Die Abstimmung über den Antrag der lateinamerikanischen Staaten konnte nicht durchgeführt werden, weil die Gruppe der Pro-Walfangstaaten den Plenarsaal verließ, sodass nicht die notwendige Anzahl von Staaten anwesend war, um eine Abstimmung als gültig zu werten. Die Entscheidung wurde vertagt und bei der nächsten Jahrestagung in Panama als erster Tagesordnungspunkt besprochen.
"Der Verzicht auf Abstimmungen zu wichtigen Themen kommt einer Aufgabe demokratischer Prinzipien gleich" kommentiert Nicolas Entrup, WDCS, die Geschehnisse vor Ort.
Die Verhandlungen der 63. IWC-Tagung widmeten sich generell vor allem dem Vorschlag Großbritanniens, die Zahlungsweise von Mitgliedsbeiträgen der Vertragsstaaten zu reformieren, einen transparenteren Umgang mit Informationen und die Partizipation von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Verhandlungen.
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verständigten sich spät aber doch zur einheitlichen Unterstützung des britischen Vorschlags, eliminierten jedoch die Partizipation von NGOs, um auch Dänemark ins Boot zu holen.
"In der IWC ist dieser Beschluss in der Tat ein großer Erfolg, während in jedem anderen Gremium derartige Praktiken seit Jahren oder Jahrzehnten bereits der Status Quo sind. Große Sprünge sind das nicht", kommentiert Nicolas Entrup, Sprecher der internationalen Wal- und Delfinschutzorganisation WDCS, den Beschluss.
Kritik an der Tagung kommt von Walschützern aber vor allem auf Grund der Tatsache, dass die eigentlichen Walfangaktivitäten Islands, Norwegens und Japans kein Thema waren. "Die Walfangkommission wäre gut beraten, sich dem Problem der jährlichen Tötung Hunderter Wale und dem zunehmenden Handel mit Walprodukten zu widmen", sieht Entrup Handlungsbedarf. Die WDCS und die Environmental Investigation Agency (EIA) hatten einen umfassenden Bericht über das Ausmaß des Handels mit Produkten gefährdeter Finnwale und Zwergwale, vor allem ausgehend von Island, vorgelegt. Der Bericht belegt, dass Islands Regierung wissentlich Ausfuhrgenehmigungen erteilt hat, die gegen internationales Recht verstoßen.
Positiv bewerten Walschützer die intensiver werdenden Bemühungen des Erhaltungsausschusses, Maßnahmen gegen Gefahren wie z.B. Schiffskollisionen und - seit dieser Tagung auch - Meeresverschmutzung durch Plastikmüll zu setzen. Staaten wie Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Deutschland, England, Österreich u.a. bemühen sich innerhalb der IWC verstärkt, aktive Maßnahmen zu entwickeln, um die Situation für Wale zu verbessern.
"Gestrandete Wale mit großen Mengen Plastikmüll im Magen sind keine Seltenheit mehr, das gesamte Ausmaß des Problems ist aber noch unbekannt", sagt Mark Simmonds, Leiter der Wissenschaftsabteilung der WDCS, und begrüßt den Beschluss der IWC, die Kooperation mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) zu intensivieren.
Die 64. Jahrestagung 2012 in Panama verspricht bereits jetzt eine schwierige zu werden. Walschützer erwarten einen heißen Tanz um den Antrag zur Einrichtung des Walschutzgebietes im Südatlantik und die alle fünf Jahre anstehende Erneuerung von Walfangquoten für indigene Völker. Walfangstaaten nutzen diese Gelegenheit regelmäßig, um deren Zustimmung an Zugeständnisse für kommerzielle Walfanginteressen zu knüpfen. Die Tagung wird eine große Herausforderung für das Gastgeberland, das der so genannten "Buenos Aires Group" angehört, dem Block der lateinamerikanischen Staaten, der sich strikt gegen kommerzielle und wissenschaftliche Walfangaktivitäten ausspricht.
Ob die Tagung erneut im Chaos versinkt, wird aber vor allem von der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union abhängen, die sich bereits in den kommenden Monaten auf eine neue Position zu verständigen versuchen. Bis heute gelang es Dänemark und der EU Kommission, den EU-Block vollständig lahmzulegen.