Eine alte Frau, die einen Esel melken will, um wie Kleopatra in Eselsmilch zu baden und genauso schön zu werden. Die daraufhin von dem männlichen Esel einen Tritt an den Kopf bekommt und fortan ein Eisenband um den Kopf trägt, das so eng ist, dass sie nicht reden kann. Ein Schuster, der nach seinem Tod von seinem Nachbarn als Vogelscheuche präpariert wird, weil der sich mal an etwas Größerem als einem Tier probieren möchte. Ein 18 Jähriger, der Puppen ohne Kopf sammelt, darunter auch seine Mutter - wobei keiner weiß, ob sie es wirklich ist. Ein Bürgermeister, der durch einen Steinwurf an den Kopf der alten Frau mit dem Eisenband gewählt wird. Dies sind nur einige der sonderbaren Personen und Dinge, die dem Leser in dem Anfang Dezember im Wagner Verlag erschienenem Buch »Das geheimnisvolle Dorf« von Andrea Marginean begegnen.
Die junge Hure Lilly berichtet einem Schriftsteller in einem Gespräch über ihre Kindheit und Jugend in dem Dorf, das so klein ist, dass es auf keiner Karte verzeichnet ist. Sie ist mit vielen merkwürdigen Dorfbewohnern aufgewachsen, von denen Lilly dem Schriftsteller in einem bühnenreifen und für das Theater tauglichen Gespräch berichtet. Dabei scheint es in der erzählenden Kurzgeschichte in dem Dorf, außer der erzählenden Lilly, keinen normalen Menschen zu geben. Der Schriftsteller ist sowohl erfreut, denn er findet neue Ideen und sieht einen Weg aus seiner Schreibblockade, als auch erschrocken von den Schilderungen und fühlt sich in einen Horrorfilm versetzt. Dies wird unterstrichen durch die nüchternen, aber sehr plastischen Erzählungen von Lilly, die im Plauderton von den absonderlichsten Geschehnissen zu berichten weiß und einen Spannungsbogen zum großen Ärger aufbaut, wegen dem sie schließlich das Dorf verlassen hat und sich jetzt als Hure durchschlägt.
Die österreichische Autorin Andrea Marginean, 1972 in Budapest geboren und aufgewachsen in Armut auf der Straße und in Kinderheimen, scheint hier ihre eigene Kindheit zu verarbeiten, denn es finden sich durchaus Parallelen mit der Erzählerin Lilly. Frühe Erfahrungen mit der Rotlichtszene und dem Alkohol verschaffen den Schilderungen eine erschreckende Authentizität, auch wenn die Personen zu unwirklich erscheinen, um tatsächlich wahr sein zu können. Aber wer weiß das schon.
Eine ausführliche Online-Leseprobe finden Sie unter:
http://www.buecherkosmos.de/... (HTM-Seite inklusive Stammdaten des Titels und Buchcover)