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Das Weinland Ungarn zwischen Stierblut, Biobewegung und starken Reben

Traditionsbewusst, weltoffen und voller Tatendrang

(lifePR) (Frasdorf, )
Ob es die Römer oder doch bereits die Kelten waren, die in Ungarn den Grundstein für eine große Weinbaunation legten ist nicht ganz erwiesen. Was jedoch unbestritten ist: Den Vergleich mit den großen europäischen Weinländern muss das verhältnismäßig kleine Land mit seinen 7 Weinregionen und 22 Anbaugebieten nicht scheuen. Zwar galt es in den Jahren des Eisernen Vorhangs gewissermaßen als Billigweinland, aber seit Ende dieser Ära hat sich viel getan. Die staatlichen Betriebe wurden privatisiert, große Investoren, z.B. aus Italien und Frankreich tauchten auf, und nicht wenige der enteigneten Winzer kehrten heim und kauften ihr Land zurück. Man besann sich auf die Tradition und zum Massenprodukt verkommene Weine, wie das berühmt-berüchtigte Stierblut, wurden zu neuer alter Qualität zurückgeführt.

Stierblut sagt in Ungarn heute allerdings kaum noch ein Winzer. Der ursprüngliche Begriff Bikavér, der für eine säurearme, tiefdunkle Rotweincuvée aus mindestens drei Sorten steht und heute meist den Kékfrancos als Basis hat, ist aber nach wie vor in aller Munde. Ungarns Winzer sind traditionsverbunden und gleichzeitig offen für Innovation. Landestypische Rebsorten wie der Kékfrancos (Blaufränkisch), der Furmint – Nummer eins Rebsorte des berühmten Tokaji Aszú – oder der empfindliche Juhfark (zu Deutsch Lämmerschwanz) werden ebenso angebaut, wie die bekannten internationalen Sorten und einige pilzwiderstandsfähigen Neuzüchtungen; moderne Kellertechniken kommen ebenso zum Einsatz wie traditionelle – zum Beispiel die Rotwein Maischegärung im offenen Betonbehälter.

Ein spannender Trend ist das wachsende Interesse am Bioweinbau in Ungarn. Der Wunsch nach weniger chemischem Pflanzenschutz und einem ökologischen Weinbau im Einklang mit den natürlichen Gegebenheiten findet auch hier immer mehr Anhänger und hat mit Krisztián Gyukli vom Weingut Gyukli in Balatonfüred am wunderschönen Plattensee einen innovativen und überaus sympathischen Fürsprecher gefunden. Er leitet heute den Betrieb, den sein Vater Gyula 1983 gründete, und betreibt seit 2010 Versuchsplantagen, mit denen er vielversprechende Neuzüchtungen sowie innovative landwirtschaftliche Methoden testen und in der Region etablieren will….

Herr Gyukli, Sie bauen nicht nur ganz traditionell ungarische Sorten, wie den berühmten Lämmerschwanz an, sondern bewirtschaften auch Versuchs-Rebflächen. Welche Rebsorten erforschen Sie in diesen Weinbergen?

K. Gyukli: „Im Jahr 2010 habe ich eine Versuchsplantage angelegt mit der Rebsorte Solaris. Diese Pilzwiderstandsfähige Rebsorte habe ich bereits am Staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg 10 Jahre erforscht. Unsere Solaris-Reben in Ungarn sind seit 5 Jahren ohne Pflanzenschutz kerngesund und sind schon im August reif. Da unser „Bio Solaris 2014 Virgin Vintage” europaweit bei mehreren Weinwettbewerben Großes Gold, Champion Price oder den ersten Platz geholt hat, wird dieses Jahr die Solaris Fläche erweitert. Vor drei Jahren habe ich dann eine ungarische weiße Sorte angebaut mit dem Namen Füredgyöngye (Perle von Füred). Der Züchter hat mich gebeten diese noch nicht klassifizierte Sorte bekannt zu machen. Ich bin mit beiden Rebsorten äußerst zufrieden. Im Jahr 2017 möchte ich dann die rote PiWi Sorte Néró anpflanzen, um tolle Bio Rosé Perlweine herstellen zu können.”

Gibt es Sorten, die Sie besonders überzeugen? Welche Eigenschaften müssen sie für das Klima in Ihrer Region mit sich bringen?

K. Gyukli: „Die Rebsorte Olaszrizling hat bei uns die größte Bedeutung. Sie ist zwar eine konventionnelle Sorte, die Pflanzenschutz benötigt aber die eine optimale Säure-Zucker Entwicklung in der Reifephase durchläuft und die eine stabile Beerenhaut besitzt. Dies ermöglicht nicht nur frische-fruchtige, sondern auch körperreiche Auslesen und edelsüße Trockenbeerenauslesen. Der 14’er Sommer war in Balatonfüred sehr kalt und nass, der 15’er extrem heiß... die Sorte Olaszrizling hat aber bewiesen, dass sie sich in den Karpaten wohlfühlt: Wir konnten beide Jahre hervorrangende Weine ausbauen.”

Man kennt die PIWIs ja eher aus nördlichen, eher kühlen und niederschlagsreichen Weinländern – gibt es in Ungarn viele Winzer, die sich für das Thema interessieren? Gibt es da einen Austausch oder probiert jeder, was in seinen Lagen am besten funktioniert?

K. Gyukli: „In Ungarn gibt es zur Zeit ca. 60.000 ha Rebfläche, davon knapp 10.000 ha PiWi. Ich glaube damit sind wir gut vorne was PiWi angeht. In der Tiefebene pflanzen viele Winzer die Sorte Bianca (gleicher Züchter wie bei den Sorten Füredgyöngye und Néró) weil die Sorte kaum Chemikalien braucht, einen riesen Ertrag hat und leicht maschinell bewirtschaftet werden kann. Es gibt viele ungarische PiWi Sorten mit sehr guten Eigenschaften. Die Winzer haben immer weniger Angst davor diese Sorten auszuprobieren. Immer mehr Jungwinzer stellen ihre kompletten Rebflächen ökologisch um, unabhängig davon, ob die Sorten PiWi oder Tradiotionelle sind.”

Sie testen in den Versuchsplantagen auch weinbautechnische und landwirtschaftliche Methoden. Können Sie uns einen kleinen Einblick geben?

K. Gyukli: „Es gibt bei uns am Plattensee viele unterschiedliche Böden, die es uns ermöglichen unterschiedliche Saatgüter auszuprobieren. Unsere Ökoflächen haben 2 Vogelnester und 2 Insektenhotels pro Hektar. In der Vegetationsphase ziehen wir 2 mal Blattproben und einmal Bodenproben, um die optimale Nährstoffversorgung der Reben zu unterstützen. Nächstes Jahr fangen wir mit einer speziellen Erziehungsform mit dem sogenannten Rutenkordon an. Das ist eine spezielle Variante aus dem Minimalschnitt. Hier erwarten wir eine stabile Laubwand (gegen Hagelschaden) und trotz riesen Ertrag reife Trauben aufgrund eines besseren Ruten-Trauben Verhältnisses.”

Vielen Dank für die interessanten Einblicke. Wir werden sicher in den nächsten Jahren mal wieder anklopfen und nachhören, wie sich die Dinge entwickeln…

Ein weiterer wichtiger Botschafter des ökologischen Weinbaus in Ungarn ist das Demeter zertifizierte Weingut Wassmann in malerischen Villány, der südlichsten Weinbauregion des Landes. Die Eigentümer Susann Hanauer und Ralf Wassmann geben uns einen Einblick in die wachsende Biobewegung ihrer Region und erklären, warum sie sich auf Verbraucherseite beim Wein besser durchsetzt als bei anderen Produkten.

Frau Hanauer, Herr Wassman, Ihr Betrieb ist seit 2011 Demeter zertifiziert und übernimmt eine Art Vorreiterrolle für die Region Villány. Konnten Sie in den letzten Jahren ein wachsendes Interesse am biologischen / biodynamischen Weinbau in Ihrer Region beobachten?

S. Hanauer: „Ja, in Villány haben mehrere große Weingüter inzwischen ganz oder teilweise auf Bio umgestellt und weitere tun es. Wir haben momentan in Villány den höchsten prozentualen Anteil an ökologisch bewirtschafteten Weinbergen in ganz Ungarn. Die Villányer Winzer, die übrigens zum Großteil deutschstämmige Donauschwaben sind, sind schon immer am innovativsten gewesen von den 22 Weinbaugebieten hierzulande: Sie haben die erste ungarische Weinstraße, Villány-Siklós, und die erste geschützte Herkunftsgarantie (Districtus Hungaricus Controllatus Villány) ins Leben gerufen und gehen auch in Sachen Ökologie mit gutem Beispiel voran. Wir alleine beraten inzwischen schon 3 Weingüter mit insgesamt 44 Hektar, was ökologischen Rebbau angeht. Ganz Villány hat insgesamt nur ca. 2500 Hektar Weinbaufläche und gilt als das bedeutendste Rotweingebiet Ungarns. Das Interesse an Biodynamie steigt auch, aber langsamer. Biodynamie, Demeter und Rudolf Steiner sind hierzulande längst nicht so bekannt wie in Deutschland, obwohl Rudolf Steiner auf damals ungarischem Boden geboren wurde. Es gibt zwar schon einige Walldorfschulen, aber die biodynamische Landwirtschaft ist noch sehr unbekannt. Wir sind erst das zweite Weingut in ganz Ungarn, das Demeter-zertifiziert ist. Aber immer mehr arbeiten mit den biodynamischen Präparaten und wir unterstützen auch hier unsere Kollegen so gut es geht.“

Gibt es eine Art Vereinigung der Biowinzer im Land, in der Sie sich mit den Kollegen austauschen können, oder passiert das eher auf internationaler Ebene?

R. Waßmann: „Es gibt keinen Verband wie z.B. Ecovin in Deutschland, aber es gibt einen Zusammenschluss von Winzern, die naturnah arbeiten, nicht unbedingt alle biozertifiziert, aber alle haben die Charta unterschrieben, die sogar noch strenger ist, als die Demeter-Richtlinien, weil z.B. keinerlei Chaptalisierung erlaubt ist. Dieser Zusammenschluss heißt TERRA HUNGARICA. Die Gründer dieser eingetragenen Marke veranstalten regelmäßige Treffen und auch eine eigene Messe in Budapest, die MITISZOL, zu Deutsch: Was trinkst Du? Für uns ist aber der internationale Austausch noch wichtiger, denn die Weingüter mit wirklich langer Erfahrung in Sachen biodynamischer Weinbau liegen nicht in Ungarn, sondern im Ausland. So besuchen wir z.B. die Naturweinmessen RAW und Label Grand Karakterre und auch einzelne Kollegen auf ihren Weingütern. Das ist jeweils sehr lehrreich und inspirierend für uns und unsere Arbeit.“

Welchen Stellenwert haben Bioprodukte ganz allgemein in Ungarn? Wächst der Markt ähnlich stark wie bei uns in Deutschland?

S. Hanauer: „In Ungarn werden sehr viele Bioprodukte erzeugt, aber die meisten werden inzwischen exportiert, v.a. nach Deutschland. Hier im Land ist die Schere zwischen arm und reich seit der Finanzkrise viel drastischer ausgebildet als z.B. in Deutschland. Die allermeisten Ungarn müssen mit dem gesetzlichen Mindestlohn auskommen, der gerade so zum Überleben reicht, aber schon nicht mehr für beispielsweise ein Auto oder Urlaubsreisen. Es können sich also nur sehr wenige Ungarn die teureren Bio-Lebensmittel finanziell leisten. In den Discountern werden z.B. erst seit ca. 3 Jahren überhaupt einige wenige Bioprodukte angeboten, und auch das nur sehr unregelmäßig. Bioweine sind hingegen nicht teurer als qualitativ vergleichbare, konventionell erzeugte Weine und da spürt man schon eher einen Trend hin zu Bioweinen, vor allem in der gehobenen Gastronomie, wo auch unsere Weine sehr beliebt sind.“

Noch eine Frage zu den Rebsorten: Setzen Sie eher auf internationale Sorten oder bauen Sie auch typisch ungarische Reben an? Gibt es eine Rebsorte, die besonders typisch für Ihre Region ist?

R. Waßmann: „Wir setzen vor allem auf typische Rebsorten, die im 18. Jahrhundert mit der Ansiedelung der Donauschwaben nach Ungarn kamen: Beim Rotwein sind das unsere Hauptsorte Kékfrankos sowie Kékoportó, der neuerdings Portugieser genannt werden muss. Olaszrizling (Welschriesling, wörtlich eigentlich: italienischer Riesling) kam dann 1850 über die Steiermark aus der Champagne hier her. Siklós, die Gemarkung im Villányer Weinbaugebiet, wo unsere Rebflächen liegen, gilt hierzulande als eines der besten Welschriesling-Terroirs. Die sogenannten internationalen Sorten sind hier aber auch schon seit über hundert Jahren heimisch, sind also lange etabliert und keinesfalls eine kurzfristige Modeerscheinung, denn sie kamen schon damals während der Reblausseuche nach Villány. Sigmund Teleki hat hier seit 1890 sehr erfolgreich Unterlagenzucht betrieben und damit den europäischen Weinbau gerettet, weshalb Winzer aus ganz Europa ihre Sorten zu ihm schickten, damit er Versuche machen konnte. Und viele Rebsorten fühlten sich hier so wohl und ergaben so hochkarätige Weine, dass sie geblieben sind. Deshalb bauen wir auch Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc an. Cabernet Franc wird außer an der Loire nur hier in Villány reinsortig ausgebaut und wie der berühmte Terroirforscher und Weinbauberater Claude Bourguignon und seine Frau im November auf der ersten internationalen Cabernet Franc Konferrenz in Villány bestätigt haben, haben wir hier in Villány ein absolut herausragendes Terroir für diese Sorte. Michael Broadbent (MW) hatte ja schon im Jahre 2000 im Decanter Magazin geschrieben, dass Cabernet Franc seine Heimat in Villány gefunden habe. Wir Villányer Winzer sind überzeugt, dass wir mit unseren reinsortigen Cabernet Francs, für die innerhalb der Klassifizierung DHC Villány nochmals strengere Regeln gelten und die sich dann "Villányi Franc" nennen, in Zukunft auch international für Aufmerksamkeit sorgen und Villány wieder so bekannt machen können, wie es zu Kaiserzeiten schon war, als es an den europäischen Höfen hieß: "Nullum vinum nisi hungaricum", zu Deutsch: Kein Wein außer ungarischem. In diesem Sinne, herzliche Grüße aus Villány!“

Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren Interviewpartnern aus Villány und Balatonfüred und wünschen weiterhin viel Erfolg!

Deutschsprachige Informationen zu den beiden Weingütern sowie deren Vertriebsstellen in Deutschland findet Ihr unter www.weingut-wassmann.com und www.gyuklipince.hu.

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