Und so erscheint es uns gerade für das Dezemberheft sehr passend, Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, Texte zum Thema „Mutige Frauen – Gelebte Spiritualität“ anzubieten. Maria war eine solche mutige Frau. Sie wusste nicht, was auf sie zukam, welch unfassbare Freude und welch ebenso unvorstellbares Leid. Sie hat die Worte des Verkündigungsengels „in ihrem Herzen bewegt“ und ihren spirituellen Auftrag mit uneingeschränkter Hingabe gelebt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sie als „Knotenlöserin“ gebeten wird, die Knoten unserer Verstrickungen aufzulösen und als Garantin von Gerechtigkeit und Frieden verehrt wird.
Anknüpfend an die Texte von und über Pirzadi Noor-un-Nisa Inayat Khan haben wir in diesem Heft mehrere Pfade verfolgt: Zum einen sind wir historisch auf die Suche gegangen und haben dabei so manches Kleinod entdeckt, wie z.B. Lebensbeschreibungen mutiger Frauen aus Indien, die eng mit der Geschichte des Chishti-Ordens verbunden sind. Außerdem einen Text der Teresa von Avila, die ihren Gott sehr bodenständig in die Hausarbeit ihres Alltags einbindet. Eine weibliche Stärke, die wir auch bei den Frauen finden, die als politisch und wegen ihres Glaubens Verfolgte Unsägliches erleiden mussten. Sie sind nicht in Angst erstarrt – was nur zu verständlich wäre –, sondern waren in der Lage, unter widrigsten Umständen das Nötige und Mögliche für andere zu tun und damit inmitten des Diktats von Schrecken und Grausamkeit die menschliche Würde hochzuhalten.
Zum anderen haben wir Beispiele geben wollen, was Frauen in der heutigen Zeit vollbracht haben und noch vollbringen. Dabei würdigen wir die im Oktober dieses Jahres gewählte Nobelpreisträgerin Nadia Murad ebenso wie Cemanur Sargut, die mutig und mit großem Engagement in der Türkei einen Sufiorden leitet. Wir haben versucht einen vielfältigen Blick auf den Mut und die Geradlinigkeit zu vermitteln, mit dem so viele Frauen – „der Welt bekannt und unbekannt“ – heute ihren spirituellen Weg gehen. Möge diese Textauswahl Hoffnung machen, dass sich viele Frauen (und auch Männer; aber das ist nicht Thema dieses Heftes) in ihrem Lebensfeld um Frieden, soziale Gerechtigkeit und letztlich um ein Leben in der Einheit der menschlichen Familie bemühen.
Wenn Hazrat Inayat Khan sagt: „Ich sehe es so klar wie Tageslicht, dass die Stunde kommt, da die Frau die Menschheit auf eine höhere Stufe der Evolution führen wird“, dann hat er vielleicht u. a. diese Beharrlichkeit und Selbstverständlichkeit gemeint, mit der Frauen sich immer wieder für die Nöte ihrer Mitmenschen einsetzen.
SIFAT - Zeitschrift für Universalen Sufismus | Heft 3/2018 - Mutige Frauen - Gelebte Spiritualität | Verlag Heilbronn
Sufismus
ist eine uralte Weisheit und zugleich eine Methode der geistigen Schulung, die Menschen befähigen soll, diese Weisheit in ihrem täglichen Leben zu verwirklichen.
Wer dem Universalen Sufismus
folgen will, wie ihn Hazrat Inayat Khan und seine Nachfolger gelehrt haben und lehren, ist nicht auf bestimmte Dogmen, Rituale oder spirituelle Techniken festgelegt.
Der Universale Sufismus baut eine Brücke über die Unterschiede und Grenzen hinweg, die die Menschen und Religionen voneinander trennen. Er ermöglicht Menschen auch, ihre eigene Religion besser zu verstehen und zu leben, weshalb jeder diesen Weg gehen kann, unabhängig von seiner Religionszugehörigkeit.
Hazrat Inayat Khan
ist der Begründer der internationalen Sufi-Bewegung und des internationalen Sufi-Ordens. 1882 in Baroda an der West-Küste Indiens geboren, wurde der Sufi-Mystiker in seiner Heimat als Virtuose der klassischen indischen Musik verehrt. Schon in jungen Jahren wurde dem Sänger und Vina-Spieler der Titel „Tansen“ – bedeutendster Musiker Indiens – verliehen. Sein geistiger Lehrer war Kwaja Abu Hashim Madani. Dieser gab ihm den Auftrag: „Ziehe hinaus in die Welt und bringe den Osten und den Westen mit Deiner Musik in Einklang“. Khan lebte und lehrte ab 1910 in den Vereinigten Staaten und Europa. Seine Kenntnis der durch Musik bewegten Seele war es, die ihm Meisterschaft im „Stimmen menschlicher Seelen“ verlieh. Er brachte uns Europäern damit das tiefe, alte indische Wissen des Vedanta nahe. Die Lehre, die er in den Westen brachte, ist die „Botschaft von Liebe, Harmonie und Schönheit“.
Seine Kenntnis der durch Musik bewegten Seele war es, die ihm Meisterschaft im Stimmen menschlicher Seelen verlieh und diese zu einer Bruderschaft verband. 1926 ging er zurück nach Indien, und 1927 kehrte er in seine geistige Heimat zurück.