanzig Jahre früher auf ihrem Bett, bedacht darauf, dem Betrachter ihre durch schmerzhaftes Einbinden in eine zierliche Form gebrachten Füße zu zeigen? Gerade das sich wandelnde Bild der chinesischen Frau illustriert, dass diese etwa zwischen 1860 und 1940 entstandenen Bilder eine Zeit des Aufbruchs Chinas in die Moderne widerspiegeln. Manche Landschaften sind noch von der traditionellen Staffage der Angler, Bauern und Reisigsammler bevölkert, andere werden schon von Eisenbahntrassen durchschnitten oder zeigen Dampfschiffe auf Gewässern im Hintergrund.

Doch viele Bilder nutzen auch die neuartige Brillianz der Wirkung von Farben auf der Rückseite von Flachglas dazu, Stoffe zu illustrieren, die den chinesischen Leser und Theaterbesucher seit Jahrhunderten begeistern, sei es die semihistorische „Geschichte der Drei Reiche“ oder die erotischen Fuchsgeister-Novellen eines Autors des 17. Jahrhunderts. Die kunstvoll auf wenige Zeilen heruntergerbrochenen Stories verführen den Besucher dazu, sich länger als üblich in die Bildbeschreibungen zu vertiefen.

Die Malerei hinter Glas begann in China im 18. Jahrhundert, angeregt unter anderem durch die Fertigkeiten der Jesuiten, die als Maler am Pekinger Hof tätig waren, doch die Forschung ist hier erst am Anfang. Paradoxerweise sind die Hinterglasbilder der frühen Periode bis etwa 1820 am besten belegt, da sie von Kanton nach Europa, Nordamerika und Indien exportiert wurden und sich dort seit langem in privaten Sammlungen und Museen befinden. Man kann annehmen, dass viele dieser und später entstandener Hinterglasbilder auch von wohlhabenden Chinesen gekauft wurden, doch durch die Kriege und Wirren im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind die empfindlichen Gläser fast restlos zerstört worden. Wer vor marodierenden Truppen oder vor einer Hungersnot flüchtet, der nimmt Geld und Schmuck mit, aber keine bemalten Glasplatten. So kam es, dass diese Kunst praktisch aus dem Gedächntnis der Chinesen verschwunden ist. Es gibt keine öffentlichen Sammlungen, wenn man von ein paar Dutzend schönen Bildern absieht, die im Pekinger Kaiserpalast an für den Besucher unzugänglichen Stellen erhalten sind, und die auch noch nie publiziert wurden Doch in entlegenen ländlichen Gebieten, die selbst von Maos „Roten Garden“ nicht erreicht wurden, haben sich Bilder erhalten, die jetzt die Aufmerksamkeit einer Handvoll privater Sammler finden.

Es kostete den „Schloßherrn“ Christian Juranek einige Überredungskünste, bis er ein ebenso kunst- wie musikbegeistertes Sammlerehepaar aus Süddeutschland dazu brachte, dem Transport seiner zerbrechlichen Schätze in die Stadt am Harz zuzustimmen. Erst eine Besichtigung der faszinierenden Ausstellungsräume in Verbindung mit einer schönen Freischütz-Premiere im Schloßhof gab den Ausschlag.

Chen Ping, Botschaftsrat für Kultur der Botschaft der Volksrepublik China in der Bundesrepublik Deutschland, richtete nicht nur interessante Grußworte an die Gäste (u. a. mit der Information, dass der jetzige chinesische Wissenschaftsminister in Clausthal-Zellerfeld studiert hat), sondern kam auch später mit den Besuchern ins Gespräch.

Ausstellungsort

Schloß Wernigerode ist mit seiner jahrhundertealten Geschichte um Land und Leute, mit dem eindrucksvollen Umbau im 19. Jahrhundert und seiner erhaltenen Authentizität ein Erlebnis. Den Besucher erwartet das Eintauchen in die Wohnkultur des deutschen Hochadels in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hochwertige Sonderausstellungen in den beeindruckenden Räumen der ehemaligen Gästewohnungen ergänzen sinnig die Erkenntnisse zur Geschichte, zum Kunsthandwerk und zu Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts. Seit 1998 entwickelt sich das Schloß zum ersten deutschen Zentrum für Kunst und Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts, den Zeitraum von 1803 bis 1918 betreffend.

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