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Viertes Herbstforum der Initiative Qualität

Medien und Publikum im Spannungsverhältnis

(lifePR) (Bonn, )
Das Internet und neue Formen von Bürger-Journalismus oder Leser-Reportern können bei vielen Massenmedien zu Problemen der Qualitätssicherung führen. Das zeigte sich beim Herbstforum der Initiative Qualität im Journalismus (IQ) in Berlin. Einerseits lassen sich vor allem in der Online-Welt journalistische Inhalte kaum noch von semiprofessionellen oder PR-Texten abgrenzen. Andererseits lösen Fotos von so genannten "Leser-Reportern" eine Art Sensationalismus aus, der mit journalistischer Ethik kaum zu vereinbaren ist. Zu diesem Ergebnis kamen im Funkhaus Berlin des DeutschlandRadio Experten aus den Bereichen Rundfunk, Printmedien, Internet und Wissenschaft.

Der Berliner Rechtsanwalt Dr. Christian Schertz warf der Bild-Zeitung einen "Aufruf zum massenweisen Rechtsbruch vor", wenn sie versuche, über Leser-Reporter an Fotos von Menschen ohne deren Wissen zu gelangen. Der stellvertretende Bild-Chefredakteur Dr. Nicolaus Fest räumte ein, inzwischen würden in solchen Fällen seltener Bilder von Prominenten veröffentlicht. Auch würden keine Presse-Ausweise mehr für Leser-Reporter ausgestellt. Bislang, so erklärte Fest, seien etwa 5.000 Fotos von Laien in der Bild-Zeitung erschienen. Leser-Reporter seien oft – zum Beispiel in Krisengebieten oder bei lokalen Ereignissen – die einzige Quelle und würden den Journalismus "dramatisch verändern".

dpa-Chefredakteur Dr. Wilm Herlyn kritisierte, dass Inhalte, die von Leser-Reportern stammten, in manchen Zeitungen ungeprüft veröffentlicht würden. Die Bochumer Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Barbara Thomaß warnte, der Verweis auf neue Formen des "Bürgerjournalismus" dürfe nicht dazu führe, dass in den Redaktionen gespart werde. Generell könne die Berücksichtigung von Hinweisen oder auch Fotos, die von Lesern stammten, die Berichterstattung durchaus bereichern. Der Online-Journalist Matthias Spielkamp nannte die LeserReporter der Bild-Zeitung ein "völlig fehlgeleitetes Produkt", das mit Bürgerjournalismus nichts zu tun habe. Bürgerjournalisten seien Menschen, die selbst recherchieren und publizieren wollten. Dabei seien im Internet die Grenzen zwischen Weblogs und normalen Websites oft fließend.

Der Münsteraner Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Christoph Neuberger sagte, die meisten Betreiber von Weblogs suchten vor allem Kontakt zu Freunden oder Bekannten und nicht etwa die breite Öffentlichkeit. Deshalb stelle das Internet auch keine echte Konkurrenz für etablierte Medien dar. Vor allem sei bei Weblogs kein kontinuierliches und universelles News-Angebot zu finden. Dennoch würden für "viele kleine Öffentlichkeiten" qualitativ hochwertige Informationen zu speziellen Themen geboten. Jochen Wegner, Chefredakteur von Focus online, berichtete von "großen Qualitätsunterschieden" bei Weblogs. Entscheidend sei das interaktive Element von Online-Angeboten. So ermögliche die Kommentar-Funktion unter Internet-Artikeln ein schnelles Feedback. Auf diese Weise gingen bei Focus online monatlich mehr als 50.000 Reaktionen ein.

Dass es sich lohnt, Publikum an der Herstellung von Medieninhalten zu beteiligen, betonten alle Experten der vom Medienberater Werner Lauff moderierten Experten-Diskussionen. Andre Zalbertus, Gründer des Kölner Lokalfernsehens Center TV, lässt Laien mit Videokameras Programm machen. Julitta Münch diskutiert mit Bürgern einmal pro Woche monothematisch auf Marktplätzen bei der WDR-Hörfunksendung "Hallo, Ü-Wagen". Beide plädierten für einen Umgang mit Hörern und Zuschauern "auf Augenhöhe". Julius Endert, Chefredakteur von handelsblatt.com, forderte auch beim Internet "mehr Mut zum Experimentieren". Dr. Michael Maier, Erfinder der "Readers Edition", betonte, Online-Angebote wie Blogs oder Internet-Bürgerjournalismus ermöglichten neue Perspektiven.

Ob Medien ernsthaft und respektvoll mit dem Publikum umgehen, zeigt sich bei der Auseinandersetzung mit Beschwerden von Lesern, Zuschauern oder Hörern. Vertreter von ARD, und ZDF, Landesmedienanstalten und Presserat verwiesen in diesem Zusammenhang auf ein steigendes Problembewusstsein. Dr. Gerd Bauer, Direktor der Landesmedienanstalt Saarland, berichtete, über die Online-Plattform programmbeschwerde.de gingen jährlich bis zu 400 Hinweise ein. Manfred Protze, Mitglied des Deutschen Presserats, sah es angesichts der Konvergenz der Medien als wichtig an, dass für alle Medien die selben Maßstäbe gelten müssten. Privatwirtschaftlichen TV-Programmanbietern dürfe nicht erlaubt werden, was den Zeitungen verboten sei.

Für den Bereich der Printmedien empfahl Professor Dr. Stephan Ruß-Mohl vom European Journalism Observatory in Lugano, der Presserat müsse mehr Öffentlichkeit herstellen. Außerdem riet er den Zeitungsverlagen zu festen Anlaufstellen für Leser-Beschwerden. Ein Beispiel dafür bietet die Würzburger Main-Post, in deren Chefredaktion seit 2004 mit Anton Sahlender ein Ombudsmann arbeitet. Er schilderte, jede Beschwerde an seine Zeitung werde von ihm beantwortet. Außerdem berichte er in einer regelmäßigen Kolumne über die Kommunikation mit den Lesern und werde auch von der Redaktion um Rat gebeten.

Ähnlich wie Sahlender sehen auch Karin Schmelter, Leiterin der WDR-Publikumsstelle, und Dr. Angelika Zahrnt vom ZDF-Fernsehrat im professionellen Beschwerdemanagement eine wichtige "prophylaktische Funktion", die bei allen Beteiligten das Bewusstsein für Qualität schärfe. Der Intendant des DeutschlandRadios, Prof. Ernst Elitz, versicherte in einem Schlusswort der Veranstaltung, die ständige Überprüfung von Programmqualität und ihrer Kriterien bleibe auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine ständige Aufgabe und Herausforderung. Zur aktuellen Diskussion über öffentlich-rechtliche Programmaufträge bemerkte er allerdings: "Was Public Value ist, das weiß man nun tatsächlich noch nicht genau."
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