Venedig indessen? Noch hat die Serenissima angesichts all der Klischees, mit denen sie überschüttet ist, sich diesen Schuh, pardon, diesen Gummistiefel nicht anziehen müssen: daß sie zwingend etwas mit Eheanbahnung zu schaffen habe.
In der bayerischen Metropole Wolfratshausen indessen, durch zwei Flüsse und den tränenreichen Abgang eines bayerischen Ministerpräsidenten bestens mit dem Mysterium fließenden Wassers vertraut und dadurch der Serenissima sozusagen seelenverwandt, hat die Firma TouriNet gerade diese Marktlücke für sich entdeckt:
Voll renditefördernder Tücke ködert sie die eine Hälfte eines Paares, doch die andere Hälfte desselben Paares unter arglistiger Vorspiegelung völliger Harmlosigkeit nach Venedig zu locken, um sie dort gewaltig zu überraschen.
Und man wird eine Gondelfahrt, auf der einem die Frage gestellt wird, ob man den Rest des Lebens als Ehepaar verbringen wolle, ja wohl die größte aller Überraschungen nennen dürfen.
Die Idee ist simpel und zündend. Unser aller Sehnsucht nach ein bißchen Romantik im Leben bietet sich die Lagunenstadt mit all ihren Kanälen und Gondeln ohnehin als größter Inbegriff des Romantischen dar, und selbst für den kältesten Stockfisch wird's wohl bei keiner anderen Gelegenheit mehr Romantik haben dürfen als bei dieser einen Frage.
Bernd Morgenthaler, Geschäftsführer der TouriNet: "Wir haben so viel, wie möglich ist, vorbereitet, vermitteln die Zimmer, mieten und instruieren den Gondoliere und planen alles Weitere."
Dieses nämlich sieht so aus: Am Bacino Orseolo, Einstiegsstelle für eine der schönsten Strecken durch die Altstadt, betritt das Liebespaar die schwankenden Bretter der Gondel, gewöhnt sich die ersten Minuten über an das Schaukeln, genießt die Perspektive der vorübergleitenden, hochaufragenden Altstadtbauten, erfreut sich an den stillen Seitenkanälen.
Bernd Morgenthaler: "Wir haben im Laufe der Jahre eine Strecke ausgetüftelt, in der nichts zu lang und nichts zu kurz ist."
Schiere Tücke, wie gesagt. Im entscheidenden Moment nämlich biegt die Gondel links ab und hält auf eine kleine Brücke zu, an welcher die Angebetete völlig verblüfft ein Transparent hängen sieht, auf dem - je nach Absprache - etwa zu lesen steht: "Anne, ich liebe Dich. Willst Du mich heiraten?"
Und ehe die Anne sich erholt hat, geht es Schlag auf Schlag weiter: Rosenblätter regnen von der Brücke auf das Paar, und kaum haucht sie ihr überwältigtes "Ja", perlt auch schon der Prosecco in den Gläsern.
Bernd Morgenthaler: "Für uns vom Team der TouriNet, die wir die Gondelfahrt vom festen Boden aus verfolgen, ist das Ergebnis dieser Überraschung immer wieder der absolute Höhepunkt. Bisher haben Transparent, Rosenblätter und Prosecco ihre Wirkung NOCH NIE verfehlt."
Und er merkt an, daß manche Holde überrumpelt genug ist, um ihr Ja-Wort erst mit Verzögerung zu geben. "Aber es kommt. Zu hundert Prozent."
Kurz danach biegt die Gondel mit dem Liebespaar in den lärmigen und grandiosen Canal Grande ein. Wenn mit etwas Glück in einer Gondel voraus oder hintennach ein Gondoliere "O sole mio", "Volare" oder "Che sarà, sarà" schmettert und vielleicht gar noch die untergehende Sonne das Wasser übergoldet, sind Kitsch und Romantik absolut am Überkochen. Für Herzattacken aus lauter Beseligung steht ein Notfall-Vaporetto bereit, der die Glückstrunkenen ins Krankenhaus einliefert.
Armselig also ist jeder dran, der dumm genug war, in irgendeinem stinkigen deutschen Standesamt miefig, dusselig, trantütig in den Hafen der Ehe zu schippern. Deutsche Standesämter haben überhaupt keinen Hafen, Leute! Da haben sie euch eh drangekriegt!
Wie wärs demnach damit, sich scheiden zu lassen - am besten gleich auch in Venedig -, um danach mit Hilfe von TouriNet jetzt aber so richtig zu heiraten? Mit Schmackes? Bernd Morgenthaler: "Wir arbeiten an einer preiswerten Kombilösung."