Die größte Ferienregion Baden-Württembergs hat sich in einem langen, und oft sehr schwierigen Prozess, eine Strukturreform verpasst, die aus einem zersplitterten Verband mit starken regionalen Einzelinteressen eine zukunftsfähige Marketing-Einheit entstehen ließ. Steuermann dieses Prozesses war Christopher Krull, noch heute Geschäftsführer der Schwarzwald Tourismus GmbH in Freiburg. Als "Kapitäne" sicherten die Vorsitzenden der drei Gebietsgemeinschaften, die Landräte und Bürgermeister den Richtungswechsel politisch ab.
2002 wurde Christopher Krull, damals Geschäftsführer von Tourismus Südlicher Schwarzwald, mit der Bildung der gebietsübergreifenden Schwarzwald Tourismus GmbH beauftragt. Wesentliche Vorgabe war "alle mitzunehmen". Motoren des Prozesses waren die Bürgermeister und Landkreispolitiker, wenn auch der eine oder andere mit angezogener Handbremse das Ziel anzusteuern schien.
Inzwischen ist das Ziel erreicht. Seit Januar 2009 sind die Land- und Stadtkreise der Region Gesellschafter der Schwarzwald Tourismus GmbH (STG). Damit sind nun statt bisher 250 Orte rund 320 unter dem Dach der STG versammelt. Und dennoch ist die STG handlungsfähiger und das politische Gewicht des Tourismus in der Region und der Region im Tourismusland Baden-Württemberg ist noch einmal gewachsen.
Mit einem neuen Logo, einem modernen Markenauftritt, einer neuen Prospektlinie und einem sichtlich gewachsenen Gemeinschaftsgefühl unterstrich die weltweit vielleicht bekannteste Region des Landes im Januar auf der CMT, dass sie sich mit den neuen Strukturen für den Wettbewerb der Regionen gut aufgestellt fühlt.
Der Weg dahin war lang - genau besehen sehr lang: 100 Jahre hat es gebraucht, bis der Schwarzwald sich unter einem einzigen Dach gesammelt hatte. Und dann noch mal gut zwei Jahre, bis daraus die Marketingeinheit für den Gesamtschwarzwald geworden ist, die die Gründerväter des "Badischen Landesverbandes zur Hebung des Fremdenverkehrs" 1906 im Sinne hatten: die Koordinierung der seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Verkehrsvereine im Großherzogtum Baden. Zwei Jahre später wurde in Plochingen die "Württembergische-Hohenzollerische Vereinigung für Fremdenverkehr" mit dem gleichen Ziel für das damalige Königreich Württemberg gegründet.
Die Zugehörigkeit des Mittelgebirges zu zwei politisch unterschiedlichen Strukturen war kennzeichnend für die Infrastruktur- und Tourismusentwicklung bis nach 1945. Und wirkt sich nach Einschätzung außen stehender Beobachter bis heute aus. Auch nach dem 2. Weltkrieg begünstigten die politischen Entscheidungen der Besatzungsmächte eher divergierende Entwicklungen. Auch das Drängen des 1970 im Doppelländle gegründeten "Landesfremdenverkehrsverbandes Baden-Württemberg" auf Bildung eines einheitlichen Tourismusverbandes für den Schwarzwald fruchtete nicht.
Erst als 1974 die 49 Gemeinden im schwäbischen Norden des Schwarzwaldes aus dem Württemberger Verband austraten und unter Federführung von Bürgermeister Robert Traub aus Bad Herrenalb als "Gebietsgemeinschaft Touristik Nördlicher Schwarzwald e. V." (TNS) mit den Städten Karlsruhe und Pforzheim dem Badischen Verband beitraten, existierte ein erster übergreifender Tourismusverband für den gesamten Schwarzwald.
Doch auch im Fremdenverkehrsverband Schwarzwald (FVVS) wollten nicht alle gleich sein: 1987 bildete sich deshalb die "Gebietsgemeinschaft Touristik Mittlerer Schwarzwald und Ortenau" (TMS). 1995 schlossen sich sieben Verkehrsgemeinschaften zur "Gebietsgemeinschaft Tourismus Südlicher Schwarzwald" (TSS) zusammen.
1996 wurde aus dem FVVS der "Schwarzwald Tourismusverband e.V." (STV). Seine rund 250 Mitgliedsgemeinden zwischen Rhein und Neckar, Pforzheim und Lörrach waren zugleich Mitglieder in einer der drei Gebietsgemeinschaften.
Hinterzartens Bürgermeister Hansjörg Eckert gab schließlich als Präsident des modernisierten STV 1999 das neue Ziel vor: eine einzige und einheitliche Gesamt-GmbH als Marketing-Organisation des Schwarzwaldes. Sie sollte stufenweise aus der Struktur heraus gebildet und nicht von außen aufgezwungen werden. Um das Ziel zu erreichen, ließ er schließlich die Verbandsmitglieder die Auflösung des STV und seine Niederlegung des Präsidentenamtes zum Jahresende 2001 beschließen. Mit Auflösung des STV waren die Orte ab 2002 jetzt nur noch Mitglied in ihrer Gebietsgemeinschaft.
Die Vorsitzenden der drei Gebietsverbände gründeten im Rahmen dieser Rochade zum 1. Januar 2002 die neue Schwarzwald Tourismus GmbH (STG). Alleinige Gesellschafter waren die drei Gebietsgemeinschaften. Die erste Stufe der Konzentration von Entscheidungsbefugnissen war geschafft.
Im Juni 2002 wurde TSS-Geschäftsführer Christopher Krull zum Geschäftsführer der STG bestellt. Sein Auftrag: Gemeinsam mit den drei Gebietsgemeinschaften und ihren politischen Entscheidungsträgern die Konzentration der Tourismusorganisationen bis 2006 und danach den Umbau der STG zur schlagkräftigen Marketingorganisation für die gesamte Region voranzutreiben.
Denn der Zielkonflikt lag auf der Hand: Die Gebietsgemeinschaften, die vom aufgelösten STV den Status eines "Mitgliedervereins" geerbt hatten, mussten allen Partikular-Interessen gleichermaßen dienen. Zugleich waren sie die Gesellschafter der aufzubauenden Marketing-GmbH. Eine Marketinggesellschaft jedoch, die mit einem Qualitätsversprechen um Gäste werben will und eine Marke Schwarzwald bilden soll, muss die Leistungen und Qualitäten der Besten in den Vordergrund stellen.
Damit begann 2006 die jüngste Umstrukturierungsphase: Die drei Gebietsgemeinschaften gingen in der STG auf. Damit gab es nun auch keine Mitgliedervereine mehr. Die Vorsitzenden verzichteten auf ihre Präsidentenämter, die Geschäftsführer wurden als Bereichsleiter in die GmbH eingebunden, die Gebietsgemeinschaften leiteten wie eine "Briefkastenfirma" die Beiträge ihrer Orte direkt an die Schwarzwald Tourismus GmbH weiter.
Die STG war so ab 2006 die alleinige Marketingorganisation für den gesamten Schwarzwald - hatte nun aber wieder ein neues altes Problem: Alle Maßnahmen mussten auf die Interessen von gut 250 Orten abgestimmt werden. Die Förderung von "Leuchttürmen" und die Herausstellung der besonderen thematischen Kompetenzen einzelner Regionen oder Orte waren dadurch erheblich erschwert. Verärgerte Bürgermeister konnten mit Austritt und somit Entzug von Marketingmitteln drohen.
In vielen Gesprächsrunden und mit enormen Anstrengungen auf allen politischen und wirtschaftlichen Ebenen ist aber auch hier die entscheidende Weichenstellung gelungen: Die Gebietsgemeinschaften werden in 2009 endgültig abgewickelt, die Landkreise führen seit Januar 09 die Marketingbeiträge für ihre Orte an die STG ab. Die Beiträge orientieren sich an den gewerblichen Übernachtungen im Kreis: 2 Cent pro Übernachtung in den Stadtkreisen, 10 Cent in den Landkreisen.
Die Orte sind seit 2009 von Mitgliedszahlungen an die STG befreit und können nun in ihre eigene touristische In-Wertsetzung investieren. Und für die Arbeit der STG ergeben sich gleich mehrere Vorteile: Kleinere Orte schließen sich zu größeren Einheiten mit einer qualitativ besseren Produktpalette zusammen, was dem Gesamtimage hilft. Der Wettbewerb wird weniger ausgeglichen, was eine klare Positionierung erzwingt. Die Landkreise sind noch stärker als bisher daran interessiert, dass sich ihre Orte mit wettbewerbsfähigen Angeboten einbringen. Die STG kann ihre Aktivitäten stärker an fachlichen und überörtlichen Kriterien ausrichten.
Nicht zuletzt verspricht sich die STG eine stärkere Fokussierung des Marketings, da in den Gremien jetzt nur noch 16 statt 250 Mitglieder zu berücksichtigen sind. Alle 320 Orte der Ferienregion können nun in das Marketing eingebunden werden, Mitgliederschwankungen sind damit nicht zu erwarten, da kaum ein Landkreis komplett aus dem Tourismusmarketing der Region ausscheren kann. Die Finanzierung der STG-Arbeit ist damit nachhaltig gesichert.
Die STG ist somit nach Einschätzung von Marktbeobachtern im Wettbewerb der Regionen modern aufgestellt. Ihre Marketingschwerpunkte für 2009 sind neben den erfolgreich positionierten Profilthemen Wandern und Mountainbiking, der Ausbau des radtouristischen Angebotes und die Verbindung von Kultur- und Genussurlaub. Dazu wirbt die STG im In- und Ausland mit dem modernen Markenauftritt und dem Slogan "herz.erfrischend.echt" für das ursprüngliche, kontrastreiche, entspannende und herausfordernde Urlaubsangebot der Region.
Die neuen Gesellschafter stellen der STG für das Marketing der mehr als 11.000 Quadratkilometer großen Region jährlich 1,6 Mio. Euro zur Verfügung. Dazu kommen Zahlungen des Landes Baden-Württemberg in Höhe von 350.000 Euro und Beiträge von 14 Wirtschaftspartnern aus der Region in Höhe von 120.000 Euro. Zusammen mit den erwirtschafteten Eigeneinnahmen ergibt sich ein Gesamtbudget von 3,42 Mio. Euro, um in aller Welt Gäste für Ferien in "Deutschlands schönster Genießerecke" zu begeistern.
Info: Eine ausführliche Darstellung der Tourismusentwicklung und Verbandsgeschichte bis 2006 bietet die Jubiläumsschrift "100 Jahre Schwarzwald-Tourismus". Sie kann kostenfrei angefordert werden bei Schwarzwald Tourismus GmbH, Ludwigstr. 23, 79104 Freiburg, Telefon 0761.896460.