Am 5. Dezember 2007 war erstmals seit mehr als 25 Jahren ein Luchs im SNP gespürt worden. Dieser Nachweis war ebenso überraschend wie naturschützerisch und wissenschaftlich bedeutungsvoll. Um Fragen nach der Herkunft, dem weiteren Verbleib in der Region bzw. der möglichen Abwanderung zu beantworten, waren die Nationalparkverantwortlichen bestrebt, das Tier einzufangen. Dies ist nun am 22.02.2008 gelungen: Der Luchs, ein junger, aber ausgewachsener Kuder (= männliches Tier) von 24 kg Körpergewicht, tappte in eine Kastenfalle. In der Folge wurde der Luchs narkotisiert und mit einem GPS-Sender ausgerüstet, der automatische Ortungen in variablen Intervallen zulässt. Dem Tier wurden nach einer äusserlichen veterinärmedizinischen Untersuchung Blutproben entnommen, die unter Umständen die Frage nach der Herkunft klären können. Nach rund 90 Minuten war der Eingriff beendet, wobei der Luchs nach Verabreichung des Weckmittels langsam aufstand und das Weite suchte.
Zusammen mit Urs Breitenmoser, heute international anerkannter Katzenexperte, hatte sich der Nationalparkdirektor, Heinrich Haller, bereits in den 1980er-Jahren intensiv mit dem Luchs in der Schweiz beschäftigt. Er freut sich nun, gemeinsam mit seinem Team und in Verbindung mit KORA, Koordinierte Forschungsprojekte zur Erhaltung und zum Management der Raubtiere in der Schweiz, die Spur des Luchses wieder aufnehmen zu können.
Der Luchs ist die grösste einheimische Katze. Sie wurde ab 1971 in der Schweiz wiederangesiedelt und ist heute vor allem in den Nordalpen und im Jura verbreitet. Trotz regional natürlicher Dichte ist der Bestand nach wie vor gefährdet. Dass der Luchs das Engadin bisher nicht wiederbesiedelt hat, ist auf die geringe Ausbreitungstendenz der Art und den schwachen Populationsdruck zurückzuführen. Die ausgedehnten, ruhigen Wälder und der hohe Wildbestand im SNP und im ganzen Engadin bieten dem Luchs ideale Lebensverhältnisse.