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Anne Frank ist in Zef Bunga verliebt

Ad de Bonts Stück "Anne und Zef" ist eine Ode an die Träume/Premiere am 16. April in der BOXX

(lifePR) (Heilbronn, )
Was gibt es im Alter von 15 Jahren Schöneres, als mit Freunden zusammen zu sein, die Liebe zu entdecken und die Welt für sich zu erobern? Unvorstellbar, wie es ist, wenn man sich in diesem Alter verstecken muss und das Haus nicht verlassen darf.  Der preisgekrönte und international erfolgreiche Jugendtheaterautor Ad de Bont aus Holland bringt zwei junge Menschen aus unterschiedlichen Epochen im Spiel zusammen, die Gefangene und letztlich Opfer zweier unmenschlicher Systeme waren: die am 31. März 1945 von den Nationalsozialisten in Bergen-Belsen ermordete Jüdin Anne Frank und den ebenfalls fünfzehnjährigen  Zef Bunga aus dem heutigen Albanien, der Opfer der Blutrache wurde. Mit den Mitteln des Theaters schenkt er diesen zwei jungen, lebenshungrigen Menschen ein neues Leben und die Chance auf die Liebe. Premiere von "Anne und Zef" ist am 16. April um 20 Uhr in der BOXX. Regie führt Oliver Wronka, für die Ausstattung ist Nina Wronka verantwortlich. Mit zum Inszenierungsteam gehört Videodesigner Tim Rizzo, der Teile des Stückes als Graphik-Novel erzählt. Anastasija Bräuniger spielt Anne, Manuel Sieg ist Zef, Raik Singer spielt Zefs Vater und Cosima Greeven seine Mutter.

Zum Inhalt

Zef Bunga lebt in Albanien und ist seit zwei Jahren in seinem Haus eingesperrt, weil in seiner Heimat das Gesetz der Blutrache herrscht und seine Familie seit 10 Jahren in Blutfehde mit einer früher befreundeten Nachbarsfamilie lebt. Sobald er das Haus verlässt, schwebt er in Lebensgefahr. Während Zefs Vater aus diesem Wahnsinn aussteigen will, beugt sich seine Mutter bedingungslos dem alten, mündlich überlieferten Gesetz des Kanun, das seit dem Mittelalter das Zusammenleben der Menschen in Albanien regelt. Jeder Mord wird wegen der Familienehre mit einer neuen Tötung gerächt, es hört nie auf: "Blut um Blut". Als Zef es in seiner Isolation nicht mehr aushält und er das Haus verlässt, erschießt ihn der Nachbarssohn, der früher sein bester Freund war.

 Nach dem Tod kommt er in eine andere Welt und trifft dort auf ein Mädchen, das ihn bezaubert und ihm merkwürdig bekannt vorkommt. Es ist Anne Frank, deren Tagebücher er in seiner eigenen Gefangenschaft gelesen hat - mit immer größerer Faszination, weil sie in ihrem Versteck in einem Amsterdamer Hinterhaus ähnliche Erfahrungen beschrieben hat, wie er sie gerade erlebt. Auch sie war zwei Jahre lang eingesperrt, bevor ihr Versteck verraten wurde, und die Familie kam ins Konzentrationslager, wo Anne Frank an Typhus starb. Die beiden sind Schicksalsgenossen. Sie erzählen sich ihre Geschichten, entwickeln Vertrauen zueinander und verlieben sich.

Der Autor Ad de Bont kombiniert das durch ihr Tagebuch weltberühmt gewordene Schicksal von Anne Frank mit dem von einem der vielen Jungen aus Albanien, die sich zur Zeit jahrelang wegen Blutrache-Fehden ihrer Familien versteckt halten müssen - rund 20 000 junge Männer sollen betroffen sein.

"Der Holocaust war eine Vernichtungsmaschinerie, die mit nichts zu vergleichen ist. Aber auch im Gesetz der Blutrache sitzt ein starkes systematisches Element. Ich habe nach der Personifizierung der Folgen solcher Systeme gesucht, in zwei jungen Menschen, Anne und Zef. Eine Liebesgeschichte als Gegenkraft zu Vernichtung." (Ad de Bont)

Niederländisch-Deutscher Kinder- und Jugenddramatikerpreis für "Anne und Zef"
Für "Anne und Zef" erhielt Ad de Bont im März 2010 den 12. Niederländisch-deutschen Kinder- und Jugenddramatikerpreis. In der Begründung der Jury heißt es: "Die Wahl, diese beiden großen Geschichten zu verknüpfen, ist ebenso überraschend wie genial. Zwei junge, zerbrochene Leben können im Kontext dieses Stückes noch eine Weile weiter träumen, noch einen kleinen Teil der Schönheit dessen, was ihr Leben war, genießen. [...] Der Text ist aufrüttelnd in seinen aufgezeigten Gegensätzen, klar in seinen leidenschaftlichen Darlegungen und humorvoll durch einige fast kabaretthafte Darbietungen. Es ist sorgfältig komponiert und ein neuer Höhepunkt in der Karriere von de Bont. Wir können nicht anders, als diesem brillanten, ergreifenden Text den ersten Preis zu geben. Anne und Zef ist gegenwärtig und unvermeidlich. Anne und Zef ist eine Ode an Träume, die nie verfliegen."

"Anne und Zef"- Themenwoche vom 27.04. -30.04.
Vom 27.04.- 30.04. gibt es zusätzlich zu den Vorstellungen eine Themenwoche zum Stück "Anne und Zef" mit mehreren Veranstaltungen:
- Eröffnung der Ausstellung "Kinder haben Rechte" am 27.04. um 18 Uhr im BOXX-Foyer in Zusammenarbeit mit UNICEF
- 27. und 28. April zwischen 14-16 Uhr; 30. April 8.30-10.30 Uhr - interaktiver Rundgang durch die Ausstellung mit anschließender Lesung aus dem "Tagebuch der Anne Frank"
- Sehnsucht: Luft und Lachen: Theaterprojekt mit Jugendlichen zu "Anne Frank"
Proben vom 28.-30. April; Präsentation am 30. April um 17 Uhr

Ad de Bont
geboren 1949 in Waspik, lebt in Haarlem bei Amsterdam. Ad de Bont ist eine der einflussreichsten und prägendsten Persönlichkeiten des zeitgenössischen Kindertheaters. Seit 1982 ist er künstlerischer Leiter der Gruppe Wederzijds in Amsterdam, mit der er an die 20 Theaterstücke entwickelte. Seit 1986, als der Verlag die Weltrechte des international noch Unbekannten übernahm, hat es weltweit an die 300 Inszenierungen seiner Theaterstücke in zehn Sprachen gegeben. MIRAD, EIN JUNGE AUS BOSNIEN aus dem Jahr 1993 ist ein Meilenstein des politischen Kindertheaters und wurde in über 125 Produktionen in aller Welt gespielt, von Calgary bis Singapur, von Montevideo bis Belfast.

Auszeichnungen:

2013 Niederländisch-deutscher Kinder- und Jugenddramatikerpreis
2012 Jugendtheaterpreis Baden-Württemberg
2012 Taalunie Toneelschrijfprijs
2010 Niederländisch-deutscher Kinder- und Jugenddramatikerpreis (Hauptpreis)
2009 Preis der ASSITEJ
2007 Ridder in de Orde van Oranje-Nassau
1998 Deutscher Kindertheaterpreis
1994 First International Ostakino Prize

Oliver Wronka (Regie)

Oliver Wronka wurde 1973 in Freiburg im Breisgau geboren. Nach einem Romanistik- und Anglistikstudium an der dortigen Universität erhielt er seine künstlerische Ausbildung an der renommierten Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch (Berlin) im Studienfach Schauspiel. Direkt nach seinem Abschluss war er von 2000 bis 2002 festes Ensemblemitglied im Schauspielhaus Zürich, und arbeitete dort u.a. mit Christoph Marthaler und Stefan Pucher zusammen. Sein weiterer Weg führte ihn als freischaffender Schauspieler nach Karlsruhe, Berlin (Deutsches Theater, Maxim-Gorki-Theater) und Leipzig. An das Junge Staatstheater Wiesbaden wurde er 2006 engagiert. 2009 machte er mit 'Sophiechen und der Riese' seine erste Regiearbeit für das Junge Staatstheater. Von 2010-2014 war er zusammen mit Stefan Schletter einer der beiden Leiter des Jungen Staatstheaters Wiesbaden und inszenierte viele Stücke, u.a. 'Die Glücksfee', 'Die Schneekönigin' und 'Pinocchio'.

Hintergrundinformationen zu Kanun und Blutrache in Albanien
Der Kanun ist eine Sammlung mündlich überlieferter Gesetze, deren Ursprünge mindestens bis ins Mittelalter, möglicherweise sogar bis in die Bronzezeit zurückreichen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die bis dato immer mündlich von den Vätern an die Söhne weitergegebene Sammlung von ca. 1200 Gesetzesartikeln erstmals niedergeschrieben.

Vor allem in den abgeschnittenen Bergregionen Nordalbaniens regelt der Kanun über Jahrhunderte alle Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Während der Fremdherrschaft durch die Osmanen und die Griechen wirkte der Kanun identitätsstiftend und keiner der herrschenden Mächte gelang es, ihr Rechtssystem durchzusetzen. Eine Unterbrechung gab es während der Kommunistischen Diktatur. Hier wurden die staatlichen Gesetze konsequent eingehalten und es gab kaum Fälle der Blutrache. Doch mit dem Machtvakuum nach dem Ende des Kommunismus begannen die Menschen sich wieder am alten Gewohnheitsrecht zu orientieren. Insbesondere die Blutrache nahm wieder zu. 

Die kleinste gesellschaftliche Einheit in Nordalbanien ist die Großfamilie, in der meist drei Generationen zusammenleben und die vom ältesten Mann geleitet wird. Er spricht in der Familie Recht, vertritt sie nach außen und ist für die Taten all seiner Familienmitglieder verantwortlich. Frauen, die in die Familie einheiraten, bleiben jedoch Mitglied ihrer Herkunftsfamilie. Wenn sich Großfamilien teilen, bilden sie Bruderschaften, die vom Ältesten des Stammhauses geführt werden. Der Verband der Bruderschaften bildet den Stamm. Dieser ist das oberste politische Organ der Rechtsprechung. Hier werden die Konflikte geregelt.

Blutrache

Wird heute vom Kanun gesprochen, liegt das Augenmerk weniger auf der Gesamtheit der Regeln für das Zusammenleben, sondern auf der Blutrache.

Tötet ein Mann ein Mitglied einer anderen Familie fällt er damit in "das Blut des Opfers". Er verliert seine körperliche Integrität und läuft Gefahr, selbst getötet zu werden. Der Teufelskreis der Blutrache beginnt. Ursprünglich galt die Blutrache nur für den Täter, später wurde sie auf alle männlichen Angehörigen der Familie ausgedehnt. Frauen und Kinder sind eigentlich davon ausgenommen. Allerdings wird heute manchmal beobachtet, dass die Blutrache auch an ihnen verübt wird. 

Da "das Blut nie verloren geht", folgt auf eine Blutrache zwingend eine neue. Ist die Familie des Opfers nach der ersten Tötung "Herr des Blutes" fällt sie nach vollzogener Blutrache ihrerseits ins Blut der Familie des ersten Täters. Wer getötet hat, muss der Familie des Opfers bekannt gegeben werden. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als zur Blutrache zu schreiten, da ein Verzicht von der Gemeinschaft als unehrenhaft angesehen wird.

Auch Ehrverletzungen werden mit dem Tod gesühnt. Wem die Ehre geraubt wird, dem gesteht der Kanun das Recht des Verzeihens zu, aber auch das Recht, das "schwarze Gesicht der Unehre wieder rein zu waschen". Wenn dies durch Tötung geschieht, zieht dies meist wieder die Blutrache nach sich. Zur Verletzung der persönlichen Ehre zählt die Schändung oder Entführung der Ehefrau, die Zerstörung der Waffe, die öffentliche Bezichtigung der Lüge oder der Bruch der Treue. 

Männer der Familien leben eingeschlossen in ihren Häusern

Der Kanun zwingt im heutigen Albanien hunderte Familien in ihren Häusern zu bleiben. Dies ist der einzige Ort, wo sie vor der Blutrache sicher sind. Rund 20 000 Männer sollen gezwungen sein, sich ausschließlich in ihren Häusern aufzuhalten. Sie leben im Stillstand, eingeschlossen, eigentlich fast wie lebendig begraben. Ungefähr 1200 Kinder wachsen ohne Schulbildung auf. Während die betroffenen Männer vom sozialen Leben ausgeschlossen sind, erledigen ihre Frauen alle Arbeit und die Mädchen gehen zur Schule. 

Das Komitee zur nationalen Aussöhnung, eine Nichtregierungsorganisation, versucht mit unterschiedlichem Erfolg zwischen den rund 1600 Großfamilien Familien zu vermitteln, die von Blutrache betroffen sind. Rund 10 000 Menschen wurden seit 1990 in Albanien im Namen der Blutrache ermordet. 

"Es ist einfacher eine Autobahn zu bauen, als zwei Familien miteinander zu versöhnen, die im Blut stehen". (Avdi Cena, Mittler im Auftrag des Komitees zur nationalen Aussöhnung)

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