Schauplätze für Fotografie
Als kreatives, visuelles Ausdrucksmittel ist die Fotografie seit jeher ein spannendes Metier. In den Thüringer Städten widmen sich mehrere Ausstellungen dieser Kunstform – gezeigt werden Bilder mit gesellschaftlich relevanten Themen wie Bürgerbewegungen bis hin zu Bilddokumenten längst vergangener Zeiten.
Die Kunstsammlung Jena widmet sich seit Jahren der aktuellen Fotografie und Videokunst. So präsentiert die Ausstellung „Julian Röder. Glauben und Handeln“ noch bis 30. Mai Fotografien und Objekte des Künstlers. Macht und Ökonomie sind die zentralen, stets hochaktuellen Themen in den Fotoserien Julian Röders. In den vergangenen Jahren hat sich der 1981 in Erfurt geborene Fotograf nicht nur in politische Debatten eingebracht, sondern diese mit seinen Arbeiten substanziell bereichert. Geradezu spektakulär sind die Aufnahmen aus der Folge SUMMITS, mit denen Röder die Proteste verschiedener Bürgerbewegungen am Rande von Gipfeltreffen fotografiert hat. Die phänomenologische Direktheit mit der Julian Röder vorgeht, seine Themen entwickelt und die Motive wählt, ist überlegt und konsequent. Er ist ein Meister des kalkulierten Unbehagens: lockt mit Panoramen einer schönen Welt und konterkariert deren Behaglichkeit mit visuellen Additionen, die im persönlichen Unbehagen enden.
Im Stadtmuseum Saalfeld sind Impressionen einer entschleunigten Welt zu sehen: „Innehalten – Places of Silence“ titelt die Ausstellung mit Fotografien von Dr. Thomas Lange (bis 27.06.). Lange zeigt fotografische Arbeiten, die das Gegenstück zu unserer modernen Welt mit Social Media Fluten, Beschallungen in Warenhäusern, unzähligen Fernsehprogrammen, unerwünschter Werbung und einer überbordenden Eventindustrie sein sollen. Anliegen ist es, Raum zu bieten für Reflexionen sowie die Stille in Bildern sehen. Das Stadtmuseum Saalfeld bietet außerdem zwei Audio-Führungen durch das Franziskanerkloster und die Dauerausstellung an: eine Erwachsenen- und eine Kinderführung. Die Führungen können über die App „Hearonymus“ auf das eigene Endgerät heruntergeladen werden. Unter dem Stichwort „Saalfeld“ wird man fündig; die App als auch die Museumsführungen sind kostenfrei.
Historische Fotografien der Mühlhäuser Stadtmauer werden unter dem Titel „Verblasste Erinnerungen“ in Mühlhausen gezeigt (bis 31.10.). Im Bestand der Mühlhäuser Museen befinden sich zahlreiche bislang unveröffentlichte Fotografien, die heute nicht mehr vorhandene Tore wie das Pfortentor oder das Klingentor dokumentieren. Die noch auf 2,2 Kilometern erhaltene Mühlhäuser Stadtmauer vermittelt einen imposanten Eindruck von der Bedeutung der einstigen Freien Reichsstadt. Mühlhausen zählt zu den wenigen deutschen Städten, die noch über eine nahezu vollständige Verteidigungsanlage verfügen.
Doppeljubiläum in Eisenach
Wenn gefeiert wird, dann richtig – die Wartburgstadt Eisenach hätte allen Grund dazu: 500 Jahre Übersetzung des Neuen Testaments und 800 Jahre Hochzeit der Elisabeth von Thüringen. Diese beiden besonderen Ereignisse würdigt die Stadt mit hochkarätigen Ausstellungen und Konzerten.
Auf der Wartburg beschäftigt sich die Ausstellung „Luther im Exil. Wartburgalltag 1521“ mit dem Reformator und seiner Zeit auf dem berühmten Burgberg (bis 31.10.): Wie ging es Martin Luther in seinem Exil, wie lebte es sich im „Reich der Vögel“? Und wie gestaltete sich der Alltag der Bewohner? Auf diese und andere Fragen antwortet die Sonderausstellung zum 500. Jubiläum von Martin Luthers Wartburgaufenthalt und lädt zu einer Reise in seine Lebenswirklichkeit ein. Eine weitere Ausstellung trägt den Titel „Luther übersetzt. 500 Jahre Neues Testament auf der Wartburg“ (bis 06.11.2022) – sie ist dem Themenjahr Thüringens mit seinem Motto „Welt übersetzen“ gewidmet. Ausgangspunkt bildet die Übersetzungsleistung Luthers, anhand derer auch das Phänomen des „Dolmetschens“ beleuchtet wird. Dieses bedeutete für den Reformator keineswegs nur die wörtliche Übersetzung der Texte, sondern zielte auf eine allgemeine Verständlichkeit der Bibelsprache ab. Die Arbeit an den Inhalten der Heilige n Schrift in ihrer theologischen Dimension und mit Mitteln der Sprache wird in der Ausstellung ebenso anhand von originalen Quellen wie durch medial aufbereitete Beispiele verdeutlicht. Im Außenbereich der Wartburg wird eine „Übersetzungswerkstatt“ die Themenvielfalt des Übersetzens unmittelbar erfahrbar machen. „Nun aber seid ihr Licht. Elisabeth“ ist das Jubiläumsjahr 2021 in der Predigerkirche des Thüringer Museums Eisenach mit verschiedenen hochkarätigen Sonderausstellungen, Veranstaltungen und Projekten überschrieben. Genau vor 800 Jahren – 1221 – heiratete der Thüringer Landgraf Ludwig IV. in der Eisenacher Georgenkirche die ungarische Königstochter Elisabeth. Die Predigerkirche, ein erster bedeutender Rezeptionsort zur 1235 heiliggesprochenen Elisabeth, beherbergt heute eine der bedeutendsten Sammlungen sakraler Skulpturen in Thüringen. Im Einklang mit der Dauerausstellung „Mittelalterliche Kunst in Thüringen“ soll auch über das Jahr 2021 hinaus in der Predigerkirche an das W irken der ungarischen Königstochter und späteren Landgräfin von Thüringen erinnert werden.
KunstForum Gotha und Kunstsammlung Jena
Kunst hat viele Gesichter. Sie kann aufdecken, mahnen und wachrütteln. Zwei Künstler verarbeiteten ihre Erfahrungen mit sozialistischen Regimes: Abstrakte Kunst in der DDR, die über sozialistischen Realismus hinaus geht einerseits, provokative Gemälde, die vor den Auswirkungen totalitärer Regimes und Diktaturen mit Kriegsgeschehen warnen, andererseits.
„Kurt W. Streubel – Retrospektive zum 100. Geburtstag des Künstlers“ lautet die neue Ausstellung im KunstForum Gotha. Kurt W. Streubel kam nach Ende des zweiten Weltkriegs nach Gotha und begann sich schon kurz nach dem Krieg für ein freies Kunstleben in Thüringen einzusetzen. Als Mitbegründer der Gewerkschaft 17 und Student der Staatlichen Hochschule für Baukunst und bildenden Kunst in Weimar knüpfte er gemeinsam mit anderen Künstlerinnen und Künstlern unmittelbar an die von den Nationalsozialisten verfemte klassische Moderne und das Bauhaus an. Die Formalismusdebatte stoppte ab 1951 diese Bestrebungen, weshalb das junge Kunstleben in Thüringen ausblutete: Viele verließen das Land Richtung Westen oder zogen sich in die innere Emigration zurück. So auch Kurt W. Streubel. Erst in den späten 1970er Jahren wurde er in den Verband Bildender Künstler der DDR aufgenommen und zu seinem 60. Geburtstag 1981 mit einer Ausstellung in Gotha geehrt. Kurz vor seinem Tod im Jahr 2002 trug ein e Ausstellung in Altenburg und Sonneberg sein Oeuvre erneut zusammen. Seit dieser Einzelausstellung Kurt W. Streubels sind 18 Jahre vergangen. Anlässlich seines 100. Geburtstages ist es umso mehr an der Zeit, dem Künstler eine Ausstellung zu widmen.
Die Kunstsammlung Jena zeigt Malerei von Nguyen Xuan Huy unter dem Titel „Talking about Black Holes“ (bis 31.05.). Die in altmeisterlicher Manier gemalten Ölbilder überwältigen unmittelbar in ihrer Schönheit. Und sie verstören – denn rasch offenbart sich der trügerische Schein und lässt die Stimmung kippen: Verdrehte oder verkrüppelte Gliedmaßen fallen auf und überall lauern bedrohliche Details wie Maschinengewehre, Hähnchenflügel oder sozialistische Symbole. Die eindringlichen Inszenierungen des 1976 in Hanoi geborenen Vietnamesen sind keine leichte Kost. Seine Identität knüpft sich direkt an den Vietnamkrieg als das fundamentale Trauma seiner Herkunft sowie an die sozialistische Ideologie, mit der er aufgewachsen ist. Seit 1994 hat Nguyen Xuan Huy seinen Wohnsitz in Deutschland. Mit seinen Werken präsentiert die Kunstsammlung Jena faszinierend sinnliche Malerei, die zu emotionalen wie intellektuellen Reaktionen herausfordert.
Weltprominenz der Kunst: Hundertwasser, Chagall, Picasso & Co.
In gewohnt farbenprächtiger Manier präsentiert das renommierte Kunsthaus Apolda Grafiken, Siebdrucke, Lithografien und Holzschnitte des Künstlers Hundertwasser. In Nordhausen lässt es sich gedanklich reisen – zu Sehnsuchtsorten von Picasso, Monet und Cézanne.
Das Kunsthaus Apolda zeigt Werke von Friedensreich Hundertwasser: einen Querschnitt der Grafiken des Künstlers unter dem Titel „Schönheit ist ein Allheilmittel“ – ein Thema, welches auf seiner eigenen Erkenntnis beruht. Mit Hundertwasser hat man einen der international bekanntesten Künstler des 20. Jahrhunderts in das Kunsthaus Apolda holen können. Voraussichtlich am 29. September 2021 wird die Ausstellung „CEZANNE | DEGAS | MATISSE | HOKUSAI | HIROSHIGE | UTAMARO“ eröffnet, welche Werke aus der französischen Avantgarde des 19. Jahrhunderts Werke japanischer Meister gegenüberstellt.
Im Kunsthaus Meyenburg Nordhausen lädt die Ausstellung „Reisebilder - Sehnsuchtsorte“
(05.06.–05.09.) auf einen gedanklichen Ausflug ein: Die Sehnsucht nach der Ferne und auf das Reisen ist kein Phänomen der heutigen Zeit. Seit Jahrhunderten zog es die Künstler in die Fremde, um neue Erfahrungen zu sammeln und neue Licht- oder Farbverhältnisse zu entdecken und dann auf Leinwand oder Papier festzuhalten. In der Ausstellung „Reisebilder - Sehnsuchtsorte“ werden 85 Kunstwerke von zahlreichen bekannten Künstlern aus den verschiedensten Stilrichtungen präsentiert, darunter Werke von Beuret, Braque, Cézannes, Chagall, Gauguin, Monet und Picasso.
Malerei, Poesie und Bühnenbild
Mal war es Goethe, der literarische Spuren hinterließ, mal waren es Künstler der Avantgarde wie Otto Dix, die bis heute zu beachteten Künstlern des deutschsprachigen Raums zählen. Meiningen beherbergt mit seinen sechs kulturhistorischen Museen eine der die größte Kunstsammlung Thüringens.
Das Otto-Dix-Haus in Gera widmet sich in mehreren Kabinett- und Themenausstellungen dem berühmten Künstlersohn der Stadt: Otto Dix, einem bedeutenden Maler und Grafiker des 20. Jahrhunderts. „Ernst Holzhäuser. Ein Dix-Schüler“ titelt eine Schau mit Graphiken und Gemälden eines Schülers von Dix (17.07.–17.10.), während in einer Folgeausstellung Werke von Otto Dix zu sehen sind: „Zu Gast im Dix-Haus. Dix-Werke aus bedeutenden Sammlungen im Dialog mit Werken aus der eigenen Sammlung“ (22.10.–23.01.2022). Die Kunstsammlung Gera erhielt aus einer Berliner Privatsammlung über 500 Werke der Klassischen Moderne als Dauerleihgabe – ein großer Grund zur Freude. In der Orangerie werden daher Arbeiten von Ernst Barlach gezeigt: Zeichnungen, Druckgrafiken und Plastiken (15.10.–16.01.2022).
Das GoetheStadtMuseum Ilmenau präsentiert in einer Sonderausstellung „Poesie am Kickelhahn. Von Wandrers Nachtlied zum Gabelbachlied“ (bis 12.09.). Anlass der Ausstellung ist das 240. Jubiläum eines der bekanntesten Gedichte von Goethe: „Wandrers Nachtlied“. Am Abend des 6. September 1780 schrieb der Dichter die wenigen Verszeilen, beginnend mit „Über allen Gipfeln ist Ruh …“, an die Bretterwand der Jagdhütte auf dem Gipfel des Kickelhahns bei Ilmenau. Eine weitere Ausstellung thematisiert die Geschichte der Ilmenauer Porzellanfabrik, die ab 1934 den Namen „Graf von Henneberg“ trug.
Die Meininger Museen sind weithin für ihr abwechslungsreiches Genre bekannt und überzeugen auch in diesem Jahr mit einem umfangreichen Ausstellungsrepertoire. Eine der Ausstellungen gibt unter dem Titel „Allgäu – Meiningen – München“ Einblicke in das Leben und Werk des Malers und Zeichners Andreas Müller (1831–1901). Seine umfassenden Arbeiten, stilistisch der Kunst der Nazarener nahestehend, werden erstmalig öffentlich gewürdigt und begleitend in Buchform publiziert. Außerdem im Schloss Elisabethenburg zu sehen: Fotografien, Grafiken, Scherenschnitte nach Sagen von Ludwig Bechstein. Am 24. November 2021 jährt sich zum 220. Mal der Geburtstag des Meininger Bibliothekars, Archivars, Altertumsforschers und Schriftstellers. Heute verbindet sich sein Name vor allem mit Märchen- und Sagensammlungen. Die Ausstellung präsentiert etwa 50 Illustrationen Bechsteinscher Sagen aus Thüringen von drei Künstlern in verschiedenen Techniken. Das Theatermuseum „Zauberwelt der Kulisse“ widmet si ch dem Thema „Georg und Norwegen – zwischen Reiselust, Ethnologie und Theater“. Georg, Erbprinz und designierter Thronfolger des Herzogtums Sachsen-Meiningen, begab sich im Sommer 1849 auf eine mehrwöchige Reise durch Norwegen. Seine Reiseaufzeichnungen bieten dem heutigen Leser einen wunderbaren, interessanten Einblick in das Alltagsleben der ländlichen norwegischen Bevölkerung. Im Theatermuseum wartet ein weiteres Highlight: die Bühnenbildpräsentation zu Friedrich Schiller: Maria Stuart (III. Akt), eine Inszenierung des Meininger Hoftheaters von 1884.
Auch wenn der Zeitpunkt für die Wiedereröffnung der Museen nicht absehbar ist, so sind die Thüringer Städte vorbereitet: Während des Lockdowns wurde an Präsentationen gearbeitet, neue Ausstellungen aufgebaut und Hygienekonzepte den jeweiligen Allgemeinverfügungen angepasst. So hilfreich und wertvoll digitale Angebote sind – die Museums- und Ausstellungsorte freuen sich auf zahlreiche Besucherinnen und Besucher, „live und in Farbe“.