Zum 99. Jahrestag dieses historischen Ereignisses, gedachten die Sudetendeutschen in einer Feierstunde im Haus der Heimat in Stuttgart den Opfer und erinnerten so auch an das Selbstbestimmungsrecht der Völker.
Unter den zahlreichen Besuchern, die der Einladung zur Feierstunde zum Gedenken an den 4.März 1919 gefolgt waren, konnte der Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft Baden- Württemberg, Klaus Hoffmann, auch wieder eine große Anzahl von Ehrengästen begrüßen, wie den CDU-Landtagsabgeordneten Konrad Epple, die Leitende Ministerialrätin aus dem baden-württembergischen Innenministerium, Dr. Christiane Meis, den Oberbürgermeister der Stadt Backnang, Dr. Frank Nopper, die Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen Baden-Württemberg, Stadträtin Iris Ripsam, die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Nord, Sabine Mezger, den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Sing-, Tanz- und Spielkreise in Baden-Württemberg e.V., Reinhold Frank, den Sprecher der Südmährer, Franz Longin, den Vater von „Stuttgart 21“, Professor Dr. Gerhard Heimerl sowie von der Sudetendeutschen Landsmannschaft Stuttgart, Kreisobfrau Waltraud Illner.
Ein besonderer Gruß galt jedoch dem Präsidenten der Sudetendeutschen Bundesversammlung, Reinfried Vogler, der in der von Verena Spieß und Martin und Herbert Preisenhammer musikalisch umrahmter Feierstunde, die Gedenkrede hielt.
Nachdem Landesobmann Klaus Hoffmann in seinen Eingangsworten bereits auf die geschichtlichen Umstände, die zu den Ereignissen des „4.März 1919“ geführt hatten, eingegangen war, beleuchtete Gedenkredner Reinfried Vogler in seiner Ansprache die gesamte Dimension der Geschichte der Sudetendeutschen. „Meist werden wir Sudetendeutschen nur mit den Jahren 1938, 1939 und 1945 in Verbindung gebracht, dabei begann unsere Geschichte schon viel früher“, so Reinfried Vogler, der auch Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen ist. Bereits im Laufe des Ersten Weltkrieges von 1914 bis 1918, der von den unterschiedlichsten Kriegszielen der Krieg führenden Nationen geprägt war, fanden sich zwei tschechische Politiker zusammen, die auf einen tschechoslowakischen Nationalstaat hinarbeiteten, Tomas Masaryk und Edvard Beneš. Hatte Masaryk bereits vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges von der Errichtung eines tschechischen Nationalstaates gesprochen, tat Beneš das Seinige dazu und erwirkte im Jahre 1917 die Aufstellung einer Tschechoslowakischen Legion, mit der die Erlangung der Unabhängigkeit von Österreich-Ungarn sowie die Anerkennung als souveräner und selbständiger tschechoslowakischer Staat erreicht werden sollte. Und sie hatten Erfolg. Ungeachtet des 14-Punkte-Programms des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson vom Januar 1918, wo es unter Punkt 10 heißt, das „den Völkern Österreich-Ungarns, deren Platz unter den Nationen wir geschützt und gesichert zu sehen wünschen, die freieste Gelegenheit zu autonomer Entwicklung zugestanden werden soll“, gründeten Tomas Masaryk und Edvard Beneš noch während des Ersten Weltkrieges am 28.Oktober 1918 die Tschechoslowakei. In den überwiegend von Deutschen besiedelten Grenzgebieten Böhmens, Mährens und Mährisch-Schlesiens lehnte die Mehrheit der Bevölkerung den neuen Nationalstaat jedoch ab und berief sich auf das von Woodrow Wilson in seinen 14-Punkten proklamierte Selbstbestimmungsrecht der Völker. Die tschechische Seite reagierte jedoch mit Gewalt, besetzte die deutschen Gebiete und es kam zu vereinzeltem Widerstand, der 14 Deutschen das Leben kostete. Hatten die Reichstagsabgeordneten aus dem Sudetenland die Republik Deutschösterreich im Oktober 1918 als Mitglieder der Provisorischen Nationalversammlung in Wien mit begründet und noch im November des gleichen Jahres für die Einführung der Republik und den Zusammenschluss mit Deutschland gestimmt, mussten sie sich nun der militärischen Gewalt des neuen tschechoslowakischen Nationalstaates beugen. Als Bürger 2.Klasse behandelt, wünschten sich die Sudetendeutschen einen Anschluss an Deutsch-Österreich und demonstrierten so am 4.März 1919 in zahlreichen Städten des Sudetenlandes friedlich gegen die Nichtzulassung zu den Wahlen zur Provisorischen Nationalversammlung der Republik Österreich im Februar 1919, gegen die Eingliederung in die neu gegründete Tschechoslowakische Republik und für den Verbleib in der Republik Österreich, deren Forderungen nach Selbstbestimmung jedoch durch Schüsse paramilitärischer tschechischer Einheiten ein gewaltsames Ende fanden.
Es folgten die 20er und 30er Jahre, die geprägt waren von einer Tschechisierungspolitik gegen die deutsche Bevölkerung, die schließlich zu einer Sammlungsbewegung unter den Sudetendeutschen führte und zur Gründung der Sudetendeutschen Partei. Reinfried Vogler schilderte in seiner Ansprache auch in aller Ausführlichkeit die geschichtlichen Hintergründe des „Münchner Abkommens“ von 1938 und die „Errichtung des Protektorats Böhmen“ im Jahre 1939, wobei Letzteres von den Sudetendeutschen nicht gewollt wurde.
Doch auch Edvard Beneš war weiter am Werk, der aus seinem Exil in London nun seinen Plan verfolgte, die Tschechoslowakei in den Grenzen von 1937 wiederherzustellen und die insgesamt 3,4 Millionen Deutschen vollständig zu vertreiben. Dabei spielte Beneš, Präsident einer tschechischen Exilregierung, die Alliierten geschickt gegeneinander aus und erreichte die Zustimmung für seine Pläne, als deren Folge es bereits im Mai 1945, also lange vor den Potsdamer Beschlüssen zu „einer geordneten Aussiedlung“, zu wilden Vertreibungen der deutschen Bevölkerung kam. Seine brutale Politik gegen die Deutschen, machte Edvard Beneš bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Prag im Mai 1945 deutlich, als er vor einer begeisterten Menge verkündete, das „es notwendig sei, insbesondere kompromisslos, die Deutschen in den tschechischen Ländern und die Ungarn in der Slowakei völlig zu liquidieren, soweit diese Liquidierung im Interesse des einheitlichen Nationalstaates der Tschechen und Slowaken überhaupt nur möglich ist. Unsere Losung muss es sein, unser Land kulturell, wirtschaftlich und politisch endgültig zu entgermanisieren.“
Landesobmann Klaus Hoffmann, der in diesem Zusammenhang nochmals mit Nachdruck forderte, dass die im Oktober 1945 erlassenen und bis zum heutigen Tage noch geltenden Vertreibungsdekrete des Edvard Beneš endlich aufgehoben werden, dankte Reinfried Vogler für seine Gedenkrede und rief dazu auf, weiterhin für die Heimat einzustehen und nachfolgenden Generationen von der Sudetendeutschen Sache zu überzeugen.