Internationale Kirchenbeziehungen nicht immer auf Augenhöhe
Aber auch in internationalen Kirchenbeziehungen bringen Partnerschaftsengagierte aus dem globalen Süden diskriminierende Verhaltensweisen deutscher Partnerkirchen und -gemeinden zur Sprache wie zuletzt auf einer internationalen Partnerschaftskonsultation der VEM im Mai dieses Jahres in Bonn. So betonte Ephorus Robin Butarbutar, Leiter der größten evangelischen Kirche Indonesiens, dass eine Begegnung auf Augenhöhe nicht immer stattfinden könne, wenn Kirchenleitende aus Afrika und Asien nicht zum Gespräch mit Kirchenleitenden aus Deutschland, sondern mit ihren nachgeordneten Stellvertreter*innen eingeladen würden.
Außerdem stellte die Konferenz fest, dass Stereotypisierung, Rassismus und Kolonialismus in Partnerschaftsbeziehungen von deutschen Partnerschaftsgruppen nicht immer thematisiert würden, da man davon ausgehe, dass die Partnerschaft auf Augenhöhe liefe. Dabei sei auch in der Partnerschaftsarbeit das einfache Weltbild von dem rationalen demokratischen Europa und dem korrupten hilfsbedürftigen Afrika und Asien anzutreffen.
Debatte über postkoloniales Erbe der Kirche
An der aktuellen Debatte über die historische Verstrickung von Mission und Kolonialismus in Deutschland nimmt auch die VEM teil, die unter anderem Rechtsnachfolgerin der Rheinischen Missionsgesellschaft ist. Öffentlichkeit und Forschung haben Zugang zu den zahlreichen historischen Quellen und Artefakten aus den damaligen Missionsgebieten in Afrika und Asien, die von der Archiv- und Museumsstiftung der VEM gepflegt werden. Wissenschaftler*innen und Journalist*innen fragen beispielsweise nach historischen Berichten über das Wirken der Missionar*innen zur Zeit des Genozids im heutigen Namibia oder der Provenienz von Exponaten im Museum auf der Hardt in Wuppertal.
Pfarrer Volker Martin Dally, Generalsekretär der VEM, beobachtet hier wie folgt: “In der gesamten Debatte müssen wir sensibel darauf achten, dass durch die gemeinsame Nennung der Worte Mission und Kolonialismus nicht denjenigen Unterstützung gegeben wird, die damit behaupten, dass der christliche Glaube in sich kolonial sei. Und es ist fatal, wenn Missionare, die Teil der Identität der Glaubensgeschichte sind, per se diskreditiert werden, ohne die jeweilige einzelne Biographie zu bewerten.“
Aufregung über „Gott ist queer“ als willkommenes Ablenkungsmanöver
Über Rassismus in Kirche diskutierte Sarah Vecera zuletzt unter großer Publikumsbeteiligung auf den verschiedenen Podien des 38. Deutschen Evangelischen Kirchentags in Nürnberg mit Kirchenvertreter*innen aus Deutschland und dem globalen Süden. „Die Menschen sind von dem Konstrukt Rassismus seit 500 Jahren geprägt, daher ist auf absehbare Zeit eine Gesellschaft ohne Rassismus nicht ohne Weiteres erreichbar“, so eine ihre Schlussfolgerungen auf dem Kirchentag. Laut der Theologin verlerne man diese Verhaltensweisen am ehesten, indem man ohne Schuldzuweisung über die strukturellen Ursachen von Rassismus rede.
Über Rassismus in Kirche zu reden, versuchte zuletzt Pfarrer Quinton Ceasar in seiner Abschlusspredigt auf dem Kirchentag in Nürnberg. Die anschließende aufgeregte mediale Auseinandersetzung mit seiner Aussage „Gott ist queer“ habe jedoch, nach Meinung von Sarah Vecera, die gute und wichtige Antirassismusarbeit auf den Podien und im Programm des Evangelischen Kirchentags in Nürnberg in den Hintergrund gerückt. Die Aufregung im positiven wie im negativen Sinn diene als willkommenes Ablenkungsmanöver dafür, um die weiteren diskriminierenden Missstände, die die Predigt des aus Südafrika stammenden Theologen beschreibt, nicht selbstkritisch hören und behandeln zu müssen. „Es braucht mehr Menschen in der Kirche, die das erkennen und daher raten wir zur kontinuierlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Antirassismus“, meint die Bildungsbeauftragte der VEM und betont, dass Christ*innen of Color gleichberechtigt in einer Kirche mitarbeiten wollen, die Raum für notwendige Veränderungen gebe. Dazu gehöre auch, Positionen innerhalb von Kirche und Diakonie auf allen Ebenen gezielt mit Menschen of Color zu besetzen. Denn, so der 2021 verstorbene Schwarze Antirassismus-Referent, Sami Omar: „Die Kirche braucht mich viel mehr, als ich sie.“