Innendämmung gewinnt an Bedeutung
Die Auseinandersetzung um die unterschiedlichen Dämmsysteme und ihre Vor- und Nachteile führen zu immer mehr Belegen für die Vorzüge einer diffusionsoffenen Innendämmung. Das ist eine der zentralen Erkenntnisse, die sich aus den Vorträgen beim Symposium Innendämmung in Duisburg im Januar 2014 ergab. Es wurde gemeinsam veranstaltet von den Profis für Lehm und Dämmung, den Unternehmen Claytec und redstone. Innendämmung ist nicht nur die erste Wahl für Denkmäler, Fachwerkbauten und für die Bestandssanierung. In besonderen Fällen ist sie sogar bei Neubauten in Betracht zu ziehen. Neben Aspekten wie Langlebigkeit beim Einbau im geschützten Innenraum kommt sie heutigen Lebensgewohnheiten sehr entgegen. Wohnraum wird oft diskontinuierlich genutzt und es ist sehr vorteilhaft, wenn die Raumluft rasch um ein paar Grad aufgeheizt werden kann. Bauphysikalisch gibt es bei sachgerechter Ausführung keinerlei Einschränkungen in der Anwendung von Innendämmungen, auch in Dämmstärken von 10cm und mehr. Zudem kommt das absolut tolerante offenporige System unseren menschlichen Verhaltensweisen entgegen. Die Lüftungsgewohnheiten passen heute oft nicht zu den hoch abgedichteten Innenräumen. Hier führt etwa mineralische Dämmung mit Lehmkleber und raumseitgem Lehmputz durch die hohe Feuchtesorptionsfähigkeit zu großer Toleranz gegenüber Feuchtespitzen.
Material für Puristen und für Juristen
Wer heute innen dämmen will, dem stehen eine Vielzahl von Systemen zur Verfügung. Drei Beispiele, die in der Denkmalsanierung als Dämmverfahren mit Lehmkleber und Lehmdeckputzen verarbeitet werden, stellen wir hier vor. Für Puristen ist der Naturdämmstoff aus Schilfplatten, die in Dicken von 2 cm und 5 cm zur Verfügung stehen, noch immer eine seit Jahrzehnten bewährte Wahl. Schilf ist ein Naturbaustoff par excellence, es wächst natürlich, wird nicht künstlich gedüngt oder mit Chemikalien behandelt. Die regelmäßige Ernte fördert seinen Bestand. Auch bei der Verarbeitung bleiben die Schilfmatten reine Naturprodukte, sie werden nach dem Trocknen ohne jede zusätzliche Behandlung lediglich mit Draht verwoben. Schilf ist erstaunlich feuchteresistent und verrottet kaum, es ist stabil und aufgrund seiner griffigen Oberflächenstruktur ein ausgezeichneter Putzgrund. Sein Gehalt an Kieselsäure ist überdies brandhemmend, der raumseitige Lehmverputz Lehmverputz schützt das Material weiterhin. Bei der Sanierung von historischen Fachwerkbauten sind Schilf und Lehm traditionell gefragt, beides Naturprodukte, die ohne Chemie und Wärmeenergie produziert werden.
Ebenfalls bestens geeignet für "lebende" Bauten, wie sie Fachwerkhäuser Zeit ihres Bestehens bleiben, sind Holzweichfaserplatten wie die Pavadentro-Platte. Holzweichfaserplatten sind elastisch und sie fangen manche Verformung auf, ohne Schaden zu nehmen. Dafür sind sie als organischer Baustoff weniger Tolerant gegen eine außergewöhnlich hohe Befeuchtung über einen langen Zeitraum. Dagegen zeichnen sich Mineralschaumplatten durch eine hohe Feuchtigkeitstoleranz aus, der rein mineralische Baustoff nimmt auch im extremen Fall eines direkten Kontakts etwa mit eindringendem Wasser kaum Schaden. Dafür ist der Baustoff nicht elastisch. Bei vielen Bauvorhaben im Bestand bietet sich ein gemischter Einsatz der Dämmstoffe durchaus an, wenn etwa im Erdgeschoss geringfügige aufsteigende Restfeuchte nicht ausgeschlossen werden kann, während die Holzddecken arbeiten und eine elastische Umgebung brauchen.
Holzweichfaser- und Mineralschaumdämmplatten sind im heutigen Baualltag die meist getroffene Wahl. Die Produkte haben eine Zulassung, sie sind normiert und damit gewährleistungsfähig. Reine Naturprodukte wie Schilfplatten passen in keine Norm. Auch wenn jahrzehntelange Praxiserfahrung die Qualitäten belegt, bleibt der Einsatz eine individuelle Entscheidung des Bauherren.
Innen dämmen? Außen gucken
Das Kapitel "Innendämmung mit Lehmbaustoffen" des Standardwerks "Lehmbau-Praxis. Planung und Ausführung" (2. Auflage Berlin 2014) von Dipl. Ing. Ulrich Röhlen und Prof. Dr. Christof Ziegert bringt die wichtigsten Aspekte der Innendämmung auf den Punkt. Innenwände in Steinhäusern wurden schon vor Jahrhunderten mit Holz verkleidet, die Vorläufer unserer Tapeten waren Wandbehänge, die vor die Wand gespannt wurden, um den Bewohner gegen das kalte Mauerwerk abzuschirmen. Seit Jahrzehnten ist es gängige Praxis nicht nur im Fachwerkbau, Innenräume mit dämmenden Leichtlehmschüttungen und mit lehmverputzten Schilfrohrmatten zu dämmen. Ulrich Röhlen, technischer Leiter im Unternehmen Claytec, wurde zum Motor in der ökologischen Innendämmung mit gewährleistungsfähigen Baustoffen.
Worauf besonderes Augenmerk bei Innendämmungen zu richten ist, hat Dr. Worch, Leiter WTA-Arbeitsgruppe Innendämmung, in einem vielfach publizierten Vortrag treffend formuliert: "Innen dämmen? Außen gucken". Praktisch alle im Zusammenhang mit Innendämmung auftretenden Schäden haben ihre Ursachen in undichten Außenwänden, in die durch Ritzen und Anschlüsse bei Schlagregen Wasser in die Wand eintritt. Ein weiteres Problem kann aufsteigende Feuchtigkeit sein, die nicht ausreichend berücksichtigt wurde.
Gut nicht nur für das Denkmal
Die Notwendigkeit verbesserter Wärmedämmung hat in den letzten Jahrzehnten zum Verlust zahlreicher historischer und ortsbildprägender Fassaden geführt und den Wert und den Charme der städtischen Wohnquartiere erheblich beschädigt. Mittelfristig kommen die ungeklärten Fragen hinzu, wie sehen Wärmedämmverbundsysteme in 15 oder 20 Jahren aus? Allein diese Aspekte sind entscheidende Argumente für eine innen angebrachte und nicht verwitternde Dämmschicht. Die schnelle Aufwärmung der Innenräume ist ein weiteres Argument, weil wir gegen die Dämmschicht und nicht gegen die Masse des Mauerwerks heizen. Auch die Sonneneinstrahlung kommt bei innen gedämmten Wänden wohin sie soll: In die Wand. Außendämmung lässt die Wärme draußen.
Regenerative Energien und besonders die Energieeinsparung sind die größten Potentiale und zukünftig bedeutende Energiequellen. Bauen im Bestand wird mit dem wieder attraktiven, urbanen Wohnen weiter an Bedeutung gewinnen. Innen gedämmt behalten Stadtquartiere ihren Charme bei gleichzeitiger Steigerung von Komforts und Wohngesundheit des einzelnen Gebäudes. Mit Innendämmung sind keine neuen Außenputze nötig. Der an Vorderfassaden von Altbauten häufig anzutreffende schmückende Stuck erfährt keine Beschädigung. Zudem entfallen sämtliche Gerüstarbeiten sowie schwierige Anschlüsse an Fenstern, Traufen und Ortgängen. Auch der bei Außendämmungen in der Regel auftretende Tageslichteinfallsverlust durch die ohnehin nicht großen Fensterflächen im Altbaubestand ist mit der Innendämmung durch Abschrägung der Leibungen vollständig vermeidbar. Ein weiterer Vorteil liegt auf der Hand: Die Sanierung einzelner Etagen von Mehrfamilienhäusern etwa bei Mieterwechsel ist mit Innendämmung kein Problem.
Die Fragestellungen der Denkmalpflege tragen seit Jahrzehnten zur Entwicklung wirkungsvoller, aber behutsamer Dämmtechniken bei. Die Ergebnisse zeigen, wie sich Ansprüche an Energieeffiziens mit dem Erhalt der Architektur und ihrer Substanz bei vertretbaren Kosten in Einklang bringen lassen. Nutzbar ist dies für die Modernisierung des gesamten erhaltenswerten Baubestand.
Dr. Michael Willhardt
Weiterführende Informationen:
www.innen-daemmung.de
http://www.claytec.de/produkte/bautechniken/innendaemmung-mit-lehm.html
Literatur:
Lehmbau-Praxis
Planung und Ausführung
U. Röhlen / C. Ziegert
2., aktualisierte und überarbeitete Auflage
2014, ca. 320 Seiten. 24 × 17 cm. Broschiert.
4-farbig inkl. zahlreichen Fotos & Abbildungen.
ISBN 978-3-410-23942-0
Blick ins Buch
Informationen zum Buch und über die Autoren: www.lehmbau-praxis.de