Was verstehen Sie unter einem Betrieblichen Gesundheitsmanagement?
"Schauen Sie in die Medien. Kaum ein Artikel, eine Reportage, ein Fernsehbericht zum Thema moderne Kommunikationsmittel kommt ohne die Erwähnung von Burnout und Stressmanagement aus. Aktuellen Studien zufolge sind die häufigsten Gründe für Frühverrentung in Deutschland psychischer Natur und die Fehltage wegen seelischer Erkrankungen steigen stetig an. So kann aus einem normalen Arbeitsverhältnis durch die vom Arbeitgeber erwartete Flexibiliät, ständige Erreichbarkeit und die wachsende Mobilität leicht ein 10-Stunden-Tag und eine 7-Tage-Woche werden. Dieser Hetze und dem Druck soll durch das Betriebliche Gesundheitsmanagement entgegengewirkt werden. BGM-Angebote beinhalten Stressprävention und Stressabbau."
Wie sehen ihre BGM-Angebote konkret aus?
"Als betriebliche Vorsorge bieten wir zum einen ein Kursangebot für das Team, zum anderen aber auch wegen der Nachhaltigkeit kontinuierliche Coachings individueller Art für die unterschiedlichen Mitarbeiter. Dabei orientieren wir uns am "Leitfaden Prävention" des GKV Spitzenverbandes. Dieser sieht bezüglich der Förderung von Stressbewältigungskompetenzen sowohl instumentelles, als auch kognitives und zusätzlich pallitiv-regeneratives Stressmanagement vor."
Was kann man sich unter diesen Begriffen vorstellen?
"Instrumentelles Stressmanagement setzt an den Stressoren an, mit dem Ziel, diese zu reduzieren oder ganz auszuschalten. Konkret heißt das, dass z.B. Arbeitsabläufe geändert werden. Dies wiederum setzt beim Mitarbeiter Sachkompetenz, sozialkommunikative Kompetenz und Selbstmanagemenkompetenz voraus. Unsere Arbeit richtet sich im kognitiven Stressmanagement auf eine Änderung der persönlichen Motive, Einstellungen und Bewertungen. Beim palliativ-regenerativen Stressmanagement steht die Regulierung und Kontrolle der physiologischen und psychischen Stressreaktion im Vordergrund."
Und wie genau machen Sie das?
"Sowohl in den Seminaren, als auch in den Einzelcoachings setzen wir immer wieder auf kurzfristige Erleichterung und Entspannung, die auf die Dämpfung einer akuten Stressreaktion abzielen (Palliation). Die Nachhaltigkeit erreichen wir eher über längerfristige Bemühungen, die der regelmäßigen Erholung und Entspannung dienen (Regeneration)."
Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihren Maßnahmen?
"Unsere Arbeit zielt darauf ab, dass die Mitarbeiter keine negative Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit aufgrund von chronischen Stresserfahrungen erleiden. Die Mitarbeiter stärken ihre individuellen Bewältigungskompetenzen durch ein möglichst breites Bewältigungsrepertoire. Außerdem durch eine möglichst hohe Flexibilität im Umgang mit Stressbelastungen. Deshalb setzten unsere Bewältigungsbemühungen auf allen drei oben beschriebenen Ebenen des Stressmanagements an."
Welche Interventionsmethoden nutzen Sie?
"Am häufigsten nutzen wir folgende Methoden:
- Vermittlung von Selbstmanagement-Kompetenzen, wie systematisches Problemlösen, Zeitmanagement und persönliche Arbeitsorganisation,
- Vermittlung von Methoden der kognitiven Umstrukturierung mit dem Ziel der Einstellungsänderung und positiven Selbstinstruktion
- Vermittlung psychophysiologischer Entspannungsverfahren
- Training von selbstbehauptendem Verhalten und sozial-kommunikativer Kompetenzen.
Verhaltensänderungen sind nur möglich und langfristig stabil, wenn sie in den Alltag integriert werden können und mit den jeweiligen Gewohnheiten und Werten übereinstimmen. Deshalb legen wir großen Wert darauf, einen Transfer in den Alltag zu gewährleisten."
Frau Bieber, Herr Seelmann, vielen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch.
*Quellen: Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) / DAK Gesundheitsreport 2012