Mit Sema Meray hat das Theater eine Autorin und Regisseurin gewinnen können, die nicht nur ein bekanntes Film- und Fernsehgesicht ist, sondern sich aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen sehr engagiert mit dem Leben ihrer türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Deutschland beschäftigt. 2005 schrieb sie das Theaterstück "Wegen der Ehre" über Yale, eine in Deutschland geborene Türkin, die sich von ihrem ungeliebten Ehemann trennt, ihr Leben selbstbestimmt führen will und dafür von ihrer eigenen Familie mit dem Tod bedroht wird. Ganz klar formuliert Sema Meray ihr Urteil: "Es gibt keinen Ehrenmord und keinen Eifersuchtsmord. Es gibt nur Mord." Auch in vielen politischen Kommentaren zum Thema Integration vertritt sie eine Haltung, gegen die viele ihrer Landsleute, die den alten Traditionen verhaftet sind, opponieren. So fordert sie ein Ende der "falschen Toleranz gegenüber demonstrativ integrationsunwilligen türkischen Mitbürgern". Besonders schwierig, sich in der westlichen Welt zurecht zu finden, sei es für junge türkische, muslimische Männer, die von ihren Vätern die Verantwortung für die Familienehre aufgebürdet bekommen, deren "Ehrenkodex" aber permanent mit den westlichen Werten kollidiert. "Die meisten verstehen sich selbst nicht", schrieb Sema Meray in einem Kommentar in der "Welt" (21.06.2010) Und so untersucht sie in ihrem Stück "Die Leiden des jungen Osman" die Rolle der jungen türkischen Männer in Deutschland.
Zum Stück "Die Leiden des jungen Osman"
OSMAN ist der 19jährige Sohn türkisch-muslimischer Eltern. Er hat eine sieben Jahre ältere Schwester, die er abgöttisch bewundert. Sie ist das Gegenteil von ihm, forsch, risikobereit und lebensfreudig.
HÜLYA studiert und schert sich immer weniger um die Regeln der türkischen "Community". Sie unterstützt Osman, ebenfalls ein Studium zu beginnen, denn er interessiert sich schon lange für das Schreiben ... Literatur und Journalismus wäre genau sein Ding, aber
EKREM, sein Vater, hat andere Pläne für ihn... Ekrem ist der Inhaber eines Exportgeschäftes, das er vor dreißig Jahren aufgebaut hat. Er kann als Kleinunternehmer seine Familie gut davon unterhalten. Außerdem ist er durch den täglichen Umgang mit seinen türkischen Landsleuten gut vernetzt in seiner "Community". Wenn sein Sohn unbedingt studieren will, dann BWL, dann kann er den Laden weiterführen und vielleicht sogar ausbauen. Je älter Ekrem wird, desto mehr ist ihm seine Kultur wichtig, denn er denkt über das Alter und den Tod nach. Auch seine Frau ...
ZELIHA hält sich von den deutschen Mitbürgern zurück. Ihr missfallen die Freiheiten, die sich junge deutsche Mädchen herausnehmen. Besonders im Umgang mit ihrer Tochter fallen ihr die "modernen westlichen Attitüden" unangenehm auf, denen Hülya nacheifert und sich immer mehr der elterlichen Kontrolle entzieht. Einzig Osman, der ihr immer respektvoll entgegentritt, ist ihr "Augapfel", auf den sie nichts kommen lässt. Gerade als Zeliha mal wieder einen Machkampf mit ihrer Tochter hat, entdeckt sie, dass Osman für seine Schwester lügt. Sie schätzt Hülyas Einfluss auf Osman gar nicht. In diese Überlegungen trifft ...
OLIVER, der ehemals beste Schulfreund Osmans, ein. Osman ist erstaunt, denn seit einem Jahr hatte er keinen Kontakt zu Oliver, er war einfach untergetaucht und plötzlich steht er in der Tür ... allerdings völlig verändert. Die Ereignisse um Hülya gipfeln in einen noch nie da gewesenen endgültigen Konflikt, denn die Familie wird von der türkischen Gesellschaft, der sie angehört, unter Druck gesetzt. Man möchte nicht, dass sich andere "anständige" Mädchen an der "aufmüpfigen" Hülya orientieren. Während Osman von seinem Vater aufgefordert wird, endlich seine "Mannrolle" in der Familie anzutreten, um die Ehre zu verteidigen, eskaliert die Situation auch zwischen Osman und Oliver. Oliver hat seinen Namen geändert und ist konvertiert, er scheint sich in Osmans Religion wohler zu fühlen als Osman selber. So nah wie er sich Osman nun fühlt, umso fremder ist er Osman geworden. Alle drängen Osman etwas in der "Familiensache Ehre" zu unternehmen, er soll zeigen wo der Platz einer Frau ist ...
Sema Meray
Geboren in Mersin/Türkei, wuchs Sema Meray in Deutschland auf. Sie arbeitet als Autorin, Sprecherin und Schauspielerin für Theater, TV und Kino (u. a. "Die Anrheiner", "Zeit der Wünsche" "Lindenstraße"", "SOKO Köln", "Tatort", "In aller Freundschaft", "Alarm für Cobra 11", "Unter Verdacht", "Evet, ich will" 2009, "Habib Rhapsody" 2013). 2005 schrieb sie das Theaterstück "Wegen der Ehre" (UA 2005 in Köln); 2012 erschien ihr Roman "Das Rosenamulett".