In Kooperation mit ihrer Gesellschafterin, der Justus-Liebig-Universität Gießen, ist die Patentverwertungsagentur der drei mittelhessischen Hochschulen TransMIT GmbH zukünftig berechtigt, einen genetischen Test zur vorbeugenden Diagnose von Arzneimittelunverträglichkeiten bei Collies und anderen betroffenen Hunderassen in Zusammenhang mit dem sogenannten MDR1-Gendefekt zu vertreiben. Die exklusiven Lizenzrechte für die Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz hat sie im Rahmen eines langfristigen Kooperationsvertrags von dem niederländischen, auf DNA-Technologien spezialisierten Dr. Van Haeringen Laboratorium erworben.
Bei den Hunderassen Collie, Australian Shepherd, Shetland Sheepdog, Weißer Schäferhund, Bobtail, Wäller und Border Collie ist der MDR1-Gendefekt weit verbreitet. Dieser führt zu einem vermehrten Übertritt von Arzneistoffen in das Gehirn. Bei der Verabreichung des Anti-Parasitenmittels Ivermectin und verschiedener anderer Arzneimittel kann es so zu schweren neurologischen Störungen wie Desorientiertheit, Bewegungs- und Koordinationsstörungen, Zittern, Benommenheit, Erbrechen und vermehrtem Speichelfluss kommen. Höhere Dosen des Arzneistoffs Ivermectin können auch zu komatösen Zuständen und sogar zum Tod von Hunden mit MDR1-Gendefekt führen.
Um die Arzneistoff-Überempfindlichkeit von Hunden mit MDR1-Gendefekt sicher und einfach diagnostizieren zu lassen, können sich Tierärzte, Züchter und Hundebesitzer vor der Verabreichung der entsprechenden Medikamente nunmehr an das Institut für Pharmakologie und Toxikologie im Fachbereich Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen wenden. Das Forscherteam um die Gießener Veterinärpharmakologen Dr. Geyer und Prof. Petzinger ist europaweit führend in der Diagnostik und Erforschung dieses Gendefektes beim Hund.
Zur flächendeckenden Verbreitung des MDR1-Gentests hat die TransMIT zudem mit Prof. Petzinger und Dr. Geyer den Projektbereich Pharmakogenetische Diagnostik (PGvet) gegründet, der mit heutigem Tage seine Geschäftstätigkeit aufnimmt und sich um den zügigen und zuverlässigen Einsatz des Testverfahrens kümmern wird. Auftragsformulare für die Tests sind unter www.uni-giessen.de/mdr1defekt abrufbar.
MDR1 gehört zur Familie der sogenannten ABC-Transporter (ATP-Binding Cassette-Transporter). Das MDR1-Protein (auch als P-Glycoprotein bezeichnet) wurde in den frühen 70er Jahren in Krebszellen, die gegen mehrere Zytostatika resistent waren, entdeckt. Für dieses Phänomen wurde der Begriff multidrug-resistance (MDR) geprägt. Der MDR1-Transporter wird unter anderem in den Endothelzellen der Gehirnkapillaren an der sogenannten Blut-Hirn-Schranke gebildet. Ein aus dem Blut in die Endothelzelle eingedrungener Fremdstoff (z.B. der Arzneistoff Ivermectin) wird vom MDR1-Transporter erkannt und durch die Endothelzellmembran zurück in das Blut transportiert. Durch diesen aktiven Transport wird der Übertritt von Fremdstoffen in das umgebende Nervengewebe blockiert. Damit schützt der MDR1-Transporter das Gehirn vor einer Überschwemmung mit potenziell schädlichen Fremdstoffen. Das MDR1-Protein ist im Körper weit verbreitet und wird neben der Blut-Hirn-Schranke auch in der Plazenta sowie den Gefäßendothelzellen der Blut-Hoden-Schranke exprimiert. Zudem bildet der MDR1-Transporter eine wirksame Absorptionsbarriere für Arznei- und Fremdstoffe im Darm und spielt bei der Arzneistoffausscheidung in Leber und Niere eine bedeutende Rolle. Ohne ein intaktes MDR1-Protein kommt es bei einer Vielzahl von Arzneistoffen zu einer regelrechten Überfrachtung des Organismus mit der entsprechenden Substanz.
Prof. Dr. Ernst Petzinger und Dr. Joachim Geyer erforschen am Institut für Pharmakologie und Toxikologie des Fachbereichs Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen die Struktur, Expression und Funktion von Arzneistofftransportern an in vitro Zellkulturmodellen sowie im Tierexperiment. Seit dem Jahr 2003 stellt die Erforschung des MDR1-Gendefektes beim Hund einen wichtigen Forschungsschwerpunkt dar. Hierbei spielen vor allem die Rasseverteilung des MDR1-Gendefektes in der Hundepopulation sowie die Bedeutung des MDR1-Proteins in der Blut-Hirn-Schranke für die Gehirngängigkeit von Arzneistoffen eine zentrale Rolle. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten wurden in zahlreichen internationalen und nationalen Zeitschriften publiziert sowie auf mehreren Vorträgen und Seminaren vor Tierärzten, Züchtern und Hundebesitzern präsentiert.