ViDia Christliche Kliniken Karlsruhe, das Städtische Klinikum Karlsruhe und das SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach jetzt noch einmal eindringlich auf die prekäre Lage und die möglichen Folgen hingewiesen.
Weil die Ausgaben für die Versorgung der Patientinnen und Patienten Monat für Monat über den festgelegten Einnahmen liegen, sind die Kliniken bzw. ihre Träger dazu gezwungen, immer mehr finanzielle Mittel bereitzustellen, um die medizinische Versorgung der Bevölkerung weiter auf dem gewohnten Niveau gewährleisten zu können. Dies führt zu erheblichen Belastungen der kommunalen Haushalte und der Kliniken selbst.
„Das Städtische Klinikum Karlsruhe erbringt ebenso wie die anderen vertretenen Kliniken eine leistungsstarke medizinische Versorgung und sichert als Maximalversorger wohnortnahe Spitzenmedizin für die Patientinnen und Patienten in der Stadt Karlsruhe und dem Umland“, betont Bettina Lisbach, Bürgermeisterin und Aufsichtsratsvorsitzende des Klinikums Karlsruhe. „Noch kann die Stadt als Trägerin mit großen finanziellen Anstrengungen das Defizit des Klinikums ausgleichen. Mittel- bis langfristig wird die Stadt diese zusätzlichen Ausgaben aber nicht stemmen können, ohne dabei an anderer Stelle schmerzhafte Kürzungen im Haushalt vorzunehmen.“ Für das Klinikum Karlsruhe sind in den Jahren 2024 und 2025 zum Beispiel erstmals jeweils 25 Millionen Euro an Verlustabdeckung im städtischen Haushalt eingeplant.
Auch der Klinikverbund der RKH Gesundheit – der größte Krankenhausverbund in Baden-Württemberg – blickt einer finanziellen Schieflage entgegen. Der Landkreis Karlsruhe ist Gesellschafter der RKH-Krankenhäuser Rechbergklinik in Bretten und Fürst-Stirum-Klinik in Bruchsal, die Teil der Regionalen Klinik Holding sind. Beide Kliniken schreiben zwar bislang unter dem Strich noch keine Defizite, der Landkreis Karlsruhe blickt aber ebenso wie alle anderen Klinikträger mit großer Sorge in die Zukunft. Der Jahresabschluss 2023 hat sich im laufenden Betrieb um rund 6 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert. Das insgesamt noch gute Ergebnis ist aber ausschließlich auf Einmaleffekte wie einmalige Verkaufserlöse zurückzuführen. „Auch bei den Kliniken in Bretten und Bruchsal sind negative Ergebnisse zu erwarten, ohne auskömmliche Finanzierung ist mittelfristig auch im nördlichen Landkreis die Gesundheitsversorgung gefährdet“, betont Landrat Dr. Christoph Schnaudigel, der bei der Pressekonferenz von seinem Finanzdezernenten Ragnar Watteroth vertreten wurde. Schnaudigel gibt zu bedenken, dass eine solche Entwicklung gerade in ländlichen Gebieten mit meist weiteren Wegstrecken zu Kliniken voller Sorge betrachtet wird. Hinzu komme, dass durch Entscheidungen wie die Schließung der ärztlichen Bereitschaftspraxis in Waghäusel-Kirrlach der Druck auf die Kliniken weiter steige. „Wenn sich von der kassenärztlichen Vereinigung bis hin zu Bund und Land alle aus der Verantwortung für die Gesundheitsversorgung zurückziehen, kann nicht erwartet werden, dass der Landkreis dies alles auffangen kann,“ so Schnaudigel, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Kliniken des Landkreises Karlsruhe ist.
Die angespannte Situation bestätigt auch Finanzdezernent Watteroth: „Zu den anwachsenden Defiziten im operativen Geschäft kommen die notwendigen Finanzierungen der Sanierungen und Erneuerungen an den Landkreis.“ Er verdeutlicht: „Hier muss ebenfalls die kommunale Seite zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Ohne moderne Krankenhäuser kann der medizinische Versorgungsanspruch in der Fläche nicht aufrechterhalten werden.“
„Wenn sich die Krankenhausfinanzierung im Zuge der geplanten Krankenhausreform – die wir grundsätzlich begrüßen – nicht deutlich verändert, werden die Kliniken dauerhaft ‚am Tropf der Träger‘ hängen. Das bedeutet für die Stadt Karlsruhe eine immer schwerwiegendere finanzielle Belastung“, fasst Bürgermeisterin Bettina Lisbach zusammen. „So lange Bund und Länder keine zufriedenstellende Lösung für die Kompensation der massiv gestiegenen Kosten vorlegen, müssen Kommunen wie die Stadt Karlsruhe in die Bresche springen und die Defizite der Kliniken über schmerzliche Einschnitte an anderer Stelle kompensieren.“
Woher kommen die finanziellen Probleme der Kliniken?
Die finanzielle Situation der Kliniken hat sich über die vergangenen Jahre extrem zugespitzt. „Wir sind in einer bedrohlichen wirtschaftlichen Notlage“, betont Markus Heming, Kaufmännischer Geschäftsführer des Klinikums Karlsruhe. Die Probleme führt er vor allem auf vier Punkte zurück:
- Inflation: Die gestiegene Inflationsrate in den vergangenen Jahren (2022: 6,9 Prozent, 2023: 5,9 Prozent) hat in vielen Bereichen zu massiven Preiserhöhungen geführt. Diese Kostensteigerungen müssen die Kliniken in großen Teilen selbst stemmen, da sie nicht einfach die Preise erhöhen können. Die Einmalzahlungen, die durch die Bundespolitik geleistet wurden, gleichen die Lücke nicht aus.
- Gestiegene Personalkosten: Bislang werden aus Tariferhöhungen resultierende Personalkostensteigerungen nicht ausreichend refinanziert. Dazu kommt, dass die Löhne in Baden-Württemberg über dem Bundesdurchschnitt liegen, die Vergütung der Kliniken (Landesbasisfallwerte) bundesweit aber praktisch einheitlich ist. Das führt zu einer Diskrepanz, die die Kliniken ausgleichen müssen.
- Fallzahlen: Aktuell sinken die Fallzahlen und damit die Erlöse der Klinken, während die Fixkosten fallunabhängig gleichbleiben.Dieser Umstand wird von der Politik in seiner Finanzierung nicht angemessen berücksichtigt.
- Defizit: Das größte Problem ist, dass die Defizite aus den Vorjahren nicht frühzeitig ausgeglichen wurden und diese nun nicht nur weitergetragen werden, sondern auch anwachsen. „Damit die Kliniken weiterhin zuverlässig Patientinnen und Patienten versorgen können, ist ein sofortiger Ausgleich dieser Finanzierungslücke notwendig“, unterstreicht Heming. „Um die Inflationslücke aus den vergangenen Jahren zu kompensieren, benötigen wir eine außerplanmäßige, aber dauerhafte Erhöhung der Landesbasisfallwerte um circa 4 Prozent.“
Diese Unterfinanzierung der Kliniken könne letztendlich zu Einschnitten in der gesamten regionalen Gesundheitsversorgung führen. „Wir wollen weiter moderne, zukunftsfähige Versorgungsstrukturen für unsere Patientinnen und Patienten bieten. Dass wir Reformen in der Kliniklandschaft brauchen und zum Beispiel Doppelstrukturen effizienter gestalten, ist notwendig und sinnvoll. Ein solcher Wandel muss aber durchdacht und geplant werden“, so Heming. Die aktuelle finanzielle Misere begünstige dagegen einen „kalten Strukturwandel“.
Karlsruher Kliniken: Umfassende Strukturbereinigung in Eigenregie durchgeführt
Strukturelle Anpassungen und Kooperationen stehen bei den Karlsruher Kliniken bereits seit Jahren auf der Tagesordnung. Dazu zählen beispielsweise die Fusion der St. Vincentius-Kliniken mit dem Ev. Diakonissenkrankenhaus zu den ViDia Kliniken im Jahr 2016, die erfolgte Konsolidierung medizinischer Leistungen sowie der kontinuierliche Ausbau klinikübergreifender Kooperationen gemeinsam mit dem Städtischen Klinikum Karlsruhe.
Die Kliniken haben damit bereits eine umfassende Strukturbereinigung in Eigeninitiative umgesetzt, was sich mit Blick auf die Kliniklandschaft in der Stadt verdeutlicht. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und erbringen eine hoch spezialisierte und wohnortnahe Spitzenmedizin für die Patientenversorgung in der Stadt und der Region mit engagierten Mitarbeitenden. Was wir anlässlich der anstehenden Reformdebatten allerdings jetzt sofort brauchen, ist der Dialog zwischen Bund und Land und eine zuverlässige Zusage für eine schnelle Überbrückungsfinanzierung bis zum Greifen der in Aussicht gestellten Finanzierungsreform“, stellt Caroline Schubert, Vorständin der ViDia Christliche Kliniken Karlsruhe, klar. „Ohne den Dialog mit den Akteuren vor Ort zur sinnvollen Ausgestaltung der Versorgungsangebote werden wir eine kalte Strukturbereinigung erleben, die vor allem das Personal in den Kliniken durch eine erhöhte Arbeitsbelastung trifft und damit auch für die Patientinnen und Patienten spürbar sein wird“, ergänzt sie.
Schon jetzt seien Belastungsspitzen in den einzelnen Bereichen der Versorgung deutlich erkennbar. Im Jahr 2016 gab es beispielsweise noch vier Notaufnahmen für das Stadtgebiet in den Allgemein-Kliniken. Heute wird die Versorgung durch zwei Notaufnahmen für die mehr als 300.000 Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt sichergestellt – und das bei gleichbleibendem Patientenaufkommen.
Was fordern die Kliniken?
Die Karlsruher Kliniken fordern den Kampf der Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern endlich zu beenden. „Ein Gegeneinander der Politik kann für unsere Gesundheitsversorgung nicht förderlich sein und ist unverantwortliches Handeln. Das Schwarze-Peter-Spiel zwischen Bund und Ländern muss aufhören“, sagt Jörg Schwarzer, Geschäftsführer des SRH Klinikums Karlsbad-Langensteinbach. Mitarbeitende in Krankenhäusern, Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige tragen seit Jahren ihren Teil dazu bei, das System zu stützen – nun sei auch die Politik gefordert, so Schwarzer weiter. Bereits jetzt bestünde eine enge Zusammenarbeit der Karlsruher Kliniken im Sinne einer durchdachten Neugestaltung der Gesundheitsversorgung für die Region.
Bund und Länder müssen ihrer Verantwortung nachkommen und gemeinsam eine sinnvolle Krankenhausreform umsetzen, fordern die Karlsruher Kliniken. Der Bund trägt die Verantwortung für die Betriebskostenfinanzierung und die Länder für die vollständige Investitionskostenfinanzierung sowie die Krankenhausplanung. Diese drei tragenden Säulen sind notwendig für einen patientenorientierten und ressourcenoptimierten Krankenhausbetrieb.
„Wir brauchen dringend Klarheit, wie die Reform konkret aussehen wird und was das konkret für die jeweilige Klinik bedeutet. Ohne Klarheit können wir derzeit keine längerfristigen Entscheidungen, beispielsweise Investitionsentscheidungen, treffen,“ erklärt Schwarzer die aktuelle Situation. Die Karlsruher Kliniken bemängeln, dass jegliche seriösen Grundlagen für Wirtschaftlichkeitsberechnungen fehlten. Diese unklaren Verhältnisse verunsicherten insbesondere Mitarbeitende aber auch Patientinnen und Patienten.
Bis zu 30 Prozent ihrer Arbeitszeit verwenden Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte aktuell für die Dokumentation. „Trotz steigendem Fachkräftemangel werden tausende von Stunden jährlich für Dokumentation aufgebracht. Zeit, die Patientinnen und Patienten keinerlei Nutzen bringen“, kritisiert Schwarzer.
Bundesgesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach und viele Politikerinnen und Politiker formulieren seit Jahren, dass die Bürokratie im deutschen Gesundheitswesen reduziert werden soll. „Nichts ist passiert! Im Gegenteil. Das Kernelement der Lauterbach-Reform, die sogenannten Leistungsgruppen, sind an sehr komplexe Strukturmerkmale geknüpft, die eine Klinik vorhalten muss. Diese Anforderungen müssen erfasst und dokumentiert werden, sodass eher mehr als weniger Bürokratie droht,“ so Schwarzer.
Die Kliniken interpretieren die zusätzlichen Dokumentationsforderungen als Misstrauen. „Leider wäre das der falsche Rahmen. Nur mit gegenseitigem Vertrauen werden wir die komplexen Herausforderungen im Sinne der Patientenversorgung lösen können.“