Die additive Fertigung stellt Hersteller von Metallpulvern vor neue Herausforderungen. Während es für konventionelle Fertigungsverfahren viele unterschiedliche Legierungen gibt, stehen bisher für die Pulverbettverfahren nur eine Handvoll von Standardlegierungen zur Verfügung. Auf der anderen Seite gibt es eine hohe Nachfrage nach komplexen Werkstoff- und Prozesslösungen, um die Vorteile der additiven Fertigung für eine Vielzahl von Produkten nutzen zu können. TÜV SÜD hat ein neues Zertifizierungsprogramm entwickelt, mit dem Metallpulver-Hersteller die Qualität ihrer Prozesse nachweisen können.
Zuverlässige Bewertung und Zertifizierung von Metallpulver-Herstellern
Das Zertifizierungsprogramm von TÜV SÜD bildet die allgemeinen Sicherheitsanforderungen der europäischen Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU, Anhang I, bezogen auf den Werkstoffhersteller, zusammen mit den detaillierteren Anforderungen des Merkblatts W 0 des deutschen AD 2000-Regelwerks ab. Das AD 2000-Regelwerk hat die Aufgabe, die grundlegenden Sicherheitsanforderungen nach DGR zu konkretisieren. Es enthält allgemeine Grundsätze zu Werkstoffen, Fügeverfahren, Personal und den erforderlichen Qualifizierungsprüfungen. „In unserem Zertifizierungsprogramm für die Hersteller von Metallpulver haben wir die Anforderungen aus der DGR und dem Merkblatt W 0 mit unserer Expertise und unseren Erfahrungen aus den Bereichen Werkstoffe und Schweißtechnik ergänzt“, sagt Gunther Kuhn, Leiter Produktmanagement im Geschäftsfeld Anlagensicherheit der TÜV SÜD Industrie Service GmbH. „Damit haben wir eine sehr gute Grundlage, um Metallpulver-Hersteller zuverlässig bewerten und zertifizieren zu können.“ Das Zertifizierungsprogramm beinhaltet neben den Themen der Qualitätssicherung und Rückverfolgbarkeit auch den Nachweis der Fertigungssicherheit für bestimmte Werkstoffgruppen und der grundsätzlichen Eignung des Metallpulvers für die additive Fertigung.
Das Zertifizierungsprogramm wurde in einem Pilot-Audit bei Rosswag Engineering bereits erfolgreich umgesetzt. Rosswag Engineering ist der Spezialist für die Herstellung von Sonder-Metallpulver und additiv gefertigten Bauteilen, die in einer ganzheitlichen Prozesskette nach höchsten Qualitätsanforderungen produziert werden. Die Rosswag GmbH ist ein weltweit führender Anbieter für gewalzte Ringe und Freiformschmiedeprodukte mit einem Stückgewicht bis 4,5 Tonnen. Eine Besonderheit ist das 7.000 Tonnen umfassende Materiallager, in dem über 400 Metallwerkstoffe zur Fertigung bereitstehen. Die im Jahr 2014 gegründete Division Rosswag Engineering erweitert das Produktportfolio um Ingenieurdienstleistungen und innovative Fertigungsverfahren wie den 3D-Druck von metallischen Bauteilen auf pulverbettbasierten Laserstrahlmaschinen (LPBF). „Metall 3D-Druck“ ist die umgangssprachliche Bezeichnung für ein additives Fertigungsverfahren und ermöglicht die Herstellung funktionsoptimierter, metallischer Bauteile.
Kontrolle der gesamten Prozesskette
Die im Unternehmen integrierte Abteilung der additiven Fertigung wurde im Jahr 2017 um die firmeninterne Metallpulverherstellung für die Qualifizierung neuer Werkstoffe ergänzt. „Durch die Beschaffung einer eigenen Verdüsungsanlage der BluePower Casting Systems GmbH können wir die gesamte Prozesskette kontrollieren und den Qualifizierungsprozess für neue Materialien stark verkürzen“, erklärt Gregor Graf, Leiter Engineering der Rosswag GmbH. „Nach Abschluss des Qualifizierungsprozesses liegen umfangreiche Datensätze vor, die sich aus Metallpulvereigenschaften, PBF-Prozessparametern und mechanisch-technologischen, chemischen und metallographischen Werkstoffeigenschaften zusammensetzen.“ Auf diese Weise können typische Charaktereigenschaften des zukünftigen Bauteils in Verbindung mit dem Fertigungsprozess betrachtet werden, was speziell für anspruchsvolle Anwendungsszenarien von additiv gefertigten Bauteilen relevant ist.
Im Rahmen des Zertifizierungsprozesses haben die Experten der TÜV SÜD Industrie Service GmbH die Prozesse für die Herstellung, Prüfung und Qualifizierung des Metallpulvers bei Rosswag betrachtet und in einem umfangreichen Vor-Ort-Audit überprüft. „Der erfolgreiche Abschluss des Audits bestätigt, dass wir unsere Prozesse voll im Griff haben und dass wir bei der Herstellung von Metallpulvern für die additive Fertigung einem sehr hohen Qualitätsanspruch genügen“, betont Graf. Die unabhängige Überprüfung und Bestätigung durch TÜV SÜD Industrie Service ist für Rosswag ein wichtiger Wettbewerbsvorteil auf einem Markt, der von einer hohen Dynamik gekennzeichnet ist und in den kommenden Jahren stark wachsen wird. Gunther Kuhn geht davon aus, dass der komplette Zertifizierungsprozess nach dem erfolgreichen Audit in zwei Monaten abgeschlossen sein wird.
Weitere Informationen dazu gibt es unter https://www.tuev-sued.de/is und www.rosswag-engineering.de.
Die familiengeführte Rosswag GmbH wurde 1911 gegründet und ist unter Edelstahl Rosswag ein führender Anbieter von Freiformschmiedebauteilen. Die Division Rosswag Engineering greift auf über 100 Jahre Erfahrung in der Verarbeitung von mehr als 400 verschiedenen Metallwerkstoffen zurück und erweitert das Leistungsspektrum um Ingenieurdienstleistungen und das additive Fertigungsverfahren Selektives Laserschmelzen mit einer ganzheitlichen Prozesskette.