Bei Unfällen setzt sich leider oft die Neugier gegen die Vernunft durch. „Außergewöhnliche Ereignisse wie Verkehrsunfälle sind für Menschen immer interessant und anziehend. Der Verstand sollte uns aber sagen, dass Gaffen und eine Behinderung der Einsatzkräfte nicht angebracht sind“, erklärt Jürgen Brenner-Hartmann, Fachlicher Leiter Verkehrspsychologie bei TÜV SÜD. In der Psychologie fällt Gaffen unter ein Gruppenphänomen, bei dem der Einzelne sich durch die Gruppe bestätigt fühlt: „Wenn die anderen zuschauen, kann ich das auch.“
Zudem wird die Sensationslust durch Smartphones und immer verfügbare Kameras geschürt. Nicht selten finden sich Aufnahmen eines Unfalls und sogar auch Verletzte als Bild oder Video im Internet wieder. An die Unfallbeteiligten denkt leider niemand, denn für die Opfer macht das die ohnehin schwere Situation psychisch noch belastender und verletzt die persönliche Würde. Weisen Rettungskräfte die Gaffer auf ihr Fehlverhalten hin, werden sie immer mehr mit aggressivem Verhalten statt Einsicht konfrontiert.
Bilden einer Rettungsgasse ist Vorschrift
Oft behindern die Gaffer die Arbeit der Einsatzkräfte und nicht selten wird eine Rettungsgasse zu spät, also erst bei Eintreffen der Rettungskräfte, gebildet. So geht wichtige Zeit verloren, die Leben retten kann. Seit 2017 ist laut Straßenverkehrsordnung das Bilden einer Rettungsgasse ab Bilden eines Staus, sprich ab Fahren in Schrittgeschwindigkeit, Vorschrift. „Nicht einmal hohe Bußgelder, die inzwischen bei Behinderung der Bergungsarbeiten verhängt werden, scheinen die Gaffer abzuschrecken. Sie erschweren Polizei, Sanitätern und der Feuerwehr ihre Arbeit sehr“, sagt Jürgen Brenner-Hartmann.
Verkehrsteilnehmer sollten folgendes beherzigen: Helfen, solange man gebraucht wird, aber weg vom Unfallort, wenn die Profis eingetroffen sind. Der TÜV SÜD-Verkehrspsychologe rät: „Jeder sollte sich vor Augen halten, wie man sich selbst als begafftes Unfallopfer fühlen würde. Dann sollte eigentlich die Vernunft über die Neugier siegen.“