Wer von uns kennt keine Angst? Als Kinder und vielleicht sogar noch als Erwachsene, haben uns Alpträume schweißgebadet aufwachen lassen. Wir sind von Monstern, bösen Menschen oder wilden Tieren verfolgt worden, haben Flugzeugabstürze, Autounfälle oder wilde Feuersbrünste gerade eben noch überlebt. Aber auch Verlust- oder Versagensängste, Trennungs- oder Neubeginnängste sind vielen von uns nicht unbekannt. Das alles ist alltäglich und normal. Angst ist eine Energie, eine bestimmte Aufmerksamkeitsmenge für Gefahren und damit auch eine Aufforderung zum Handeln.
Grundsätzlich will uns die Angst zu zwei Möglichkeiten des Handelns animieren:
a) sie fordert uns auf, die Angst zu kontrollieren
b) sie fordert uns auf, die Gefahr (ob vermeintlich oder wirklich) zu kontrollieren
Angst ist also gesund. Sie schärft unsere Sinne. Als Kinder haben wir oft erlebt, dass die Erwachsenen unsere Angst "schnell weggemacht" haben. Sie wurde weggeredet, weggetröstet, weggeschimpft u.v.m. Dadurch konnten wir nicht lernen, Angst als Teil unseres Lebens zu akzeptieren und "etwas aus unserer Angst zu machen". Durch diese Art der Erziehung sind wir verführt, "etwas gegen die Angst zu machen". Wir wollen sie bekämpfen, bewältigen, überwinden, knacken.
Wenn wir versuchen, etwas gegen unsere Ängste zu tun, verdrängen wir sie, bzw. steigern unsere Angst, bis sie womöglich zur Panik mutiert, anstatt zu lernen, mit der Angst um - zugehen. Also, um die Angst herumzugehen, sie von verschiedenen Blickwinkeln aus zu betrachten, ihr zuzuhören, damit wir aktiv leben können, um die Gefahr, die Bedrohung zu kontrollieren.
Was können wir tun?
Der seelisch gesunde Umgang mit der Angst heißt also: Mit der Angst etwas anzufangen, etwas machen, sich ihr stellen.
In unserer Praxis ist die Beziehung zu Angst-Klienten deshalb zuerst geprägt von der Haltung: "Ich kann Ihnen Ihre Angst nicht nehmen, kann sie auch nicht bekämpfen, aber ich bin da, helfe Ihnen zu erkennen, was die Angst Ihnen sagen will."
So ist es möglich, dass Klienten, die z.B. unter Symptomen leiden wie:
- Reizbarkeit und Überempfindlichkeit
- innere Unruhe
- Ständige Müdigkeit
- Heißhunger
- Muskelkrämpfe oder -Verspannungen usw.
erkennen, dass dies Angstsymptome sein können, die sie auf der Körperebene wahrnehmen. Also, die Ängste in den Körper verdrängt haben.
So vielfältig sich das Phänomen Angst bei verschiedenen Menschen darstellt, es gibt nichts, wovor wir nicht Angst entwickeln können. Der eine hat Angst vor Neuem, vor Einsamkeit, vor Menschenansammlungen. Andere bekommen Angstanfälle, wenn sie über eine Brücke oder einen freien Platz gehen sollen. Wieder andere können sich nicht in geschlossenen Räumen aufhalten, mit dem Flugzeug fliegen oder haben gar Angst vor Käfern, Spinnen oder Mäusen. Da muten Ängste vor dem herrschsüchtigen Chef oder der neidischen Kollegin oder vor Krankheit noch recht harmlos an.
Angst tritt immer dort auf, wo wir uns einer Situation nicht gewachsen fühlen. Sie kann uns einerseits aktiv machen, andererseits aber auch lähmen. Es bleibt eine Illusion zu glauben, ein Leben ohne Angst leben zu können. Sie gehört zu unserer Existenz wie der Tod.
Im Coaching zielen deshalb alle Gespräche und Interaktionen darauf, den Klienten zu helfen Mut, Vertrauen, Erkenntnis, Macht, Hoffnung, Glaube und Liebe zu entwickeln. Diese können helfen, die Angst anzunehmen, durch sie hindurchzugehen, um am anderen Ende gestärkt hervorzugehen.
Vorstellungen helfen gegen die Angst
Beispiel aus der Praxis:
Eine 54jährige Bankangestellte hatte wegen ihrer großen Angst vor dem Fliegen Flugreisen bisher vermieden. Nun hatte sie die große Chance ihren Chef in die USA zu begleiten, um dort an einer Fortbildung, die ihr auch eine finanzielle Verbesserung bringen würde, teilzunehmen.
Im Coaching lernte Frau K., in einem Sessel liegend, ihre Muskeln völlig zu entspannen. Entspannung verträgt sich nicht mit Angst. Als sie die Technik der Entspannung beherrschte, stellte sie sich die gefürchtete Flugreise zunächst noch in ganz weiter Ferne vor. Die Vorstellung davon, noch acht Wochen Zeit zu haben, war ihr ohne Angst möglich, und sie blieb entspannt. Die Vorstellung drei Wochen vor dem Flug war schon etwas schwerer zu ertragen. Wenn die Angst sich meldete (mit schweißigen Händen und Herzklopfen) wechselte sie sofort zu einer "ungefährlichen" Vorstellung mit "Angst gleich Null" über. Diese war in ihrem Falle eine Sommerwiese mit bunten Blumen, Schmetterlingen und einem kleinen Badesee, auf dem sie auf einer Luftmatratze liegend auf kleinen Wellen schaukelte.
Allmählich lernte die Angestellte, die angstbesetzten Vorstellungen zu ertragen: eine Woche vor dem Flug, fünf, vier, drei, zwei Tage davor; die Nacht vor der Reise; am Abflugtag auf dem Weg zum Flughafen; das Einsteigen in das Flugzeug; das Vibrieren der Motoren; das Anrollen und Abheben der Maschine.
Frau K. lernte auch die letzten, für sie schwierigsten Angstsituationen in der Vorstellung angstfrei zu ertragen, und in der Wirklichkeit erlebte sie dann einen Flug, den sie beim Rückflug sogar schon genießen konnte.