Die Staatsanwaltschaft in Berlin hat Ermittlungen gegen den Hertha BSC-Investor Lars Windhorst aufgenommen. Die Strafverfolger gehen dem Verdacht nach, dass Windhorst Bankgeschäfte abgewickelt hat, ohne eine Erlaubnis dafür zu haben. Die Ermittlungen sind ins Rollen gekommen, nachdem „Markt und Mittelstand“ sowie „WirtschaftsKurier“ Anfang Juni über Windhorsts Spekulationen berichtet hatten.
Die dort dargestellten Sachverhalte stehen nun im Mittelpunkt der Nachforschungen, auf die auch die Finanzaufsicht BaFin gedrungen hat.
Der 44jährige Lars Windhorst, der mit 16 sein erstes Unternehmen für Computerzubehör gegründet hatte und den damaligen Kanzler Helmut Kohl auf Wirtschaftsdelegationsreisen begleitete, hat nach seinem frühen Aufstieg mehrere Pleiten, eine Privatinsolvenz und bereits eine Verurteilung wegen Veruntreuung hinter sich. Seine aktuelle Investmentgesellschaft nennt sich Tennor und steckt Milliarden etwa in eine Werft in Flensburg, in einen italienischen Modehändler, in ein marodes Stadtviertel in Hannover, in eine Roboterfirma in Jena – und in Hertha BSC.
Die Perle liefert nicht
Allerdings hat Windhorst nicht immer ein glückliches Händchen – und um eine solche missglückte Investition geht es bei den aktuellen Ermittlungen. Wie „Markt und Mittelstand“ und „WirtschaftsKurier“ berichteten, hatte der französische Fondsmanager Bruno Crastes, die Millionen seiner Anleger unter anderem in Windhorst-Firmen investiert. Das Geld ließ sich allerdings, als Anleger es wiedersehen wollten, nur schwer lockermachen. Eines von Crastes‘ Beteiligungsvehikeln, das den Namen „H2O Fidelio“ trägt, musste nach einer Intervention der französischen Finanzaufsicht ganz liquidiert werden. Hinter H2O hatte lange Natixis gestanden, die Investmentbank der französischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Natixis hat sich inzwischen aus H2O zurückgezogen, nachdem ihr Börsenkurs zuvor um zehn Prozent eingebrochen war.
In dem liquidierten Portfolio steckten mehr als einhundert Millionen Euro. Als Grund für das Aus, gilt, dass es nicht gelungen sei, Investments in Wertpapiere des Dessous-Fabrikanten La Perla sowie des Medizintechnik-Herstellers Avatera „geordnet zu veräußern“. Beide Gesellschaften zählen zum Umfeld von Windhorsts Tennor Holding.
La Perla leistete sich Windhorst im Jahr 2018. Die Marke mit Hauptsitz in London wurde 1954 im norditalienischen Bologna gegründet, das für seine Seidenindustrie bekannt ist. Neben spitzenbesetzten Dessous, die schnell mal 600 Euro und mehr kosten, stellt das Unternehmen Nachtwäsche und Strandkleider her. Gründerin Ada Masotti übergab es ihrem Sohn, der das Familienunternehmen an einen Finanzinvestor verkaufte. Dessen Vision von eine globalen Luxusmarke mit Produktionsstandorten in Europa ging aber nicht auf, woran auch der Einstieg Windhorsts nichts geändert hat. Corona hat dem Geschäftsmodell des Dessousherstellers noch einmal zugesetzt. Es könnte sein, dass die Zukunft in die Hose geht.
Anders ist es um den zweiten Problemfall im liquidierten Portfolio bestellt, um Avatera im thüringischen Jena. Dort wird Zukunft gemacht. Der ehemalige Conti-Chef und DAX- Multiaufsichtsrat Hubertus von Grünberg gründete Avatera. Gemeinsam mit einem Chirurgen wollte er ein Unternehmen aufbauen, das Menschen weltweit den Zugang zur Roboter-Medizin eröffnet. Diese teure und aufwändige Operationsmethode will Avatera zu einem System umformen, das schnell installiert und kostengünstig Ärzte bei der Operation unterstützen helfen kann. Grünberg, der inzwischen im Beirat von Tennor sitzt, gewann Windhorst als Investor. „Ich freue mich, zusätzliche Finanzmittel bereitzustellen für die Entwicklung einer deutschen Spitzentechnologie“, sagte Windhorst, als er sein Engagement bei Avatera im vergangenen Jahr auf 250 Millionen Euro ausbaute. 100 Millionen davon waren als sogenannte Wandelschuldverschreibung geplant. Das heißt: Am Anfang fließt Geld, das aber in Form von Aktien zurückgezahlt wird. Der Investor wird so zum Aktionär und ist dann zufrieden, wenn der Wert der Aktien möglichst den seiner Investition übertrifft. Dass andere Investoren bei Avatera nicht so optimistisch sind wie Windhorst, wird nun darin sichtbar, dass jener Fidelio-Fonds, der Avatera-Anteile enthielt, abgewickelt werden musste. Windhorst hatte gewettet und zumindest diese Runde verloren.
Ein Finanzvehikel ersetzt das andere
Er gab sich allerdings nicht geschlagen, sondern rief ein neues Finanzvehikel namens Evergreen Funding ins Leben. Evergreen erwarb die schwer verkäuflichen Papiere von H2O. Im Juni 2020 wurde eine Evergreen-Anleihe emittiert, die Investoren mit großzügigen 12,5 Prozent Zinsen lockte. Der Verdacht der Bafin ist es, dass Evergreen an Bankgeschäften beteiligt sei, ohne die dafür erforderliche Erlaubnis zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht dem nach.
Windhorst selbst reagiert darauf, wie es der verflossene US-Präsident Donald Trump auch stets machte. Er twitterte: „That is old news“. Er kenne den Vorgang seit Mai. Damals allerdings hatte er auf Nachfrage von „Markt und Mittelstand“ sowie „WirtschaftsKurier“ ausrichten lassen, dass es keinen Anlass für irgendwelche Stellungnahmen oder Berichte gebe. Ein Sprecher von Windhorst sagte jetzt: „Wir sind absolut sicher, dass es für die Anschuldigungen keine Grundlage gibt, weil weder Evergreen noch andere Unternehmen der Gruppe an Bankgeschäften beteiligt waren.“ Bei Hertha dürfte man die neuen Anschuldigungen gegen den Eigentümer sorgenvoll betrachten. Dort wartet man nämlich auf die nächste Millionenüberweisung von Windhorst. Sie soll im August kommen. Es dürfte eine Zitterparty werden.