"Nach Jahren der Kostenoptimierung in Verwaltung und Vertrieb sind die großen Wachstums- und Ertragspotenziale ausgeschöpft. Bei den Versicherern zeichnet sich ein strategischer Wandel ab", prognostizieren Dirk Schmidt-Gallas und Verena Beeck, Branchenexperten bei der internationalen Strategieberatung Simon-Kucher & Partners und Autoren der Studie. Welche Antworten haben die Versicherer auf die Herausforderung parat, ihre Gewinne in den stagnierenden Heimatmärkten zu steigern? Zu dieser Kernfrage bezogen in der Studie Versicherungsmanager in Deutschland, Italien, Spanien, UK, der Schweiz und den USA Stellung. Die Instrumentarien der Versicherer zur Gewinnmaximierung sind begrenzt. In Frage kommen grundsätzlich nur Preiserhöhung, Kostensenkung (Risiko, Vertrieb oder Verwaltung) und Volumenerhöhung.
Die Befragungs-Ergebnisse zeigen: Kundenorientiertes Pricing in der Preissetzung bietet einen der wenigen echten Wettbewerbsvorteile in der Assekuranz. Doch das haben insbesondere die deutschen Versicherer noch nicht erkannt.
Pricing wichtigster Gewinntreiber
Als zentrale Maßnahmen zur Gewinnsteigerung nennen die befragten Versicherer die Erhöhung der Preise und die Senkung der Risikokosten. Das Pricing wird als wichtigster Gewinntreiber erkannt. Doch während die Schweiz und die USA dem Pricing eine sehr hohe Bedeutung beimessen, spielt es in Deutschland und Italien nur eine geringe Rolle. Die Erhöhung des Volumens rangiert in allen Ländern nur in der Mitte der Beliebtheitsskala, denn in schwach wachsenden Märkten gerät der Verkauf von mehr Stücken schnell zum Nullsummenspiel bei intensivem Verdrängungswettbewerb und harten Preiskämpfen. Ausgedient hat auch die Kostensenkung in Verwaltung und Vertrieb, die zentralen Triebfedern für die Gewinnsteigerung liegen woanders, so schätzen die Studienteilnehmer. "Das bedeutet: Im Versicherungsmarkt entscheidet nicht allein die Vertriebspower, sondern intelligente Überlegungen hinsichtlich der Preiselastizitäten, also die erwartete Reaktion des Volumens auf eine Preisänderung", erklärt Branchenexperte Schmidt-Gallas. Interessant sei daher, wie die Manager das Thema Pricing künftig anpacken wollen. Perspektivisch bieten sich drei Möglichkeiten an: die eigene Kostensituation, die Wettbewerber und die Kundensicht.
Kundenorientiertes Pricing anwenden
Die mit Abstand größte Schwankungsbreite in der Beurteilung weist die Kundenorientierung im Pricing auf. Im Gegensatz zu Spanien und Großbritannien, den beiden Märkten mit der höchsten Compound Annual Growth Rate (CAGR) über die letzten drei Jahre, ist für die deutschen Versicherungsmanager kundenorientiertes Pricing kein Thema. Mit dieser Einschätzung ist Deutschland internationales Schlusslicht und das neinahe auch beim Wachstum. "Wohl auch deshalb, weil Kundenorientiertheit nach Meinung der Manager nicht bedeutsam für das Pricing ist", so Beeck. Besser wäre es, sie orientierten sich am britischen Markt, der oft als Trendbarometer herangezogen wird, empfehlen die Studienautoren Schmidt-Gallas und Beeck. "Märkte, die beim Thema Pricing den Kunden im Blick haben, realisieren ein deutlich höheres Wachstum als Versicherer, die sich an ihren eigenen Kosten oder ihren Wettbewerbern orientieren", argumentiert Schmidt-Gallas. Kundenorientiertes Pricing biete einen der wenigen verbliebenen Wachstumsvorteile in der Assekuranz. Nach Empfehlung der Experten von Simon-Kucher ist Pricing dann kundenorientiert, wenn es
- den gesamten Prozess von Wertschöpfung für den Kunden und Wertabschöpfung für den Versicherer umfasst,
- auf einer detaillierten Kenntnis der Kundenbedürfnisse hinsichtlich der Leistungen des Versicherungsprodukts, des Vermittlers und des Versicherers fußt,
- Produkte basierend auf diesen Erkenntnissen geschaffen werden. Denn dann funktioniert auch das Credo "Versicherungen werden gekauft, nicht verkauft" viel besser,
- Preise auf der Basis von Zahlungsbereitschaften für diese einzelnen Leistungen setzt.
Wer also sein Pricing wachküsst, erwirkt einen langfristigen Wettbewerbsvorteil und behält auch - entgegen gängiger "Schnellschüsse" in der Branche - den oft vernachlässigten Aspekt der Nachhaltigkeit im Blick.