"Neugier liegt in der Natur des Menschen - außergewöhnliche Situationen sind daher interessant und anziehend. Die Vernunft sollte uns aber sagen, dass Gaffen bei Verkehrsunfällen nicht angebracht ist", erklärt Jürgen Brenner-Hartmann, Fachlicher Leiter Verkehrspsychologie bei TÜV SÜD. In solchen Situationen setzt sich aber leider die Neugier gegen die Vernunft durch. Psychologisch gesehen ist Gaffen ein Gruppenphänomen, bei dem die Beteiligten denken "Wenn die anderen zuschauen, kann ich das auch". Gerade in Zeiten von Smartphones & Co. ist eine steigende Tendenz beim Gaffen zu beobachten. "Viele Ereignisse, die Menschen erleben, halten sie in Bildern oder auf Video fest und stellen sie ins Internet - Unfallszenarien sind da keine Ausnahme. Das bietet Möglichkeiten, die es früher so nicht gegeben hat", sagt Jürgen Brenner-Hartmann weiter.
Dabei müsste eigentlich jedem bewusst sein, was ein solches Verhalten für die Unfallbeteiligten bedeutet: Für Opfer wird die ohnehin schwere Situation psychisch noch belastender und die persönliche Würde wird verletzt. Gaffen behindert zudem oft die Arbeit der Einsatzkräfte. Wer sich in der Nähe der Unfallstelle befindet oder mit dem eigenen Pkw dort anhält, versperrt professionellen Helfern den Weg zum Unfallopfer und sorgt so für tatsächlichen Schaden. Damit behindern Schaulustige nicht nur die Bergungsarbeiten, sondern werden zusätzlich zur Gefahr für den laufenden Verkehr. "Gaffer erschweren Polizei, Sanitätern und Feuerwehr die Arbeit sehr. Dieses Verhalten stößt bei den Rettern auf größtes Unverständnis und Empörung", sagt Brenner-Hartmann. Auch die Justiz geht in schwerwiegenden Fällen mit dem Thema Gaffen nicht zimperlich um. Für die Behinderung von Rettungsarbeiten können Bußgelder verhängt werden, da es im Ernstfall um Menschenleben geht.
Grundsätzlich sollten Verkehrsteilnehmer folgendes beherzigen: Helfen, solange man gebraucht wird, aber weg vom Unfallort, wenn die Profis eingetroffen sind. "Wichtig ist, sich immer vor Augen zu halten, wie man sich selbst als begafftes Unfallopfer fühlen würde. Das kann dabei helfen, dass am Ende die Vernunft über die Neugier siegt", rät der TÜV SÜD-Verkehrspsychologe.